Titel Logo
Amtsblatt der Gemeinde Südeichsfeld
Ausgabe 9/2023
Aus den Ortschaften
Zurück zur vorigen Seite
Zurück zur ersten Seite der aktuellen Ausgabe

Geheimnisse aus der Turmkugel gelüftet

Von der Kirchturmspitze aus bietet sich dieser wunderbare Blick auf das Viadukt.

Der eingerüstete Turm von St. Marien in Lengenfeld/Stein.

Doris Witzel vom Kirchortrat, Diakon Martin Hohmann, Fabian Hanske vom Kirchenvorstand und Ortschaftsbürgermeister Karl-Josef Hardegen (von links) mit dem herabgefallenen Wetterhahn sowie dem abgenommenen Kreuz und der Turmkugel.

Drei Südeichsfelder Firmen sanieren Kirchturm von St. Marien in Lengenfeld unterm Stein

Von Reiner Schmalzl

Lengenfeld/Stein. Die Turmspitze von St. Marien hat momentan dem Viadukt den Rang abgelaufen, was einen Standort für den wohl spektakulärsten Rundblick über Lengenfeld/Stein angeht. Doch nicht etwa die Aussicht über das Friedatal zum Hülfensberg und zur Faulunger Schranne war verlockend, sondern die zu öffnende Kapsel in der abmontierten Turmkugel aus 38 Metern Höhe. So wuchs die Spannung unter einer Runde Schaulustiger und Gäste, als der einheimische Dachdeckermeister Christoph Riese und Zimmermeister Tobias Ständer aus Geismar den etwas verwitterten Turmknopf nach 33 Jahren erstmals wieder zu Boden geholt hatten.

Am 14. September 1990 waren laut dem damaligen Ortschronisten Walter Fuchs zur Renovierung der Kirchturmspitze der Wetterhahn, das Turmkreuz, die Windrose und der Turmknauf von der Firma Geba Mühlhausen recht mühe- und gefahrvoll letztmals abmontiert worden. Mit neuem Turmkreuz und Wetterhahn hatten sich dann am 9. November 1990 die Spezialisten wie Bergsteiger an die Spitze von St. Marien hochgeseilt.

Neben der vom früheren Pfarrer Nicolaus Großheim am 11. September 1884 unterzeichneten originale Urkunde zum Abschluss des Kirchenneubaus zwischen 1882 und 1884, befanden sich Zeitungen von 1990 sowie damals gerade abgelaufene DDR-Münzen, eine bundesdeutsche Mark sowie ein Heiligen-Medaillon in der Kapsel. Nachdenklich wirkten beim kurzen Blick auf die Titelseite der „Eichsfelder Volksblätter“ vom 11. September 1884 die dort veröffentlichten „Weckrufe an das Herz der katholischen Kirche“ anlässlich des Festes Mariä Geburt. Schließlich kam in der Zeitkapsel noch eine Tüte mit verschiedenen Getreidesamen zum Vorschein. So schmückt der Turmknopf als sicherer Ort also nicht nur die Kirchturmspitze, sondern birgt auch Schätze und seltene Dokumente.

Bei den nun begonnenen Arbeiten am Kirchturm würde laut dem Lengenfelder Steinmetzmeister Thomas Weiland das Hauptaugenmerk zunächst auf der Sanierung des Natursteins liegen. Teile des Mauerwerks stammen bekanntlich noch von der Errichtung des Turms aus den Jahr 1661. Parallel dazu werden der Dachstuhl und die Schiefereindeckung erneuert. „Schon die Höhe des Turmes ist etwas Besonderes im Eichsfeld“, sieht sich Dachdeckermeister Christoph Riese bei den anstehenden Arbeiten an seiner Taufkirche herausgefordert.

Wenn alles optimal läuft, wollen die drei beteiligten Südeichsfelder Firmen ihre Arbeiten am Lengenfelder Kirchturm möglichst bis zum Jahresende abschließen. Dann soll auch der am 18. Januar 2018 bei einem Sturm „abgeflogene“ Wetterhahn von der frisch vergoldeten Turmkugel grüßen. Bereits jetzt vermissen viele Dorfbewohner das Schlagen der vorerst außer Betrieb genommenen Uhrenglocken. Eine mutige Lengenfelder Seniorin wagte sich einmal mit in luftige Höhe und nutzte die seltene Gelegenheit für ein Foto von den beiden Glöckchen an der nördlichen Turmspitze. In Windeseile war das Handy-Bild auch schon bei ihrem Enkel Heinrich im bayerischen Ingolstadt, dem sicherlich die Ohren geklungen haben dürften.