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Mitteilungsblatt VG Thaleischweiler-Wallhalben
Ausgabe 47/2024
Amtlicher Teil
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​​​​​​​Rechtsverordnung über die Ausweisung des Grabungsschutzgebiets „Villa Rustica Im Plauel“ in Nünschweiler

Anlage 1: Abgrenzung des Antragsgebiets "Villa rustica Im Plauel", Nünschweiler. Antrag auf Ausweisung eines Grabungsschutzgebiets nach § 22 DSchG. M. 1 zu 2000

in der Gemarkung der Gemeinde Nünschweiler, Verbandsgemeinde Thaleischweiler-Wallhalben, Kreis Südwestpfalz


Aufgrund von § 22 Abs. 1 und 2 des Landesgesetzes zum Schutz der Kulturdenkmäler (Denkmalschutzgesetz - DSchG) in Verbindung mit § 8 Abs. 4 und 5 DSchG vom 23.03.1978 (GVBl. 1978, S. 159), zuletzt geändert durch Artikel 4 des Gesetzes vom 28.09.2021 (GVBl. S.543), erlässt die Kreisverwaltung Südwestpfalz als Untere Denkmalschutzbehörde gem. § 24 Abs. 2 Nr. 3 DSchG im Benehmen mit der Generaldirektion Kulturelles Erbe, Direktion Landesarchäologie, folgende Rechtsverordnung:


§ 1

Unterschutzstellung/Bezeichnung


1)

Das in § 2 dieser Verordnung näher bezeichnete und in der beigefügten Karte durch Umrandung gekennzeichnete Gebiet in der Gemarkung Nünschweiler, in dem archäologische Befunde und Funde zu erwarten sind, wird hiermit gem. § 22 Abs. 1 Satz 1 DSchG als Grabungsschutzgebiet unter Schutz gestellt.

2)

Das Grabungsschutzgebiet trägt die Bezeichnung „Villa Rustica Im Plauel“.


§ 2

Geltungsbereich


1)

Das Grabungsschutzgebiet umfaßt folgende Grundstücke innerhalb der Gemarkung Nünschweiler (Fundstelle Nünschweiler 3) Parzelle 2310/25 TF & 2310/6 TF (genaue Größe und Lage des Antragsgebietes siehe das rote Areal auf dem Plan in der Anlage 1), eine Ausweisung als Grabungsschutzgebiet gemäß § 22 DSchG Rheinland-Pfalz.


§ 3

Zweck und Begründung der Unterschutzstellung


Im vorgenannten Areal ist mit erheblichen archäologischen Funden und Befunden aus der römischen Kaiserzeit und Spätantike zu rechnen.


