Titel Logo
Amts- und Nachrichtenblatt der Verwaltungsgemeinschaft "Riechheimer Berg"
Ausgabe 6/2023
Nichtamtlicher Teil
Zurück zur vorigen Seite
Zurück zur ersten Seite der aktuellen Ausgabe

Wer kennt noch die Flurnamen?

Flurnamen dienten der Lagebezeichnung der Felder und sind bereits vor vielen Jahrhunderten als Anhaltspunkte der Orientierung in der Flur entstanden. Einige Namen lassen sich heute noch von uns deuten, andere sind in ihrer Bezeichnung jetzt nicht mehr erklärbar. Oft sind sie Zeitzeugen aus der Vergangenheit.

Als Beispiel nur zu nennen: die „Laite“ und der „Laitrand“ in der Alkerslebener Flur. Das ist eine germanische Bezeichnung für einen kurzen steilen Abhang. Weit über 1500 Jahre hat sich die Nennung der steilen Uferabschnitte an der Wipfra in unserem Dorfe erhalten. „In Kattstedt“ erinnert uns noch an ein kleines Dorf, das bereits im frühen Mittelalter aufgegeben wurde und der „Galgenhügel“, auch „Am Gerichte“ bezeichnet, erinnerte an die Gerichtsbarkeit im Mittelalter. Die archäologischen Grabungen 1971 und 1993 auf jenen Fleck in der Flur von Alkersleben, bestätigten mit über 81 freigelegten Skeletten von Gerichteten aus der Zeit vor dem 14. Jahrhundert das einstige „peinliche Halsgericht“. ( so in alten Schriften genannt) Erst ab den 1870er Jahren erfolgte die Nutzung der Stelle als Ackerland. Die Gemeinde Alkersleben ist der Eigentümer jenes Flurstückes, welches in alten Flurbüchern als „ein mit Gras bewachsener Hügel“ nachgewiesen wird. Es prägte sich der Begriff „Bockacker“. Die Gemeinde stellte jene Fläche dem Ziegenbockhalter für den Futteranbau bereit. Jener Mann, so wie zu erfahren, hatte in der Regel auch die Aufgabe als Leichenbestatter im Dorfe. Also hatte er kein Problem mit evtl. sterblichen Überresten bei Bearbeitung des Ackers.

Die Flurbezeichnungen sind nicht klar abgegrenzt, fließen meist ineinander, übergreifen selten die Gemarkungsgrenzen. Jedes Dorf hat seine eigenen Flurnamen. In einem Fall ist der Name „Im Hessenbach“ in den Fluren Alkersleben und Bösleben gleich. Diesem Gewässer fließen ein Böslebener und ein Alkerslebener „Steinbach“ zu. Man nennt die dem jeweiligen Bach angrenzenden Flächen „Im Steinbach“.

Die enorme Veränderung der Landwirtschaft mit dem daher notwendigen großen Feldeinheiten hat die Flurnamen von einst in den Hintergrund gestellt. Sicher dienen einige noch als Feldbezeichnung bei Spaziergang, die meisten jedoch geraten in jetziger Epoche in Vergessenheit. Auf dem Alkerslebener Felde kann man über 50 solcher Namen zählen. Als Beispiel einige genannt: Im Eßbache, Auf dem Sande, die Suhle, die Kirchheimer Höhe, Im Geschling, Im Vößenborne, Im Molstale, Im See, Auf dem Melm, In der Feldwiese, Am Sinkloche. Letzteres war vor Jahrhunderten als Erdfall entstanden.

Im Geschichtsbuch von 1856 war zu lesen:

„Erwähnenswert dürfte hier noch ein Erdfall, das so genannte Sinkloch, sein, der sich etwa eine ¼ Stunde von Alkersleben auf dem Wege nach Witzleben auf einem Acker befindet; er ist kesselförmig, hat gegen 30 F im Durchmesser und ist 24 F tief.“

(Umrechnung Fuß mit 30 cm: das sind etwa 9 Meter Durchmesser und 7 Meter Tiefe)

Eine alte Sage soll lauten: Dort ist ein Reiter mit seinem Pferde versunken. Im Flurbuch vom Jahre 1652 wurde „Beym Sinkloch“ schon genannt. An dieser Stelle führte früher der Weg von Alkersleben über Gommerstedt (wüst im 14. JH.) nach Witzleben vorbei. In den 1970er Jahren ist jenes tiefe Loch mitten im Felde, welches oftmals mit Wasser gefüllt war, mit Erde verfüllt worden.

Ein Dränagerohr wegen Vermeidung von Staunässe (frühere Feldbezeichnungen der Gegend: im See, beim Teiche) wurde bereits 1971 Richtung des Molstales verlegt und ein alter tiefer offener Graben eingeebnet.

Für die Vorfahren war der Wohnort gleichfalls der Arbeitsort. Landwirtschaft und Leineweberei, vielleicht ein paar Handwerksberufe, dann aber immer gekoppelt mit der Selbstversorgung mit Lebensmitteln, bildeten die Lebensgrundlage. Die Flurnamen wurden doch fast täglich im Arbeitsleben der Bauernfamilien gesprochen. Das konnte an einem Tag im Juni bei der täglichen Arbeitsplanung einer Familie so lauten: „Morgen früh machen wir die Wiese Im Bösleber Gehöge runter (mähen), anschließend hacken wir die Rüben Im Geschling.“

K. Wagner

Aus dem Geschichtsbuch 1856: Das Sinkloch

Eine alte Sage:

Ein Reiter ist dort in dem Loch mit seinem Pferd versunken.

„Beym Sinkloch“ lautet ein Flurname bereits im Flurbuch von 1652. Wann sich der Erdfall ereignet hat, ist nicht mehr bekannt. In der Böslebener Flur soll sich auch so ein Loch aufgetan haben, wurde auch bereits verfüllt.

Der direkte Weg nach Gommerstedt und Witzleben führte früher, bis 1875 (Separationsjahre) unmittelbar daran vorbei. Das Loch wurde in den 1970er Jahren mit Erde verfüllt.

Unseren nachfolgenden Generationen ginge dieser Teil der Heimatgeschichte verloren, wenn nicht mindestens die einstigen Namen in der Flur unseres Dorfes für die Nachwelt aufschreiben.

Man kam selten über die Dorfgrenzen hinaus, die Kommunikation der Leute untereinander, sie war vielleicht immer in der Alkerslebener Mundart.

Ja, so war es; von Ort zu Ort gab es jedoch typische Unterschiede und Besonderheiten in der Aussprache. Also wurden auch die Feldbezeichnungen alkerschlebersch gesprochen, die den Älteren unter uns auch heute noch geläufig sind.

Wie sind die einstigen Bezeichnungen für die Felder der rund 50 Bauernfamilien unseres Ortes zu finden? Die eigene Kenntnis, erworben bei landwirtschaftlicher Tätigkeit, war ein guter Ausgangspunkt. Außerdem die Flurkarten des Katasteramtes mit ihren Eintragungen und vor allen die Flurbücher aus vergangenen Jahrhunderten über Besitznachweis und Zinserhebung geben Aufschluß und Letztere lassen oft erahnen, wie alt so mancher Name der Felder ist.