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Kahlaer Nachrichten
Ausgabe 23/2023
Vereine und Verbände
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Der Förderverein „Mahn- und Gedenkstätte Walpersberg e.V.“, Sitz Kahla, informiert:

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L'histoire d’une français à Kahla - Die Geschichte eines Franzosen in Kahla

(Teil 2)

Nachdem Maurice am 18. August 1944 in Kahla ankam, erhielt er einen neuen Werksausweis. Ungewöhnlich ist, dass man darauf seine Gefolgschaftsnummer 66224 von Eschwege/WAGO übernommen hat.

Eingesetzt wurde er in Stelle 0, dem ersten produktiven Bereich unter Tage, in dem die Produktion von Klein- und Flugzeugteilen erfolgte.

So wie in Eschwege halfen ihn auch hier seine guten Sprachkenntnisse, wodurch er für seine Kameraden zusätzliche Lebensmittel organisieren konnte. Er war auch mit einem deutschen Arbeiter bekannt, von dem er manchmal extra Essenscheine erhielt oder er durchsuchte Mülleimer von deutschen Arbeitern, die in Urlaub waren. Denn oftmals fand er darin abgelaufene Essenscheine, auf denen er mit etwas Geschick die Nummern änderte, um sie noch für Mahlzeiten einzutauschen.

Die Franzosen stellten schnell fest, dass sie gegenüber Eschwege, hier mit einer schlechteren Lebens- und Arbeitssituation konfrontiert waren. So berichtet er: „Das Essen wurde in den Stollen verteilt. Wir standen in der Schlange und einige Russen füllten unsere Schüsseln. So essen wir an unseren Arbeitsplatz.“

Das Lager, indem Maurice untergebracht war, befand sich 5 bis 6 Kilometer vom Walpersberg entfernt, im Leubengrund. Er beschreibt die Baracken als rustikal, aus Holz, schlecht isoliert und ohne Heizung. In jedem Zimmer standen 30 Betten, alle 3-stöckig. Keine Schränke, nur eine Matratze mit einer viel zu kleinen Decke.

Wasser für die Reinigung der Zimmer und zum Kleider waschen lieferte der kleine Bach hinter den Baracken, der heute noch durch den Leubengrund fließt. Das kalte Wasser ließ die gewaschenen Sachen immer sehr langsam trocknen, da die Baracken unbeheizt waren und oft zogen sie diese an, wenn sie noch feucht waren.

Maurice war bereits seit seiner Abfahrt aus Dijon und nachfolgend in Eschwege stets mit seinem besten Freund zusammen, der wie er Maurice hieß. Während der ganzen Zeit ihres Zusammenseins teilten sie alles und halfen sich gegenseitig, um zu Überleben. Hilfe und Unterstützung erhielten sie auch von Menschen aus der Lagerumgebung. Ihnen halfen zwei Frauen, die ihnen zusätzlich etwas zur vorgeschriebenen Essenration gaben.

Zu Weihnachte schenkten ihnen die Frauen extra Essenmarken. Dies erfolgte wie alles unter größter Vorsicht, da der Werkschutz sehr genau darauf achtete, dass es zu keinem engeren Kontakt zwischen Deutschen und Zwangsarbeitern kam, außer bei der Arbeit.

Maurice schreibt in seinem Tagebuch, dass ihnen jeden Morgen, wenn er mit seiner Gruppe um 6 Uhr Richtung Walpersberg geht, eine Gruppe von zehn Männer begegnete, die müde und erschöpft von der Nachtschicht kamen. Nicht selten trugen sie einen kranken Kameraden mit sich. Es waren italienische Militärinternierte, die ebenfalls im Leubengrund ihr Lager hatten. Maurice versucht, ihnen mit etwas Essen zu helfen.

So vergehen neun Monate, geprägt vom Hunger.

April 1945, in den Lagern im Leubengrund hören die Zwangsarbeiter bereits die amerikanische Artillerie. Daraufhin beschließt Maurice zusammen mit seinem Freund aus dem Lager, Richtung amerikanische Truppen zu fliehen. In letzter Minute weigert sich jedoch sein Freund mitzukommen, aus Angst erschossen zu werden.

So flieht Maurice allein. Im Wald trifft er auf einen jungen Holländer und zusammen machen sie sich auf den Weg, den amerikanischen Truppen entgegen.

Auf ihren Weg gelangen sie zu einem Bahnhof und schaffen es, in einem Zug mitzufahren. Nach mehreren Tagen Bahnfahrt kommt Maurice in Thionville/Frankreich an. Hier wird er von einer speziell eingerichteten Dienststelle zur Erstaufnahme empfangen und man stellt ihn ein offizielles Dokument aus. Vor seiner Weiterreise wird er noch vom Roten Kreuz mit DDT-Puder desinfiziert.

Endlich in seiner Heimatstadt Dijon angekommen, muss er sich erneut zur Aufnahme und Registrierung melden. Man fragt ihn, wo er herkommt und ob er belegbare Unterlagen bei sich hat. Er hatte seinen „REIMAHG“ Werksausweis dabei. Das darauf vermerkte Lager war den Franzosen bereits bekannt.

Maurice befand sich vom 8. März 1943 bis Mitte April 1945 in Deutschland und er hat überlebt.

Auch viele Jahre später, erinnert er sich immer noch an die Stollen, in denen er heimlich die Essenmarken bekam, ebenso an die ausgehungerten Menschen im Leubengrund.

Maurice verstarb 2008 in Dijon.