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Amtsblatt der Gemeinde Südeichsfeld
Ausgabe 7/2024
Aus den Ortschaften
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Verschiedenes

Unter diesem Kreuz stand am Himmelfahrtsmorgen der verschwundene Hase vom Heyeröder Osterbrunnen.

Kinder dürfen sich auf ihren Liebling vom Heyeröder Osterbrunnen freuen

Heyerode. Die Spatzen und Amseln haben es längst von den Dächern in gepfiffen, dass ich zurückgekehrt bin. Und mit Marius Müller-Westernhagen sing‘ ich immer wieder fröhlich vor mich hin: „Ich bin wieder hier in meinem Revier...“

Ja, ich war nie wirklich weg, man hat mich nur versteckt. Wo? Das wird wohl für immer ein Geheimnis bleiben. Aber ich konnte mich schon nach einiger Zeit aus einer dunklen Höhle befreien. Das muss so Anfang April gewesen sein, nachdem man mich in der Nacht zum 20. März vom Osterbrunnen in Heyerode entführt hatte.

Einige Nächte im Wald waren bitterkalt. Dann musste ich draußen mutterseelenallein meinen 6. Geburtstag verbringen. Aber die vielen Märzenbecher und Himmelschlüsselchen haben mir so herzerfrischend gratuliert. Jeden Tag kamen neue Blüten hinzu. So einen wunderschönen Blumenladen habe ich noch nie gesehen. Dann hat mir ein Rehkitz geflüstert, dass die Schlüsselblume mitunter heilsam wirken könne. Ein Aufguss der Blüten als Tee soll nämlich bei Schlaflosigkeit, Angst und Aufregung helfen. Den Tee hätte ich gut gebrauchen können. Wo aber sollte ich das heiße Wasser dafür hernehmen? Etwa vom glühenden Vollmond, dem ich in der Zeit zweimal in voller Pracht begegnet war?

Als mein Magen einmal so laut geknurrt hatte, wollte mir ein Waldkautz etwas Hasenbrot anbieten. Der Witzbold wusste wohl, dass man seine bei der Arbeit oder in der Schule nicht geschafften Pausenbrote dann mit nach Hause zum Abendbrot nimmt. Eine gute Sitte aus früheren Zeiten, als die Lebensmittel noch viel mehr geschätzt wurden. Der Begriff Hasenbrot hat tatsächlich etwas mit Hasen zu tun, klärte ich den Kautz auf. Früher sammelten die Menschen Brotreste für ihre Kaninchen. Die Brotkanten wurden hart und dann an die Nager verfüttert. Es war vor allem im Winter ideales Hasenfutter, also Hasenbrot.

Einmal hatte sich eine diebische Elster auf meinen braunen Korb gesetzt. Sie musste es auf die bunten Eier darin abgesehen haben. Als sie aber merkte, dass die Eier nur aus Plaste und noch dazu viel zu groß waren, flog sie schnell wieder davon. Ein Buntspecht und zwei Turteltauben auf den Bäumen haben schmunzeln müssen. So konnten ich und meine tierischen Freunde während des unfreiwilligen Ausfluges im Frühling in Feld und Flur viel voneinander lernen.

Dann kam endlich die Erlösung. In der Nacht zu Christi Himmelfahrt hat mich jemand an den Schlappohren gepackt und ich fand mich nach genau 50 Tagen in Heyerode wieder. Zu Glück hatte man mir nichts zu Leide getan und ich will dem reuigen Dieb am Ende verzeihen. Hannes, Klara, Keno und die vielen anderen Kinder dürfen sich im nächsten Jahr also wieder auf mich freuen. Auch wenn Ostern dann drei Wochen später als in diesem Jahr ist, heißt es: „Ich bin wieder hier in meinem Revier …“

(Aufgeschrieben von Reiner Schmalzl)