Südwestlich von Nünschweiler befinden sich im Plauelwald die teilweise noch oberirdisch sichtbaren Mauern einer römischen Villa Rustica. Bereits 1564 verwies der Geodät Tilemann Stella in seiner „Geometrischen Beschreibung des Oberamtes Zweibrücken und der Kellerei Kirkel“ auf die als „Heidenhofstatt“ bekannte römische Ruinenstätte. Noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts standen die bis zu 1 m hohen Mauerreste aufrecht, bis sie in den darauffolgenden Jahrzehnten abgetragen und für den Neubau von Gebäuden aus der nächsten Umgebung verwendet wurden. An der Stelle der sich noch im Boden erhaltenen Mauern wurde von 1957–1963 vom damaligen Landesdienst für Vor- und Frühgeschichte in mehreren Kampagnen die noch in geringer Tiefe erhaltenen Mauern des Herrenhauses einer Gutshofanlage ausgegraben. Die Mauern waren durch die jahrhundertewährende Steinausbeute stellenweise bereits zerstört und zudem durch eine Artilleriestellung aus dem zweiten Weltkrieg partiell angeschnitten worden. Es dürfte sich um eine Portikusvilla mit Eckrisaliten gehandelt haben, die auf Fundamenten aus mächtigen Steinblöcken ruhte. Südwestlich einer ehemals mit Säulen geschmückten Vorhalle befanden sich im Seitentrakt Baderäume. Hinter der Badeanlage wurde ein großer beckenartiger Steinkasten mit Toneinschwemmung gefunden. Mehrere gefundene Steinrinnen und Kanäle für die Wasserzufuhr und Abwasserentsorgung wurden an verschiedenen Stellen im Inneren und außerhalb des Gebäudes beobachtet. Östlich der großen Halle befand sich ein Eckrisalit mit Fußbodenheizung, in welche kleine Ständer aus Sandstein verbaut waren. Nördlich der Vorhalle erstreckte sich ein großer Hauptraum von 25 m Länge und 12 m Breite, dessen Fußboden mit unregelmäßigen Steinen ausgelegt war. Ein gemauerter Kellerraum lag in der Nordostecke. Hier wurde bei den Ausgrabungen ein Tisch aus weißgelbem Sandstein in Versturzlage entdeckt. Weitere Anbauten im Norden konnten nicht genauer erfasst werden. Zu den Funden der Grabungskampagnen gehören etliche Keramikscherben (darunter Terra Sigillata), Glasreste, Fensterglasscherben, Baukeramik, Putzreste, Gegenstände aus Bronze und Eisen, Beinnadeln, Bronzemünzen, Tierknochen, Schlacke und das Fragment einer sitzenden Göttin. Die gut zeitlich einzuordnenden Fundstücke, wie etwa die Keramik, verweisen auf eine Gründung der Hofanlage im 2. Jh. n. Chr. und ein Bestehen bis ins 4. Jh. n. Chr. Die Zerstörung oder das Verlassen des Hofguts lassen sich vermutlich mit den Alamanneneinfällen in Verbindung bringen, an verschiedenen Stellen wurden Brandschichten beobachtet. Nach den Grabungsarbeiten wurde die Grabungsfläche wieder zugeschüttet und die Mauern mit Erde bedeckt. Auf aktuellen LIDAR-Scans sind die Mauerzüge der Villa noch im Gelände zu erkennen.


Römische Gutshöfe waren in der Regel von einer Einfassungsmauer begrenzt, wobei die „Villa Vorderberg“ in Büchelberg (Ldkr. Germersheim) dazu einen vollständigen Grundriss liefert. Die Villa umgebende Fläche ist dort ca. 16-Mal größer als die überbaute Fläche des Hauptgebäudes (ebenfalls in Fließem, Vierherrenborn, Winningen, Frankfurt a. M. und Wiesbaden Neroberg zu beobachten), sodass auch in Kleinsteinhausen mit einem entsprechend größeren Villenareal gerechnet werden muss. So ist um die bereits ausgegrabenen Gebäude mit einer Vielzahl weiterer Wirtschaftsbauten und einer Umfassungsmauer zu rechnen. So wurde in den 1960er Jahren etwa 50 m östlich des Hauptgebäudes von Nünschweiler eine weitere Stelle mit Sandsteinpflasterung gefunden.


Der Fundplatz von Nünschweiler reiht sich somit in die reiche Villenlandschaft der Pfalz ein. Er bildet ein Detail in den deutlich wahrnehmbaren Siedlungsketten entlang der Wasserläufe (hier: Blümelbach). Die Villa liegt 348 m.ü.NN an einem Südhang über der Kellerklamm mit Blickrichtung hangabwärts. Terrassierungen im direkten Umfeld sind wohl als Wirtschaftsflächen anzusprechen. Etwa 170 m nordwestlich befindet sich eine Quelle, die 545 m weiter südlich in den Blümelbach entwässert. Die nächste benachbarte Villa rustica liegt 4,1 km entfernt im Gewann „Auf dem Hengstberg“ südöstlich von Kleinsteinhausen


Bei der Erforschung der Siedlungslandschaft der römischen Kaiserzeit sowie der Spätantike (1. bis 5. Jahrhundert) kommt den Villen eine wichtige Rolle zu, da sie die typische Bebauungsform im ländlich geprägten Hinterland großer städtischer Zentren darstellen. Es ist zusätzlich mit einer noch größeren Anzahl bislang nicht belegter Hofanlagen zu rechnen, die sich jedoch über Prognosemodelle ermitteln lassen. Diese beruhen wiederum auf der Normalverteilung nachweisbarer Villen. Daher ist jede neue, modern gegrabene römerzeitliche Villa rustica wichtig, um die kaiserzeitlichen und spätantiken Siedlungsstrukturen der Pfalz in all ihren Facetten darzustellen. Darüber hinaus spielen sie eine große Rolle bei Fragen hinsichtlich einer Zäsur oder eines kontinuierlichen Übergangs zu den frühmittelalterlichen, merowingerzeitlichen Hofgründungen.


