Viele Kunden bedankten sich beim Team des Faulunger Dorfladens.
Auch äußerlich wurde das traditionsreiche Geschäft zu einem Blickfang in Faulungen.
Von Reiner Schmalzl
Faulungen. „Ein kleiner Laden mitten im Ort, wo man geht stets mit einem Lächeln fort. Ob Brot, ob Milch, ob Käseck - bei euch war immer alles perfekt!“ - so lautet einer der Lied-Verse, mit dem sich die „Fielinger Muskriken“ und die Angerfrauen bei Bernward und Rita Müller, ihrer Tochter Alexandra Völker und dem Team des Dorfladens in Faulungen bedankten. Denn nach 126 Jahren schloss eines der ältesten privat geführten Lebensmittelgeschäfte Thüringens Ende September endgültig seine Pforten.
Vor allem die Stammkunden waren ziemlich ergriffen und bedauerten, dass es die beliebte Einkaufsmöglichkeit vor der Haustür nun nicht mehr gibt. Selbst die 96-jährige Maria Müller als älteste Kundin ließ es sich nicht nehmen, persönlich Danke zu sagen. „Bin bei Bolz einkaufen“, meinten so manche Leute zu ihren Lieben, ehe sie das Haus verlassen hatten. Damit ist der Dorfladen gemeint gewesen, wo einst eine Familie Bolze wohnte.
Obwohl es das „Bolz Hüs“ schon seit 1899 nicht mehr gibt, ist der Name geblieben und zum Inbegriff für Handel und Wandel in Faulungen geworden. Damals hatte Carl Müller das alte Haus abgerissen und an dessen Stelle ein Geschäftshaus errichtet. Neben ein paar Emaille-Werbeschildern an der Fassade mit Metallschiefer lud ein kleines Schaufenster mit einigen exklusiven Geschenkartikeln zum Einkauf in der „Materialwaren- und Flaschenbier-Handlung von Carl Müller“ ein.
Wie der von seinem Großvater gegründete Laden die Kaiserzeit, zwei Weltkriege und mehrere Inflationen überdauern konnte, ist für den 82-jährigen Bernward Müller noch immer schleierhaft und ein kleines Wunder gewesen. Und dies setzte sich fort, als sein im Jahr 1947 aus der Kriegsgefangenschaft heimgekehrter Vater Leonhard mit dessen Frau Anna das Geschäft übernahm. Ihnen wurde es alles anderes als leicht gemacht, als 1958/59 der genossenschaftliche Handel mit dem Konsum und die staatliche Handelsorganisation (HO) ihre Felder absteckten. Obwohl die Müllers als private Einzelhändler einen Kommissionshandelsvertrag mit der HO Mühlhausen geschlossen hatten, seien andere Geschäfte bevorzugt beliefert worden.
Während sich die politischen Umstände mit dem Mauerbau und weiteren Zwangsaussiedlungen verschärften, wirbelte der Einzelhändler Leonard Müller unaufhörlich für eine bestmögliche Versorgung der Faulunger Einwohner mit Lebensmitteln und wichtigen Dingen des täglichen Bedarfs. So hat er 1961 sein Geschäft umgebaut, die Verkaufsfläche auf 40 Quadratmeter erweitert und als erster privater Einzelhändler im damaligen Bezirk Erfurt auf Selbstbedienung umgestellt. An diese Sternstunde erinnert sich Bernward Müller besonders gern, ehe er 1966 den Staffelstab von seinem Vater übernahm, das Geschäft nach der Wende um einen Getränkemarkt ergänzte und 1990 Partner der Handelskette Edeka wurde. 1999 wurde der Verkaufsraum nochmals erweitert, auch ein Getränkemarkt kam hinzu.
Dass Tochter Alexandra Völker das traditionsreiche Geschäft seit 2009 in vierter Generation weiterführt, erfüllte Bernward Müller und seine Frau Rita natürlich mit Stolz. „Ohne die Eltern ging‘s nicht“, meint die Chefin, die schon als kleines Kind im Laden mitgeholfen und bei Lieferungen ausgepackt hat. Mit dem 1992 in Großbartloff übernommenen Geschäft trug Alexandra Völker die Verantwortung über zwei Geschäfte im Südeichsfeld. Nur in diesem Verbund konnte der Fortbestand des Ladens in Faulugen gewährleistet werden, ergänzt Bernward Müller, der in nahezu sieben Jahrzehnten alle Höhen und Tiefen im Handel durchgemacht hatte
Das Klischee „Tante-Emma-Laden“ traf für die beiden Geschäfte in Faulungen und Großbartloff mit jeweils weit über 2000 verschiedenen Artikeln und anderen Serviceleistungen nicht unbedingt zu. Vor allem etablierten sie sich zu wichtigen Orten der Kommunikation und der dörflichen Gemeinschaft. In Faulungen fehlt nun ein beliebter Treff im Einkaufsmarkt oder Getränkemarkt.