Vorab weisen wir darauf hin, dass alle unsere Artikel urheberrechtlich geschützt sind und eine Nutzung – auch auszugsweise oder im veränderten Wortlaut – rechtliche Schritte nach sich zieht. Voraussetzung für eine Nutzung/Veröffentlichung/Verwendung in jeglicher Form durch Dritte ist eine schriftliche Genehmigung des Vereins.
Zu dem am Walpersberg gelegenen Hauptwerk „REIMAHG“ gehörte eine weitere, wichtige Untertageverlagerung, Werk E in den Vereinigten Revieren Kamsdorf.
Hier, etwa 28 Km vom Walpersberg entfernt, waren durch den Erzabbau und nachfolgender Verarbeitung in der Maxhütte Unterwellenborn, untertätig großflächige Hohlräume entstanden. Die Firsthöhe betrug bis zu 10 Meter. Diese Untertageanlage erweckte das Interesse der Betriebsleitung der „REIMAHG“, die nach einer geeigneten untertägigen Produktionsstätte zur Produktion der Düsentriebwerke Jumo-004 für die Me 262 suchten.
Für eine Inspektion der Örtlichkeiten über- und untertage kam Sauckel am 29. August 1944 persönlich nach Großkamsdorf.
Seine Einschätzung fasste er in zwei Sätzen zusammen:
„Aus der gestrigen Besichtigung der Großkamsdorfer Gruben hat sich in mir trotz der anscheinend bestehenden großen Unzulänglichkeiten die Überzeugung gefestigt, dass sowohl der „Hermannsschacht“ wie auch das neuere System sehr wohl für eine kriegswichtige Fertigung in Frage kommen.
Den Unzulänglichkeiten stehen auch wieder große Vorteile gegenüber.“
Dem gegenüber stand die Aussage einer Berliner Firma, die bereits im Februar 1944 die Anlage besichtigt hatte. Sie schätzte die Grube als ungeeignet ein, da sie zu feucht war, die Grubenräume zu weit verzweigt, es Schwierigkeiten mit der Stromversorgung gab und der Querschnitt der Schachtröhre zu eng war, was bedeutete, dass neue Stollen erforderlich waren.
Auch das Bergamt in Clausthal-Zellerfeld hatte seine Bedenkungen. Deshalb wurde die Grube am 10. Oktober 1944 nochmals besichtigt. Es gab zwei Bereiche, die für eine Produktionsstätte in Betracht kommen könnten, einerseits das Gebiet am Ersatzschacht mit 10.000 bis 20.000 m² und andererseits die Reviere am Fromm-Schacht, Bereich Ernstschacht mit 10.000 – 15.000 m², der zu dieser Zeit bereits stillgelegt war. Mit einer Überdeckung von nur 15 – 30 Meter Dolomit Gestein, das bereits sehr verwittert war, gab es ernsthafte Zweifel, ob dies als Schutz gegen schwere Bombeneinschläge ausreichen würde.
Dazu kam das kontinuierliche Durchsickern von Regenwasser, weshalb die Räume für die Fertigung der Düsentriebwerke mit einem Schutzdach gesichert werden müssten. Zur Nutzungsplanung gehörte auch der Bau eines neuen 8 km langen Bahnanschlusses, von der Reichsbahnstrecke Saalfeld – Probstzella zum Bahnhof Kaulsdorf.
Sauckel ignoriert alle Bedenken und beschlagnahmt die Grube. Bereits am 30. August 1944 ordnet er die Einrichtung von Arbeitsräumen für etwa 2.000 Mann an.
Am 18.Oktober fasst das Oberbergamt noch einmal alle Bedenken in einem Schreiben zusammen, auf das zusätzlich ein handschriftlicher Vermerk kam:
„Die Sache ist dem Gauleiter genaustens bekannt, Er weiß, dass die Gruben keine Sicherheit bieten.
Er bezweckt Tarnung.“
Auch hier, wie in Kahla, wird deutlich, wie groß die Kluft zwischen Planung und Realität war. Die von Sauckel erwähnte Tarnung wurde nie umgesetzt. Ein Hinweis von vielen, der die schon zu diesem Zeitpunkt existierende kritische Lage im Kriegsgeschehen und in der Wirtschaft aufzeigt.