Damit zählt die Villa rustica von Nünschweiler „Im Plauel“ zur römerzeitlichen Villenlandschaft, die zum einen für die Beurteilung der Siedlungsgeschichte des ländlich geprägten Raumes der Pfalz von der römischen Kaiserzeit bis zur Spätantike und zum anderen auch des Übergangs von Spätantike zu Frühmittelalter eine herausragende Stellung einnimmt und daher von besonderer wissenschaftlicher und kulturhistorischer Bedeutung ist.

Das Denkmal erfüllt daher den Tatbestand des § 3 Abs. 1 DSchG RLP.

Um den Erhalt eines möglichst großen Teils dieser einzigartigen archäologischen Befunde zu gewährleisten und um die im Zuge einer mögliche Umgestaltung des Geländes unumgänglichen Grabungen und Untersuchungen nach denkmalpflegerischen und wissenschaftlichen Gesichtspunkten fach- und sachgerecht durchführen zu können, beantragen wir, das o. g. Gebiet im Sinne des § 22 DschG RLP als Grabungsschutzgebiet auszuweisen.


§ 4

Genehmigungspflicht, Genehmigungsverfahren


1)

Der Genehmigung der Unteren Denkmalschutzbehörde bedarf, wer auf den in § 2 dieser Verordnung bezeichneten und abgegrenzten Grundstücken Vorhaben durchführen will, die verborgene Kulturdenkmäler gefährden können. Hierzu zählen insbesondere, Aushubarbeiten, Grabungen, Bohrungen und sonstige Erdarbeiten jeder Art. Nachforschungen, insbesondere Geländebegehungen mit Schatzsuchgeräten sowie Ausgrabungen mit dem Ziel, Kulturdenkmäler zu entdecken, bedürfen der Genehmigung der Unteren Denkmalschutzbehörde Kreis Südwestpfalz (§§ 22 Abs. 3 und 21 Abs. 1 DSchG).

2)

Der Antrag auf Erteilung der Genehmigung nach § 4 dieser Verordnung ist schriftlich bei der Kreisverwaltung Südwestpfalz, Untere Denkmalschutzbehörde, Delaware Avenue 12-18, einzureichen.

3)

Die Genehmigung kann unter Auflagen und Bedingungen sowie befristet oder widerruflich erteilt werden. Auflagen und Bedingungen können zum Ziel haben, den Eingriff auf ein Mindestmaß zu beschränken oder nach Beendigung der Maßnahme den ursprünglichen Zustand wiederherzustellen. Sofern es erforderlich ist, kann Sicherheitsleistung verlangt werden; dies gilt nicht für juristische Personen des öffentlichen Rechts.

4)

Durch die Genehmigung werden nach anderen Vorschriften erforderliche Zustimmungen, Genehmigungen und Erlaubnisse nicht ersetzt.

5)

Die Genehmigung erlischt, wenn nicht innerhalb eines Monats nach Zustellung mit der Ausführung der Maßnahme begonnen worden ist. Die Frist kann auf schriftlichen Antrag einmal um ein Jahr verlängert werden; die Verlängerung kann mit neuen Bedingungen und Auflagen verbunden werden.

6)

Maßnahmen der Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz in Erfüllung ihrer Aufgaben nach § 25 DSchG sind nicht genehmigungspflichtig.

7)

Eine landwirtschaftliche Nutzung des unter Schutz gestellten Areals ist weiterhin möglich und bedarf keiner denkmalrechtlichen Genehmigung, sofern sich deren Bodeneingriffe auf den Mutterboden beschränken. Jegliche tiefer in den Unterboden reichenden landwirtschaftlichen Eingriffe sind entsprechend dieser Rechtsverordnung genehmigungspflichtig.


§ 5

Auskünfte, Betreten und Untersuchung von Grundstücken


Eigentümer, sonstige Verfügungsberechtigte und Besitzer von Grundstücken haben den Denkmalschutzbehörden und der Denkmalfachbehörde sowie ihren Beauftragten die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Die genannten Behörden bzw. deren Beauftragte sind berechtigt, Grundstücke zu betreten, Vermessungen und Untersuchungen vorzunehmen sowie Fotografien anzufertigen (§§ 6 und 7 DSchG).


