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Stadtkurier Neuhaus
Ausgabe 6/2024
2. Nichtamtlicher Teil
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2.1. Nichtamtlicher Bekanntmachungen der Stadt Neuhaus am Rennweg

Diese Chronik wurde vom jeweiligen Lehrer der Schule des Ortes geführt.

1931

Februar

Der Austragungsort der Deutschen Skimeisterschaft war dieses Jahr Lauscha. Da der 18 km Lauf an Steinheid vorbeiführte, ließen wir es uns nicht nehmen, die Läufer am 06.02. zu beobachten. Am Sonntag dem 08. Februar fanden im gastfreundlichen, festlich geschmückten Lauscha die Sprungläufe statt. In allen Straßen waren aus Schnee modellierte Figuren und Tiere aufgestellt, die durch ihr natürliches Aussehen die Besucher in Erstaunen versetzten. 20 - 25 Tausend mögen wohl den Sprungläufen als Zuschauer beigewohnt haben. Fritz Hartwig beförderte mit dem Schlitten ungefähr 10 Siegmundsburger nach Lauscha. Deutscher Schimeister wurde Gustl Müller.

April

Am 09. April brannte das Anwesen unseres Vereinswirtes Paul Müller vollständig nieder. Eine Kuh kam in den Flammen um.

Mai

Aufs vergrößerte Spritzenhaus wird ein Turm (14 Meter hoch) zum Trocknen der Schläuche gebaut (07. Mai). Am 30. Mai zieht Titus Florschütz von Meschenbach nach Siegmundsburg.

Juni

Schon am 06. Juni wurde bei Paul Müller die Scheune aufgerichtet.

Juli

Am 31. Juli unternahm die hiesige Schule mit dem Krumholz´schen Omnibus ihren diesjährigen Schulausflug nach Saalfeld (Feengrotten, Franziskanerkloster), Schwarza - Flughafen, Schwarzburg - Trippstein, Oberweißbach - Bergbahn, und zurück nach Siegmundsburg. Da einige Eltern diesmal am Schulausflug teilnahmen, bedeutete das für die beiden Lehrer eine große Erleichterung.

August

Seit dem 01. August brennt in Siegmundsburg Ferngas aus dem Ferngaswerk Neustadt b. Coburg. Das Limbacher Gaswerk wurde stillgelegt und dadurch wurden wieder einige Familienväter arbeitslos. Von Siegmundsburg sind dies Heinrich Fuchs, Max Weigand und Karl Wiegand. Von der Güte des Ferngases sind die Bewohner, besonders die Glasbläser, nicht besonders erbaut.

November

Die freiwillige Feuerwehr veranstaltete einen wohl gelungenen Unterhaltungsabend. Er war sehr stark besucht, vor allem von auswärts.

Dezember

Infolge der immer mehr zunehmenden Arbeitslosigkeit stiegen die Wohlfahrtskosten der Gemeinde immer mehr, sodass das Wassergeld um nochmals 25 % erhöht werden musste.

1932

März

Am 13. März fand der 1. Wahlgang zur Reichspräsidentenwahl statt.

Das hiesige Wahlergebnis:

Theodor Duesterberg

-

5 Stimmen

Paul von Hindenburg

-

98 Stimmen

Adolf Hitler

-

117 Stimmen

Ernst Thälmann

-

74 Stimmen

Adolf Gustav Winter

-

1 Stimme

Juni

Am 07. Juni brach im Anwesen von Franz Siegel Feuer aus. Viele Feuerwehrleute befanden sich gerade in Scheibe in einer nationalsozialistischen Versammlung, in der der volkstümliche und allgemein beliebte Redner Hille aus Hildburghausen sprach. Der Heuboden brannte ganz, der Dachstuhl zum Teil weg. Es wird Brandstiftung vermutet.

Am 16. Juni wurde der Schreiber der Chronik infolge zerrütteter Nerven beurlaubt. Steinheider Kollegen unterrichten abwechselnd in Siegmundsburg bis Donnerstag, den 07. Juli, da begannen die Sommerferien.

Juli

Durch Wohlfahrtsempfänger wurde die Straße im Froschgrund und der Weg auf dem Saar hergerichtet. Der Friedhof wurde mit einem tiefen Graben umgeben und an der linken Seite wurde ein Wasserbehälter ausgeschachtet.

August

Am 10. August erlässt die Regierung eine Verordnung, nach der politischer Terror mit Todes- und Zuchthausstrafe geahndet wird.

