Mancher schriftlicher Beleg aus längst vergangener Zeit wird in Archiven aufbewahrt. Beim Besuch jener Einrichtungen habe ich in zahlreichen alten Schriften gelesen, ebenso interessante Texte abgeschrieben.
Hier sei ein Beispiel eines Schreibens des Fürsten zu Schwarzburg-Sondershausen an die damaligen Schulzen. Das lautete wie folgt:
Die Ehe ist die Wurzel des häuslichen und sittlichen Familienlebens. Es ist daher sehr zu beklagen, wenn Personen verschiedenen Geschlechts in Coucunierte zusammen wohnen ohne ihre Verbindung durch den Segen der Kirche heiligen lassen, noch ahndungweise erscheinen sie, wenn sie beide, oder zum Theile verheiratet sind und getrennt von ihren rechtmäßigen Gatten durch obigen fortgesetzten offenen Ehebruch begehen. Desgleichen, wilde Ehen untergraben die Realität, gereichen den Guten zum Ärgernis und sind nicht selten der Ruin des Wohlstandes, aber auch für die Kinder, welche aus solchen Verbindungen entspringen, wird zur Gleichgültigkeit gegen Recht und Sitte verlockendes Beispiel aufgestellt und die Gemeinden empfinden gewöhnlich früher oder später die drückende Last der Früchte des Lasters.
Ich verordne daher, von Amtswegen stets darüber zu wachen, daß keine solchen wilden Ehen, Coucubinierte, ferner geduldet, wenn bestehende aber sofort aufgelöst werden, insofern es nicht möglich sein sollte, daß die Betheiligten unter sich eine Ehe schließen. Eben so wenig ist es aber auch zuzugeben, daß Verlobte vor ihrer Verheiratung zusammenziehen, und gleich als Mann und Frau miteinander leben.
Ich erwarte, daß sie dieses mein Resrigt mittels Umlauf bekannt machen und vollziehen werden.
Sondershausen am 15. Decbr.1835
Fürst Günther Friedrich Carl
Eine weitere Anordnung des damaligen Fürsten lautete:
Um in Bezug auf den Gebrauch oder Nichtgebrauch der einzelnen Ständen reservierten Prädikate „Herr“ und „Fräulein“ bei den kirchlichen Aufgeboten Übereinstimmung und eine der Handhabung und dem Orte derselben entsprechenden Einfachheit herzustellen, bestimme Ich, daß künftig diese Prädikate bei den kirchlichen Aufgeboten überall in Wegfall kommen sollen. Den Bräuten ist das Ehrenprädikat „Jungfrau“ zu geben, sofern ihr dasselbe gebühret.
Ich beantrage das Fürstliche Consistorium, den Geistlichen meine Anordnung bekannt zu machen und für Ausführung zu sorgen.
Sondershausen, den 25. September 1869
Fürst Günther Friedrich Carl
Diese beiden Schriften zeigen, wie damals die fürstliche Obrigkeit feste Familienverhältnisse von ihren Untertanen forderte.
K. Wagner