§ 6

Anzeigepflicht


1)

Die Generaldirektion Kulturelles Erbe, Direktion Landesarchäologie, Außenstelle Speyer, Kleine Pfaffengasse 10, 67346 Speyer, ist mündlich oder schriftlich zu benachrichtigen, wenn im Grabungsschutzgebiet bewegliche oder unbewegliche Gegenstände (Funde, § 16 DSchG) entdeckt werden, von denen anzunehmen ist, dass sie Kulturdenkmäler im Sinne des § 3 Abs. 1 DSchG sind. Ersatzweise kann auch die Kreisverwaltung Südwestpfalz, Untere Denkmalschutzbehörde, benachrichtigt werden (§ 17 Abs. 1 DSchG).

2)

Anzeigepflichtig sind der Finder, der Eigentümer des Grundstückes, der Besitzer des Grundstückes, sonstige Verfügungsberechtigte und der Leiter der Arbeiten, bei deren Durchführung ein Fund entdeckt wurde. Die Benachrichtigung durch eine dieser Personen befreit die übrigen (§ 17 Abs. 2 DSchG).


§ 7

Erhaltung, Übergabe und Ablieferung von Funden


1)

Der Fund und die Fundstelle sind bis zum Ablauf einer Woche nach erfolgter Benachrichtigung (§ 6 Abs. 1 dieser Verordnung) in unverändertem Zustand zu halten und - soweit möglich - in geeigneter Weise vor Gefahren für die Erhaltung des Fundes zu schützen (§ 18 Abs. 1 DSchG).

2)

Bewegliche Funde sind der Generaldirektion Kulturelles Erbe, ersatzweise auch der Kreisverwaltung Südwestpfalz, Untere Denkmalschutzbehörde, unverzüglich zur Aufbewahrung zu übergeben, wenn die Gefahr besteht, dass sie abhandenkommen können (§ 18 Abs. 2 DSchG).

3)

Die Denkmalfachbehörde ist berechtigt, bewegliche Funde zur wissenschaftlichen Bearbeitung vorübergehend in Besitz zu nehmen (§ 19 Abs. 2 DSchG).

4)

Funde, die herrenlos sind oder die so lange verborgen waren, dass ihr Eigentümer nicht mehr zu ermitteln ist, werden mit der Entdeckung Eigentum des Landes, wenn sie von besonderem wissenschaftlichen Wert sind oder bei staatlichen Nachforschungen oder in Grabungsschutzgebieten (§ 22 DSchG) entdeckt werden.


§ 8

Duldungspflicht


Eigentümer und Besitzer eines Grundstückes und andere Verfügungsberechtigte über ein Grundstück, auf dem ein Fund entdeckt wurde, haben die zur sachgemäßen Bergung des Fundes und zur Klärung der Fundumstände notwendigen Maßnahmen zu dulden (§ 19 Abs. 1 DSchG).


§ 9

Ordnungswidrigkeiten


Wer vorsätzlich oder fahrlässig gegen die Bestimmungen der §§ 4 bis 8 dieser Rechtsverordnung verstößt, handelt ordnungswidrig. Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu 125.000 Euro geahndet werden. Gegenstände, auf die sich eine Ordnungswidrigkeit beziehen oder die zur Vorbereitung oder Begehung einer Ordnungswidrigkeit verwendet worden sind, können eingezogen werden. § 33 DSchG über Ordnungswidrigkeiten findet Anwendung.


§ 10

Aufnahme in das Liegenschaftskataster/Denkmalbuch


Die Unterschutzstellung wird gem. § 10 DSchG in das bei der Kreisverwaltung Südwestpfalz geführte Denkmalbuch eingetragen und in das Liegenschaftskataster aufgenommen.


§ 11

Inkrafttreten


Diese Rechtsverordnung tritt am Tage nach ihrer öffentlichen Bekanntmachung in Kraft.


(Anlage 1: Lageplan mit rotumrandetem Grabungsgebiet)


Kreisverwaltung Südwestpfalz
Untere Denkmalschutzbehörde
Pirmasens, den 11.11.2024
gez. Susanne Ganster, Landrätin