November

Am 06. Nov. fand wieder einmal eine Reichstagswahl statt. Ergebnis in Siegmundsburg:

Nationalsozialisten

- 130 Stimmen

SPD

- 65 Stimmen

KPD

- 69 Stimmen

Deutschnationale Volkspartei

- 2 Stimmen

Landbund

- 1 Stimme

Am 18. November trat das Kabinett von Pagen zurück.

Dezember

Am 05.12. wurde General Schleicher zum Reichskanzler ernannt. Göring wurde am 07.12. zum Reichstagspräsidenten gewählt. Am 08.12. kam es im Reichstag zu einer Schlägerei zwischen Nationalsozialisten und Kommunisten. Aschenbecher, Telefonapparate und Pultdeckel dienten als Waffen.

Das Jahr 1932 war das Jahr der Parteien. Viele wollen im Grunde dasselbe, zerfleischen sich aber gegenseitig. Jeder Mensch wird zuerst nach seiner Parteizugehörigkeit gefragt. Wenn nicht Parteifreunde für ihn sorgen, ist er verloren. Den Gewinn von der Selbstzerfleischung hat zweifellos die KPD.

1933

Die politischen Verhältnisse erfordern eine Entscheidung. Der Parlamentarismus hat abgewirtschaftet. Das Volk verlangt einen starken Mann. Das Wirtschaftsproblem verlangt immer gebieterischer eine Lösung.

Januar

Der 30. Januar 1933 wird in der Geschichte des deutschen Volkes immer als ein Wendepunkt, als ein Markstein bezeichnet werden. Hitler wurde von Hindenburg zum Reichskanzler ernannt. Auf seinen Vorschlag wurde eine Regierung der nationalen Konzentration gebildet.

März

Am 03. März hielt Adolf Hitler im Berliner Sportpalast eine Rede über die Weltgefahr des Kommunismus. Am 05. März fand die Reichstagswahl statt.

Wahlergebnis in Siegmundsburg:

NSDAP

- 148 Stimmen

SPD

- 81 Stimmen

KPD

- 63 Stimmen

Schwarz-Weiß-Rot

- 4 Stimmen

DB

- 1 Stimme

Mai

Der 01. Mai wurde wie in ganz Deutschland, so auch in Siegmundsburg festlich begangen. Einen solchen Flaggen- und Häuserschmuck hat man wohl im Ort noch nicht gesehen. Schon früh wurden die Reden Goebbels und Hindenburgs am Radio gehört. Sämtliche Verbände und Vereine, voran berittene SS und SA formierten sich am Forsthaus zum Festzug. Dieser bewegte sich nach Limbach, von dort bis zum Märterlein und wieder zurück zum Forsthaus. Hier hielt nach einleitenden Begrüßungsworten des Försters Müller der Schreiber der Chronik (Max Fischer) eine dem Sinn des Tages angepasste Rede. Die Hirschendorfer Musikkapelle spielte zum Schluss das Deutschland - und Horst Wessel - Lied. Die „Sängerlust“ sang „Wo gen Himmel Eichen ragen“. Beim Rosenbaum gab es Bratwürste und beim Bier wurde in den übrigen Wirtschaften der Tag noch gebührend gefeiert.

Am 12. Mai wurde der Schreiber dieser Chronik vom Gemeinderat einstimmig zum Beigeordneten der Gemeinde Siegmundsburg gewählt.

Am 16. Mai wurde Ewald Beck ebenfalls vom Gemeinderat einstimmig zum Bürgermeister gewählt.

Juni

Der gigantische Plan des Arbeitsbeschaffungsprogrammes besteht aus drei Teilen.

1.

Wiederherstellung des deutschen Hausbesitzes durch ein umfassendes Hausreparatur- und Bauprogramm.

2.

Bau eines gewaltigen Automobilstraßennetzes von 5000 km Länge.

3.

Produktionsanreiz für die deutsche Privatwirtschaft durch Steuererleichterungen bzw. Befreiung von allen Steuern und Lasten.

