Danesfield House, ab 1941 Stützpunkt der ACIU, bis 1977 der Royal Air Force angehörig
Grüne Markierung belegt das Gebiet erfolgter Luftbildaufnahmen, insgesamt 5.5 Millionen.
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Mehrmals führten uns die Recherchen zur REIMAHG-Geschichte in Archive nach England und Schottland. Persönliche Kontakte, Gespräche und Bestandsnutzung vor Ort waren immer effektiver vor allem informativer als nur ein Mausklick im Internet.
In einem vorangegangenen Artikel nahmen wir ausschließlich Bezug auf die REIMAHG Dokumente im englischen ACIU-Archiv, es gibt jedoch mehr Bestände zu dieser Thematik. Wichtig zu wissen ist, dass die Arbeitsweise und Nutzung eines Archivs stets speziellen Regeln unterliegen. Ein in allen Archiven wichtiger Ausgangspunkt und Arbeitsgrundlage war das Verstehen der jeweiligen Systematik der Archivierung. Diese im richtigen Kontext auch erfolgreich anzuwenden ist die Grundlage zur Nutzbarkeit der Bestände. Sie zu verstehen ist nicht immer einfach, entscheidet aber über den Erfolg der Suche.
Zum Grundlagenwissen gehört, dass alle Archive prinzipiell nur Originale erfassen, übernehmen, erhalten und verwahren. Nur sie dienen der Beweissicherung, in unserem Fall zur zuverlässigen Dokumentation der Vergangenheit, da man „bei der Rekonstruktion vergangener Geschehnisse auf glaubwürdige und verlässliche Quellen angewiesen ist. Nur Originale können diese Funktion erfüllen. Würden die geschichtlichen Quellen, die Aufnahme in ein Archiv gefunden haben, beliebig verändert werden können, wie sollte dann nachvollzogen werden, wie es wirklich war? Ohne Originale gibt es keine Möglichkeit, historische „Fake-News“ zu entlarven. Aus diesem Grund bewahren Archive Originale auf und gewährleisten deren Unverfälschtheit ab dem Zeitpunkt der Übernahme in das Archiv. Sie sind Garant der historischen Authentizität der Quellen unserer Vergangenheit.“
Zwar kann man über das Internet Archivbestände nutzen, erfahrungsgemäß erfolgt der Zugriff jedoch meist nur in begrenztem Rahmen, wobei man gerade beginnt nach Möglichkeiten zu suchen, um Archivbestände nach entsprechender rechtssicherer digitaler Kommunikation zu erschließen, um die Authentizität der elektronischen Dokumente belegbar zu machen.
Bei der Auswertung von REIMAHG-Unterlagen konnten wir schon mehrfach Behauptungen als Unwahr und im richtigen Zusammenhang darstellen. Auch hier griffen wir auf Originaldokumente zurück, die als Informationsquelle das Geschehene nachvollziehbar und zuverlässig belegen.
In den genannten Archivbeständen ist belegt, dass ganz Deutschland ab 1939-1945 systematisch von alliierten Luftaufklärern überflogen wurde, erst von der Royal Air Force (RAF) später durch die United States Army Air Forces (USAAF). Beide stationiert in England.
Der heute noch existente, geschlossene Bestand an Luftbildaufnahmen und Unterlagen dokumentiert gesamt Deutschland und die daraus resultierenden Aufzeichnungen der alliierten Geheimdienste sowie deren Bildanalysen. Sie belegen ein einzigartiges Zeitfenster deutscher Geschichte.
Nach dem Krieg, mit Auflösung des ACIU in Dansfield House, Medmenham, wurde der gesamte fotografische- wie Aktenbestand ins schottische Edinburgh umgelagert, dem NCAP (National Collection of Aerial Photography). Es ist weltweit die größte und bedeutendste Sammlung von Luftbildaufnahmen von Deutschland während des Zweiten Weltkrieges. Auch hier wird der Bestand schrittweise digitalisiert, um sie für die Forschung uneingeschränkt nutzbar zu machen, vor allem aber zu erhalten.