In einem weiteren Schreiben des Bergamtes waren nochmals verschiedene Festlegung enthalten, so, wie die Isolierung aller Arbeitsräume gegen eindringende Nässe weshalb diese mit Ziegelsteinen ausgebaut werden müssten, die erforderliche Überdachung der Arbeitsplätze sollte mit Wellblech erfolgen. Ebenso wurden sofortige Verhandlungen mit der Reichsbahn gefordert, zum Bau des Bahnanschlusses. Die für die anstehenden Arbeiten benötigten 250 Arbeitskräfte sollten von Kahla abgezogen und nach Großkamsdorf überstellt werden.
Mit Planung, Ausbau und Inbetriebnahme der Untertageanlage in Kamsdorf erhielt das Gesamtprojekt die Bezeichnung „Werk E“ bzw. „Erichswerk GmbH“ und wurde unter dem Decknamen „Schneehase“ geführt.
Der Ausbau der Grubenräume erfolgte durch die Organisation Todt, unter Leitung von Hauptbauleiter Maul, Einsatzgruppe IV (Kyffhäuser). Dafür wurde eine eigenständige Sonderbauleitung, SBL Großkamsdorf, zusammengestellt. Als Verbindungsmann zwischen der OT und der Bauindustrie wurde Diplom-Ingenieur Eugen Rilling benannt.
Alle wichtigen Produktionsmaschinen, die für die Triebwerkproduktion benötigt wurden, sollten von der Fa. BMW - Markirch im Elsass (Sainte - Marie - aux - Mines) abgebaut und nach Großkamsdorf gebracht werden. Zu diesen Zeitpunkt bestand noch die Überlegung die Me 262 mit einem BMW-Triebwerk auszustatten.
Der Anlauf zur produktionsmäßigen Fertigung der Motoren sollte auf Befehl von Sauckel am 1. November 1944 erfolgen.
Zu den Bau- und Produktionsproblemen kam noch das Kompetenzgerangel mit der Maxhütte, als kriegswichtiger Betrieb bestand diese weiterhin auf den Abbau des Erzes für die Stahlproduktion. Nach mehreren intensiven Gesprächen war man zu einem Kompromiss gekommen, der beiden Unternehmen ihre eigenständige Produktion garantierte.
Um die Materialversorgung der Untertageanlage zu gewährleisten, wurde in Kamsdorf ein Netz von Schmalspurbahnen gelegt. So war es möglich, dass am Ortsausgang von Kaulsdorf angelieferte Material der Reichsbahn sofort auf Schmalspurbahnen umzuladen. Mit Baubeginn erfolgte südlich des Ernstschachtes auch die geplante Auffahrung eines neuen Stollens, auf dessen betonierter Stollensohle auch eine Schmalspurbahn kam. Damit war der Stollen direkt an die Bahnverbindung angeschlossen und konnte selbst von größeren Fahrzeugen befahren werden. Der Stollen bekam die Bezeichnung „Hermann-Göring-Stollen“.
Am 1. Oktober 1944 richtete man in Großkamsdorf zusätzlich das „Vorkommando REIMAHG“ ein. Zu dessen Aufgaben gehörte weiterhin die Einhaltung, Bau und Kontrolle der Planung, das Quartieramt, die Zentralküchenverwaltung und Beschaffung.
Zur schnellstmöglichen Realisierung der Bau- und Produktionsvorgaben des Untertageprojektes „Werk E“ gehörten laut Angaben vom 8. November 1944 insgesamt 7 Lager, in denen deutsche und ausländische Arbeiter untergebracht waren:
|
| D | PL | RU |
| 1. | Lager Kaulsdorf (Gemeindegasthof) | 115 | 325 | 50 |
| 2. | Lager Könitz (Thüringer Hof) | 84 | 250 | --- |
| 3. | Lager Birkigt (Gemeindegasthof) | --- | 150 | --- |
| 4. | Lager Gosswitz (Schule und Gasthof) | 25 | 260 | 35 |
| 5. | Lager Krölpa (Gasthof Rosengarten) | 50 | --- | 20 |
| 6. | Lager Grosskamsdorf (Gemeindegasthof) | 22 | --- | 80 |
| 7. | Lager Kleinkamsdorf (Gasthof) | --- | 85 | --- |
| Insgesamt: | 296 | 1070 | 185 |
Baracken bei Kamsdorf und Kaulsdorf, Bildmitte
In nachfolgenden Besprechungen wurden die größten Baumaßnahmen, je nach Baufortschritt, stets neu in Protokollen festgehalten, was den Baufortschritt nachweisbar dokumentiert. Dies betrifft hauptsächlich folgende Bauprojekte:
Fortsetzung folgt.