Der Stahlhelm gliederte sich in die NSDAP ein. Am 16. Juni fand eine Volkszählung statt. Deutschland hatte mit dem Saargebiet (800 000 Einwohner) 66,1 Millionen Einwohner. Am 22. Juni wurde die SPD als Staats- und volksfeindlich verboten und das gesamte Parteivermögen beschlagnahmt. Am 29. Juni beschließt der Gemeinderat einstimmig den jeweiligen ersten Beigeordneten zu Standesbeamtenstellvertreter zu bestellen. Ferner wird einstimmig beschlossen, in der Schule zwei Dienstzimmer so einfach wie möglich einzurichten. Zur Förderung der nationalen Arbeit wird eine freiwillige Spende ins Leben gerufen. Bis zum 30. Juni wurden bei Finanz- und Zollämtern 4 Millionen RM für diese Spende eingezahlt.

September

Siegmundsburg soll eine Kapelle erhalten.

Zeitungsausschnitt:

„Um einen lang gehegten Wunsch der Gemeinde S. zu erfüllen, soll jetzt der Bau einer Kapelle für die Gottesdienste mit allen Mitteln betrieben werden auch schon deshalb, um der Siegmundsburger Bevölkerung Arbeit und Brot zu verschaffen. Als Platz für die Kapelle ist das Grundstück zwischen dem Forsthaus und dem Gasthof Rosenbaum in Aussicht genommen. Alle Kreise, die ihre Kirche lieb haben, werden herzlichst gebeten, durch ihre Spenden beizutragen, damit der schon vorhandene Baufonds vermehrt wird, um dann den Bau recht bald in Angriff nehmen zu können.“

Oktober

Unseren sich für das Wohl der Gemeinde und besonders der Arbeitslosen rastlos einsetzenden Bürgermeister Ewald Beck ist es gelungen, als Notstandsarbeit 3000 Tagewerke für Wiesenverbesserung zu erwirken. Die Arbeiten sollen in der Zeit vom 16.10.33 bis 31.03.34 ausgeführt werden.

1934

Am Sonntag, dem 14.01. veranstaltete die B.d.M. - Ortsgruppe Steinheid einen Werbeabend im Rosenbaum´schen Saale. Ihr Bestreben ist es, auch in Siegmundsburg eine Ortsgruppe des BdM (Bund deutscher Mädchen) zu gründen.

Februar

Am 16. Februar brannte der frühere Backofen des Georg Langbein nieder.

April

Am 01. April konnte Herr Dr. Kost, Limbach, auf eine 25 jährige Tätigkeit in den Orten Steinheid, Scheibe - Alsbach, Limbach, Siegmundsburg, Neumannsgrund und Friedrichshöhe zurückblicken.

Mai

Am 17. Mai landete auf den Saarwiesen das Sportflugzeug D 2702.

Siehe Zeitungsausschnitt.

„Auf den nahe gelegenen Saarwiesen musste gestern das Sportflugzeug D 2702, aus Schleißheim kommend, infolge starken Nebels notlanden. Die Landung erfolgte ohne jeglichen Schaden. In kurzer Zeit hatte sich eine gewaltige Menschenmenge eingefunden, um das Flugzeug zu sehen. Selbst 70 und 80 jährige, die noch vor 30 Jahren von der technischen Errungenschaft träumten, bestaunten den Eroberer der Lüfte. Nach einem ¾ stündigen Aufenthalt, nachdem sich der Führer orientiert hatte, flog er nach Erfurt weiter.“

September

In der am 03.09. stattgefundenen Gemeinderatssitzung gab Herr Bürgermeister Ewald Beck bekannt, dass der Gemeinde im Wege einer Sondermaßnahme 2000 Tagewerke Meliorationsarbeiten im Notstandswege genehmigt worden sind. Diese Arbeiten erfordern ein Kapital von 9000,- RM, 6000,- RM wurden als Grundförderung durch das Arbeitsamt bewilligt, 2000,- RM tragen Land und Kreis, die restlichen 1000,- RM muss die Gemeinde finanzieren. Durch die Kulturbaustelle Meiningen wurden die Arbeiten ausgeschrieben. Von den Unternehmen, die Angebote eingereicht hatten, wählte der Gemeinderat durch einstimmigen Beschluss August Otto, der die Arbeiten unter Vorbehalt betragen bekam. Durch diese Maßnahme, die der Ort nur der Rührigkeit unseres Bürgermeisters Beck verdankt, kommen wieder 35 bis 40 Arbeiter für ca. 10 Wochen in Arbeit und Brot.

Schade, dass diese prächtige und einzige Chronik des Ortes zum Stillstand gekommen ist.

Mit diesen Worten endet die Chronik von Siegmundsburg (1892 - 1934).

Rolf Kirchner

Natur- und Heimatfreunde e.V. Siegmundsburg