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Kahlaer Nachrichten
Ausgabe 19/2025
Vereine und Verbände
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Der Förderverein „Mahn- und Gedenkstätte Walpersberg e.V.“, Sitz Kahla, informiert:

Das Pirelli Werk in der Region Bicocca, Milano

Gefängnis „San-Vittore, Mailand

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Von Pirelli nach Kahla - Die Geschichte der Pirelli Arbeiter - Teil 1

Seit über 25 Jahren recherchieren wir in Italien zu der großen Anzahl italienischer Zwangsarbeiter. Auf Grund des Kontaktes zum Pirelli-Werk, stifteten diese auf unsere Initiative hin eine der insgesamt 10 von uns organisierten Gedenktafeln, die unser Verein nach und nach an der Bunkerwand anbrachte. Dieser noch heute bestehende Kontakt, war Anlass zu diesem besonderen Artikel.

Vielen unter uns ist das Wort „Pirelli“ ein Begriff, es steht für die renommierte italienische Reifenmarke. 1872 von Giovanni Battista Pirelli gegründet, hat das Unternehmen seinen Sitz in Mailand, Italien. Das Unternehmen expandierte bis heute in 12 Länder und produziert dort an 19 Standorten Reifen.

1932 starb der Firmengründer Giovanni Battista. Seine Söhne Piero und Alberto, die bereits im Unternehmen etabliert waren, übernahmen die Leitung und führten es im Sinne des Gründers erfolgreich weiter.

Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs verlagerte sich die Produktion auf militärische Bereifung, vor allem für schwere Fahrzeuge.

Cesare Merzagora, ein italienischer Politiker, äußerte nach dem Krieg, am 11. Dezember 1945, während eines Treffens mit Aktionären von Pirelli, den Leitsatz für das Unternehmen “In primo piano il Paese e il suo Risorgimento” („Im Vordergrund steht das Land und sein Neuanfang“). Er erinnerte mit seiner Aussage an die stets gehaltenen Prioritäten der Firma.

Mit der Unterzeichnung der Kapitulation Italiens am 8. September 1943 erfolgte sofort die Übernahme des Firmen Stammsitzes in Bicocca, durch die deutschen Besatzer.

Acht Tage nach der Übernahme, am 16. September 1943 nahm bereits das neugegründete „Ufficio T“ (Büro T) seine Arbeit auf. Es war zuständig für die Verbindung zwischen dem Betrieb und dem in Milano ansässigen deutschen Büro des Beauftragten für Kautschukwaren-Erzeugnisse in Italien, K. Lützkendorf.

Ungeachtet dessen waren die Direktion wie auch die Mitarbeiter von Pirelli gegen die Zusammenarbeit mit den Deutschen. Es häuften sich die Sabotageakte und das Unternehmen unterstütze massiv den im Untergrund agierenden Widerstand.

Die erteilte Anordnung vom Generalbeauftragten für Italien, des Reichsministers für Rüstung und Kriegsproduktion, Arbeiter aus dem Stammwerk nach Deutschland zu schicken, kam das Unternehmen nicht nach, bis die deutsche Militärverwaltung ihre Forderung aufgab. Wohl situationsbedingt, da sie sich ab März 1943 mit den sich häufenden Streiks in Norditalien und damit auch im Betrieb konfrontiert sah.

In den folgenden Wochen nahmen die Streiks massiv zu und erlebten ihren Höhepunkt am 25. April 1943. Die Folge dessen war, dass die Arbeiter nun verstärkt mit Repressalien rechnen mussten.

Die verhaltene Arbeitsmoral bei Pirelli bliebt der deutschen Militärverwaltung nicht verborgen. Woraufhin das Unternehmen im Sommer 1944 ein Schreiben der örtlichen deutschen Militärverwaltung erhielt, in dem man bemängelte, dass es an gutem Arbeitswillen bei allen Verantwortlichen des Betriebes fehlen würde und infolgedessen eine niedrige Produktionsquote zu beklagen wäre.

Ein weiteres Schreiben, erhielt das Unternehmen am 7. Juli 1944, nach einer Besprechung zwischen dem in Mailand ansässigen Büro des Beauftragten für Kautschukwaren-Erzeugnisse in Italien und der Direktion. In diesem wurde die Lieferung der bestellten Dichtungen für Atemgeräte angemahnt. Das Schreiben endete mit den Worten: „…die deutschen Autoritäten sind besonders irritiert von Pirelli und ihrer Direktion, weil sie überzeugt sind, dass nichts unternommen wird, um die Situation zu verbessern.

Am 23. November 1944 gab es erneut einen Streik bei Pirelli. Der Grund hierfür war die am 10. August erfolgte Erschießung von 15 Antifaschisten auf dem Piazzale Loreto. Unter den Opfern befanden sich zwei Arbeiter von Pirelli.

Nach dem Streik wurden 183 Arbeiter beim Verlassen des Werkes festgenommen. Die Direktion und Alberto Pirelli versuchten mit allen Mitteln die Verhafteten freizubekommen. Die SS blieb hart und verweigerte die Freilassung, da der Großteil der bei den Streiks involvierten Arbeiter aus dem Pirelli-Werk kam.

Von den 183 Verhafteten hat man nur 27 aus gesundheitlichen Gründen wieder entlassen. Die restlichen 156 Arbeiter sollten zur Zwangsarbeit nach Deutschland geschickt werden.

Auf Grund dessen brachte man sie in das zentral gelegene und bekannteste Gefängnis der norditalienischen Stadt Mailand, ins „San-Vittore“, das bereits während der gesamten Besatzungszeit Italiens als Sammellager für Deportationen genutzt wurde. Von den hier Inhaftierten Pirelli-Arbeitern kamen 29 nach Kahla.

Im Zweiten Weltkriegs (1943-1945) stand das Gefängnis unter der Gerichtsbarkeit der deutschen SS. Speziell ein Teil des Gebäudekomplexes wurde nur von ihr verwaltet und genutzt.

In einem Dokument von 1944 steht dazu:

„... Im Gefängnis gibt es einen deutschen Flügel und ein 'germanisches' Gericht. Dieses richtet alle italienischen Bürger, die dort gefangen gehalten werden, je nach Fall nicht nach italienischem Recht, und wendet daher nicht die Strafen nach dem Gesetzbuch und Prozessordnung des italienischen Strafrechts oder Militärstrafrechts an. In der Regel werden Freiheitsstrafen auferlegt.

Die dort festgehaltenen Gefangenen werden, wenn sie unschuldig sind, direkt nach dem Urteil durch das 'germanische' Gericht zum Arbeitsdienst nach Deutschland geschickt, sofern sie dazu körperlich geeignet sind.

- Fortsetzung folgt -