Das ACIU (Allied Central Interpretation Unit - Alliierte Zentrale Auswertungseinheit) war eine der wichtigsten Abteilungen der Luftaufklärung, neben den Aufklärungseinheiten der Briten und Amerikaner. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs befanden sich im Bestand der ACIU 36 Millionen Luftaufnahmen von militärisch ausgesuchten Orten weltweit. Dieses umfangreiche Fotoarchiv, die mit Aufnahmen von britischen, amerikanischen, kanadischen und südafrikanischen Einheiten aufgenommen wurden, dokumentieren eine visuelle Aufzeichnung der Welt im Krieg.
Die Auswertungsberichte der Aufklärungsflüge waren von enormer Bedeutung für die Alliierten, da sie ihnen bei ihren Einsätzen halfen, sei es in der Planung und Durchführung von Einsätzen oder der Auswertung von Zielen. Wir berichteten bereits im Rahmen der Luftaufklärung zur Thematik Walpersberg darüber.
Wie wichtig die Rolle der alliierten Luftaufklärung allgemein war, belegt am besten die gelungene Landung der Alliierten in der Normandie. Die Vorarbeit zum sogenannten D-Day war die größte Fotoaufklärung der Geschichte. Ein Zeitzeuge berichtete, dass im ACIU von 1.700 Offizieren täglich 85.000 Fotos ausgewertet wurden!
Die Gründung des ACIU begann bereits im September 1939, mit Ausbruch des 2. Weltkrieges. Anfangs nur eine kleine Bildauswertungseinheit arbeitete sie im Hauptquartier der „British Expeditionary Force“, die sich in Frankreich befand. Auch die Flugzeuge, die zu diesem Zeitpunkt zur Verfügung standen, waren eher ungeeignet für die Luftaufklärung und der britische Pilot Sidney Cotton der Einzige, der Erfahrung mit dieser Art von Flügen hatte. Auf Grund dieser Situation beantragte er beim Air Ministry die Zuweisung von besseren Flugzeugen, wozu die Spitfire zählte. Diese kleine Aufklärungseinheit war auf dem Flugplatz Heston stationiert und trug die Bezeichnung „No 2 Camouflage Unit“. Die Auswertung der Luftaufnahmen befand sich ab Januar 1940 in Händen der „Photographic Development Unit „(PDU), in Wembley, die ausschließlich nur von Zivilisten der „Aircraft Operation Company Ltd“, unterstütz wurde.
Diese Organisation wurde am 12. Juni 1940 vom Air Ministry als offizielle Einheit anerkannt und erhielt die Bezeichnung „Photographic Development Unit - Interpretation and Intelligence“ (PDUI). Einen Monat später erfolgte eine organisatorische Umstrukturierung und die Einheit des Airs Ministry kam unter Befehl des Hauptquartiers des „Coastal Command“ womit sich ihre Bezeichnung in „Photographic Interpretation Unit“ (PIU) änderte, Standort Wembley.
Mit Ausbreitung des Krieges 1940 wurde klar, dass Wembley für die tägliche Auswertungsarbeit und den Operationen zu klein wurde, weshalb man das PIU im April 1941 nach Danesfield House im Medmenham verlegte und sie die Bezeichnung Central Interpretation Unit (CIU) erhielt. Im selben Jahr gliederte man noch andere Einheit dem CIU an, die „Bomber Damage Assessment Section“ und im Februar 1942 die „Night Photographic Interpretation Section“. Notwendige Erweiterungen erfolgten noch im Verlauf von 1942 und 1943.
Bedingt durch die zunehmende Involvierung der Amerikaner ab Mai 1944 erhielt der CIU seine endgültige Bezeichnung: „Allied Central Interpretation Unit“ (ACIU).
Im Mai 1945, mit Ende des Krieges, wurden einige der Sektionen aufgelöst und andere erhielten Aufgaben als Kontrollkommission in Deutschland.
Unsere Arbeit in den Archiven ist eine ständige Herausforderung auf Grund der vielfach erfolgten Umbenennungen, Zuordnungen, Zusammenführung von Beständen, archiv- und administrativen Zuständigkeiten usw. jedoch meist von Erfolg gekrönt, da man sich im Verlauf der vielen Jahre bereits mit unterschiedlichen Nutzungsmöglichkeiten vertraut gemacht hat und damit schneller Zugriff auf die Bestände erhält. Wichtig und nicht zu unterschätzen ist das Wissen und Anwendung im Allgemeinen und im Speziellen zu militärischen Strukturen, Bezeichnungen, Handhabung und Anwendung von Begriffen in und auf Dokumenten.
Fortsetzung folgt...