Straflager 0, oberhalb der Dehnamühle
Zettel eines belgischen Zwangsarbeiters aus Lager 0, den er heimlich einen Kameraden aus Lager E zusteckte. Er beschreibt den Hunger und die Stimmung im Lager 0.
Lager 0 heute - nichts erinnert mehr daran
Einer der Luftschutzstollen im alten Brauhaus, heute von der Gemeinde als Lagerraum genutzt
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Das ist der 100. Artikel zur REIMAHG-Geschichte, wir bedanken uns an dieser Stelle bei allen Lesern für die stets positive Resonanz und vielen Fragen.
Die vielen bekannten Lager, die zum Walpersberg gehören, erstreckten sich bis nach Kleindembach, im Saale-Orla-Kreis. Es gibt jedoch ein Lager, über das kaum etwas bekannt ist und nur wenig Informationen existieren - Lager 0. Die meisten Informationen enthalten Zeitzeugenberichte, Gerichtsdokumente und Archivunterlagen.
Das Lager entstand im August 1944 und war ein reines Straflager, geleitete von einem der SS angehörigen Holländer. Obwohl hier die Bezeichnung „Lager“ nicht zutrifft. Es handelte sich lediglich um ein größeres Zelt, dass kreisförmig von Stacheldraht umgeben war.
Es befand sich rechts, oberhalb der Dehnamühle, in einer Senke am Walpersberg. Das Lager unterstand ausschließlich der SS, die sich aus verschiedenen Nationalitäten zusammensetzte, vor allem Belgier. Sie waren außerhalb der Umzäunung in einer kleineren Baracke untergebracht, zu der ein Hundezwinger gehörte. Ihre Verpflegung erhielten sie aus der Küche des Gasthofes Dehnatal.
Einheitlich sind Aussagen und Dokumente die belegen, dass die Zustände im Straflager für alle hart vor allem entbehrungsreich waren und jeder Tag ein neuer Überlebenskampf bedeutete. Von den völlig unzureichenden hygienischen Lebensumständen abgesehen, für die Notdurft nur ein Loch im Boden mit einem Balken zum Sitzen und täglich kaltes Wasser zum Waschen, wenn überhaupt, gab es keine medizinische Versorgung und geschlafen wurde auf dem nackten, kalten Erdboden mit nur 1 Decke. Das im kalten Winter 1944/45 mit meist über -20° fast einem Todesurteil gleichkam. Als sichtbares Zeichen der Straflagerzugehörigkeit, wurde jeden bei seiner Ankunft das Kopfhaar geschoren.
Die aus der Großküche in Kahla angelieferte tägliche Verpflegung war, gegenüber den normalen Lagerportionen, rationiert. Das bedeutete, nur ¼ der Brotration und nur Wasser als Getränk. Dazu kam, dass man immer wieder der Willkür der SS-Mannschaft ausgeliefert war. Zu deren Repressalien gehörten Prügel und noch weniger oder gar keine Verpflegung. Vor kurzem fanden wir in Dokumenten den Beleg für die Existenz einer speziellen „Arbeitskolonne 0“, die für besonders schwere Arbeiten, vor allem im Steinbruch, eingesetzt wurde. Ihr Arbeitstag begann früh 5.00 Uhr und endete abends 21.00 Uhr.
Zeitzeugen berichteten, das am 24.Januar 1945 der Italiener, Germano Fiorino, von der SS so schwer mit Gewehrkolben verletzte wurde, dass er am nächsten Tag in seinem Stammlager verstarb.
Eine Einweisung ins Lager erfolgte durch den Werkschutz bzw. die Lagerleitung. Die Gründe hierfür waren vielseitig, dazu zählte u.a. Arbeitsverweigerung, wofür man 30 Tage ins Straflager kam, Sabotage bedeutete Monate im Straflager, nicht erscheinen am Arbeitsplatz, Beschwerden über zu geringe Verpflegung, Diebstahl von Privateigentum, Lebensmitteln oder Feldfrüchten wurde mit 10 Tagen Straflager bestraft, Prügelei und Fluchtversuch bedeutete 1 Monat Straflager. Wieviel Personen genau hierher überstellt wurden ist nicht belegt, zumal sich die Belegungsstärke ständig änderte. Schätzungen von Zeitzeugen erwähnen im Durchschnitt etwa 30 Personen, Männer, keine Frauen.
Die abseitsgelegene Lage und die dort dahinvegetierenden Insassen blieben den meisten verborgen. Nur die Zwangsarbeiter von Lager E bei Eichenberg mussten jeden Tag auf ihren Weg zur Arbeit am Lager vorbei und wussten was hier vor sich ging.
Schlimm wurde es, als sich ab Dezember 1944 die allgemeinen Verpflegungsrationen der Zwangsarbeiter auf 2x pro Tag kürzten und ab Januar 1945 nochmals um die Hälfte, der ständige Hunger war allgegenwärtig. Die Auswirkungen auf Lager 0 waren so verheerend, dass die Überlebensrate rapide sank. Dies resultierte vor allem aus den Bestrebungen der SS die Arbeitskolonne mit noch mehr harter Arbeit und Schlägen zu mehr Arbeitsleistung anzutreiben. Sie schreckten nicht davor zurück, dafür ihre Hunde einzusetzen, die die Zwangsarbeiter bissen. Bei all ihren Repressalien war die SS jedoch stets bestrebt, dass kein Zwangsarbeiter im Lager 0 verstarb. War ein Insasse körperlich kaum noch einsetzbar, schickte man ihn in sein Lager zurück. Hier verstarben sie meist kurz nach ihrer Ankunft. Damit hatte sich für die SS die Arbeit für Erklärungen, Berichte und ausfüllen von Unterlagen erledigt. Einige der Überlebten berichteten nach dem Krieg vor Gericht über ihr Schicksal und das ihrer Kameraden. In diesen Dokumenten finden sich immer wieder viele detaillierte Hinweise.
Anfang 1945 wurde das Zeltlager aufgelöst und in den sogenannten Strafbunker 0 verlegt. Bis vor kurzem wurde die Meinung vertreten, dass sich der Bunker in einem Stollen im Walpersberg befand, Belege dafür gab es nicht. Unabhängige Zeitzeugenberichte belegen nunmehr, dass einer der von Zwangsarbeitern gebauten Luftschutzstollen im ehemaligen Brauhaus, Großeutersdorf, als Strafbunker 0 genutzt wurde. Die Einwohner waren damit nicht konfrontiert, hatten davon keine Kenntnis, da sich bei Luftalarm die Zwangsarbeiter außerhalb der Luftschutzstollen aufhalten mussten, wie auch alle anderen Zwangsarbeiter.