„Rieselnder Berg“ nannte der Volksmund in früherer Zeit die Anhöhe zwischen Mühlhausen und Görmar. Der Untergrund aus buntem Keuper-Gestein brachte ihm diese Bezeichnung ein. Jenes karge Gestein war aber auch Grund dafür, dass der Berg nur spärlich bewachsen war. Die Menschen nutzten das Gebiet als Weide für Ziegen und Schafe.
Ende des 19. Jahrhunderts begann der Mühlhäuser Verschönerungsverein – der Vorläufer des heutigen Mühlhäuser Geschichts- und Denkmalpflegevereins – um dessen Vorsitzenden Theodor Wiesenthal (1853–1923; amt. 1898–1923) den Rieseninger zu bepflanzen. Stadtgarteninspektor Adolf Pollex (1864–1921) erarbeitete schließlich einen Plan zur Gestaltung für eine Art Waldpark. Auf dem Berg wurden deshalb Bäume in großer Zahl und verschiedenster Art gepflanzt, Wege und Wiesen sowie ein Spielplatz angelegt. Hinzu kamen 1901 ein Stein zum Gedenken an Thomas Müntzer und den Bauernkrieg.
Später folgten Ausflugsziele wie die Gaststätte „Parkhaus“ im Schweizer Stil – typisch für jene Zeit, in der die Sehnsucht nach Reisen in die Alpen groß war, für die meisten jedoch ein unerfüllbarer Wunsch blieb. Die Hochzeit als Freizeitort erlebte der Rieseninger Berg in den Jahren 1952 bis 1975. Ausbleibende Besucherzahlen führten 1991 jedoch zur Schließung des Parkhauses und des 1975 errichteten Freilichttheaters. Neben dem veränderten Freizeitverhalten trug auch das Fehlen von Parkplätzen für die Anfahrt mit dem Auto für das Ausbleiben der Besucher bei.
Heute, rund 120 Jahre später, hat sich die Fläche tatsächlich zum Wald entwickelt – so, wie es die Planer vorgesehen hatten. Zwar kamen nicht alle Baumarten mit den Bedingungen des Standortes zurecht, auch die trockenen Sommer der zurückliegenden Jahre haben zum Verlust einiger Bäume beigetragen. Dennoch finden wir am Rieseninger heute einen ökologisch wertvollen Wald, der zahlreichen Tieren wie Rehen, Hasen, Fledermäusen, unzähligen Insekten- sowie Vogelarten wie Waldohreulen und einer der größten Graureiher-Kolonien Thüringens einen Rückzugsort bieten.
Auch zahlreiche Mühlhäuserinnen und Mühlhäuser nutzen den Rieseninger gern als Ort zum Spazierengehen, um Ruhe und Kraft zu tanken. Wie in jedem Wald gilt hier: er wird naturnah gepflegt, Eingriffe sind auf das Notwenigste beschränkt. Es gilt das Waldgesetz: Jeder darf Wald zum Zwecke der Erholung betreten. Das Betreten des Waldes erfolgt auf eigene Gefahr. Die Mitarbeiter des städtischen Forstes und der Stadtgärtnerei kümmern sich entsprechend darum, die Wege freizuhalten, die Wiesen zu mähen, schauen täglich auf dem Spielplatz nach dem Rechten und leeren die Mülleimer.
Zudem wurde im Frühjahr am Müntzer-Denkmal für einen Rückschnitt gesorgt, so dass sich hier nun wieder ein prachtvoller Ausblick über Görmar und zum Forstberg bietet. In Vorbereitung des Gedenkens an 500 Jahre Bauernkrieg im kommenden Jahr 2025 werden in nächster Zeit weitere Verschönerungsmaßnahmen umgesetzt, Geländer und Abfalleimer erneuert. Auch neue Wegweiser und Informations-Stelen mit Wissenswertem zur Entwicklung des Rieseningers und des Denkmals werden errichtet.
So soll es gelingen, diesen naturnahen, besonderen Ort für Mensch und Natur gleichermaßen zu bewahren.
Literatur: Sabine Fritzlar: „Der Rieseninger Berg in Mühlhausen aus seine Graureiher“. In: Mühlhäuser Beiträge, Heft 43 (2020)