Albert Meyer; ab 1905 langjähriger Stadtbaumeister
Kutschbachhütte
Dr. med. Robert Kutschbach (1854-1931)
Von Peer Kösling
Beim Ordnen und teilweisen Entsorgen meiner Unterlagen zur Stadtgeschichte fiel mir der folgende Bericht in die Hände. Im Umfeld des Tourismusstammtischs und im Vorfeld des Stadtjubiläums, das ja auch für die Erhöhung der touristischen Attraktivität unserer Stadt genutzt werden soll, ist ein Wiederabdruck dieses Textes vielleicht von Interesse. Er stammt aus den in Eisenach erscheinenden „Thüringer Heimatblättern“ vom 1. Oktober 1932 und berichtet von einer Sternwanderung ostthüringischer Zweigvereine des Thüringerwald-Vereins vom 4. September 1932, die der Kahlaer Zweigverein organisiert hatte. Im Anschluss daran mache ich noch einige Bemerkungen zu dem Kahlaer Verein. Der Artikel (leicht gekürzt) lautet:
An der Sternwanderung beteiligten sich nachstehende 17 Zweigvereine: Bad Sulza, Blankenhain, Eisenberg, Gera, Hummelshain, Jena, Kahla, Langenorla, Leipzig, Naumburg a. S., Neustadt a. Orla, Orlamünde, Pößneck, Saalfeld a. S., Stadtroda, Weimar und Weißenfels.
Die Leipziger trafen bereits am Sonnabend Nachmittag in Rothenstein ein und wurden vom Oberpostsekretär Lehmann (Kahla) bei herrlichem Wetter über den Trompeterfelsen - Altendorf nach Kahla geführt. Der Abend wurde mit Kahlaer Waldbrüdern im „Goldenen Stern“ in feuchtfröhlicher Stimmung verbracht. Die am Sonntag mit der Bahn eintreffenden Sternwanderer wurden am Bahnhof abgeholt und über den neu angelegten „Alpenstieg“ am Westabhang des „Dohlensteins“ zur „Kutschbachhütte“ geführt.
Zu diesen beiden Neuanlagen, geschaffen vom Vorstand des Verkehrsvereins, Herrn Stadtbaumeister Meyer, kann man Kahla entschieden beglückwünschen!
Nach kurzer Rast gings hinauf zur Leuchtenburg, wo sich gegen ½ 11 Uhr die letzten Gruppen einfanden. Der Vorsitzende des Zweigvereins Kahla, Oberpostmeister Kretzschmann, begrüßte die Teilnehmer mit herzlichen Worten und gab seiner Freude darüber Ausdruck, daß sich trotz Notzeit soviel Waldschwestern und Waldbrüder eingefunden hätten. Im Burghof wurde eine Gruppenaufnahme gemacht, die sehr gut gelungen ist. […] ½ 1 Uhr erfolgte der Abmarsch nach Kahla-Loebschütz, um im „Thüringer Hof“ gemeinsam das Mittagessen einzunehmen. Inzwischen waren die letzten Wandergruppen eingetroffen, so daß etwa 230 Teilnehmer gezählt werden konnten.
Oberpostmeister Kretzschmann-Kahla begrüßte nochmals die Erschienenen, insbesondere den Vertreter des Hauptvorstandes, Forstmeister Kallenbach aus Eisenach und den Fürsteher der Berg-, Burg- und Waldgemeinden, Herrn Justizrat Dr. Böckel-Jena. Forstmeister Kallenbach überbrachte in kernigen Worten die Grüße des Hauptvorstandes, sprach seine Freude über die lebhafte Beteiligung aus und bat, die Vereinsarbeit trotz Notzeit nicht ruhen zu lassen zum Wohle unserer schönen Thüringer Heimat. Ein von Dr. Wilh. Greiner eingegangener poetischer Gruß wurde mit großem Beifall aufgenommen, ebenso das von Stadtbaumeister Meyer-Kahla verfaßte Tafellied. […] Bei prächtigem Wetter besichtigte man anschließend die Stadt, um auf dem „Birkenhain“ gemeinsam Kaffee zu trinken. Der Abschiedsschoppen wurde auf der Terrasse des „Goldenen Stern“ eingenommen, die einen herrlichen Ausblick auf die von der Abendsonne beschienene Leuchtenburg bot. Vorzügliche Rostbratwürste und das köstliche „Falkensteiner Bier“ - um 9 Uhr war kein Tropfen mehr zu haben - riefen eine glänzende Stimmung hervor, zu schnell mahnte die Zeit zur Heimfahrt. Frisch auf! -
Soweit der Artikel von 1932.
Zunächst muss mit einiger Wehmut festgestellt werden, dass die erwähnten drei Gaststätten heute nicht mehr für ein geselliges Beisammensein mit Speis und Trank zur Verfügung stehen. Lediglich der Thüringer Hof ist zumindest als Übernachtungsstätte erhalten geblieben. Und von der Kutschbachhütte zeugen nur noch klägliche Reste ihrer Grundmauern.
Nun zu den eingangs angekündigten Bemerkungen zum die Sternfahrt organisierenden Kahlaer Verein. Ein erster „Verschönerungsverein“ wurde im Oktober 1878 vom Landrichter Hermann Julius Beyerlein gegründet, der dem hiesigen Amtsgericht vorstand. Wahrscheinlich mit dessen Ausscheiden aus dem Amt Ende 1895 ist dieser erste Versuch wohl wieder eingeschlafen. Denn im „Kahlaer Tageblatt“ vom 11. Dezember 1901 ist ausdrücklich von einer Neugründung des Vereins die Rede, dessen erste Generalversammlung am 9. Dezember 1901 stattfand. Zu diesem Zeitpunkt zählte der Verein 65 Mitglieder, die einen Jahresbeitrag von 2 Mark zu entrichten hatten. Die Stadt unterstützte den Verein mit jährlich 50 Mark und die Porzellanfabrik beteiligte sich mit gelegentlichen Spenden. Ende 1905 konnte der Verein bereits zwei umfangreiche Vorhaben als abgeschlossen vermelden. Zum einen die Herrichtung des Oberparnitzweges bis zu seiner Einmündung in den Heerweg; zum anderen die Anlage des Zickzackweges von der Suppiche zum Dohlenstein, wodurch der ältere, aber verfallene Randweg ersetzt wurde. Die Schaffung des Oberparnitzweges war die Voraussetzung dafür, dass die Stadt dieses Gelände anlässlich des 80. Geburtstags von Herzog Ernst I. im Jahre 1906 in einen „öffentlichen Waldpark“, den Herzog-Ernst-Hain, weiter aufwerten konnte. (Siehe dazu „Kahlaer Beteiligungen an Erinnerungsstätten für Herzog Ernst I.“ in meinem Buch „Kahla im Kaiserreich“ von 2022, S. 305-313.) In dem Zusammenhang beschwerte sich der Verein allerdings darüber, dass er in diese Umgestaltung nicht einbezogen worden war.
1910 vermeldete der Verschönerungsverein weitere Ergebnisse seiner Tätigkeit. Er hatte von der Stadt die sog. Griesspitze nördlich der Saalebrücke gepachtet. Das war Grundlage für die parkähnliche Umgestaltung dieses Terrains durch den Verein. Den Pachtzins erwirtschaftete man durch den Verkauf von Heu und Grummet (2. oder 3. Grasschnitt), das bei diesem Gelände anfiel. Außerdem wurde ein Weg vom westlichen Ende des Birkenhains zur Bibraer Landstraße angelegt, wodurch ein Rundgang um den Birkenhain möglich wurde. Eine ständige Aufgabe des Vereins war die Aufstellung von Bänken und die Instandhaltung und Erweiterung des Wegweisersystems. Hierzu beklagte er Jahr für Jahr mutwillige Zerstörungen.
1911 trat der Verschönerungsverein mit seinen mittlerweile ca. 100 Mitgliedern als Zweigverein dem Thüringerwald-Verein bei, dem zu diesem Zeitpunkt 88 Zweigvereine angehörten. Kurz vor dem I. Weltkrieg hatte sich die Mitgliederzahl in Kahla auf 132 erhöht.
Im Dezember 1930 entstand unter der Leitung von Stadtbaumeister Albert Meyer ein städtischer Verkehrsverein. Das 1921 auf Initiative von Rudolf Presuhn gegründete und aus seiner Person bestehende Stadtverkehrsamt in seinem Hause war seit Presuhns vorübergehender Rückkehr nach Bremen Anfang 1928 nicht mehr existent. Mit dem neuen Verkehrsverein verbanden die Verantwortlichen in der Stadt die Hoffnung, die darniederliegende Industrie durch eine Ankurbelung des Fremdenverkehrs zu kompensieren. Das empfand der örtliche Thüringerwald-Verein anfangs wohl als ein Affront, so dass auf der konstituierenden Sitzung des Verkehrsvereins die daran teilnehmenden Vertreter des Thüringerwald-Vereins (Oberpostmeister Kretzschmann, Oberpostsekretär Kaiser, Eisenhändler Müller) die Anwesenden aufforderten, ihrem Verein beizutreten. Damit hatten sie jedoch angesichts der städtischen Prominenz, die sich in dem neuen Verein versammelte, keinen Erfolg.
Zu den ersten Aktivitäten des Verkehrsvereins gehörte die Errichtung der Kutschbachhütte, die nur wenige Tage vor der Sternwanderung fertiggestellt worden war. Sie war dem am 16. Dezember 1931 verstorbenen Arzt und Ehrenbürger (1931) unserer Stadt Dr. Robert Kutschbach gewidmet.
Für den Fall, dass jemand die bereits erwähnten kläglichen Überreste einmal aufsuchen möchte, sei der Ort nach dem “Kahlaer Tageblatt“ vom 3. September 1932 etwas näher als im obigen Bericht bestimmt: Beim Dreiflurenstein, wo sich Alpenstieg mit dem von der Suppiche heraufkommenden Weg kreuzt. Damals hatte man von der Hütte aus noch einen viel gelobten freien Blick auf die Stadt. Das Projekt der Kutschbachhütte trug möglicherweise dazu bei, dass beide Vereine kurz darauf zur Zusammenarbeit fanden. Die Mitgliederzahl des örtlichen Thüringerwald-Vereins war allerdings auf 80 geschrumpft.
Damit versiegen meine eher zufälligen Quellen zu frühen Bemühungen in der Stadt, Kahla sowohl für Einheimische als auch Besucher attraktiver zu machen.
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Ich nutze die Gelegenheit dieses Beitrags für den Hinweis, dass im Hinblick auf das Stadtjubiläum und mit finanzieller Unterstützung der Stadt eine 2. überarbeitete und erweiterte Auflage meines Buches von 2014 „Kahla - Ein Spaziergang durch seine Geschichte“ erscheinen wird. Das damals schnell vergriffene und seither oft vergebens nachgefragte Buch steht dann also wieder zur Verfügung.