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Neustädter Kreisbote
Ausgabe 21/2024
Aus dem Stadtgeschehen
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Rückblick auf den „Postkartentag“ im Museum für Stadtgeschichte

Dass das Medium Postkarte an seiner Aktualität nichts verloren hat, zeigt eindrücklich die Resonanz der Veranstaltung zum „Postkartentag“, am 5. Oktober im Museum für Stadtgeschichte. Ab 16 Uhr hatten sich im Museumsflur im Obergeschoss des Gebäudes am Kirchplatz über 60 Besucherinnen und Besucher eingefunden.

Dr. Hansjoachim Andres bereitete mit der Unterstützung von Annett Richter für die zahlreichen Gäste sieben verschiedene Cocktails zu. Jeder von ihnen war einem anderen Erdteil zugeordnet. Mit klangvollen Namen wie dem „Aviation“, dem „Lemon Drop“, aber auch alten Bekannten, wie dem „Manhattan“ oder dem „Daiquiri“, verweisen diese Getränke auf die Cocktailkultur vergangener Zeiten und umrahmten den Nachmittag stilvoll. Dabei war die fachkundige Zubereitung durch Dr. Andres an der Bar genauso spektakulär, wie die Drinks selbst. Zusätzlich halfen die ehrenamtlichen Mitglieder der Museumsgruppe bei der Vorbereitung der Veranstaltung und boten alkoholfreie Getränke an.

Vor voll besetzten Stuhlreihen ging es in der einführenden Rede von Christoph Müller, nach einem kurzen historischen Abriss über die sozialen Funktionen des Mediums, um eine gelaufene DDR-Ansichtskarte aus Strehla in Sachsen, die bei näherer Betrachtung ihre Vielschichtigkeit offenbart. Während die Bildseite der Karte ein vom Künstler Rudolf Sitte geschaffenes Wandrelief an einem Schulbau in der sächsischen Kleinstadt zeigt und damit eindrucksvoll DDR-Architektur und Kunst am Bau vereint, diente der Text auf der Rückseite zur Bestellung von Wurstwaren. Diese Text-Bild-Schere liegt begründet in der historischen Nutzung der Postkarte als Mittel der Alltagskommunikation. Während aktuelle Urlaubspostkarten das Flair des „Besonderen“ mit sich tragen, waren Postkarten in der Vergangenheit, auch wegen des günstigen Portos und dem Verzicht auf Briefpapier und Umschlag, häufig ein Medium des alltäglichen Austauschs. Für kurze Grüße, für Bestellungen oder gar für die Ankündigung eines längeren Briefes eigneten sie sich hervorragend. Dieser Aspekt der Postkartenkultur, so der Redner, sei heute weitgehend verloren gegangen.

Auf einen Ausflug in die Detektivarbeit bei der Datierung und Typologisierung von historischen Postkarten nahm Felix Schöpke die Besuchern des Museums in einem halbstündigen Vortrag mit. Als Mitkurator der Sonderausstellung „Gruss aus… eine Postkartenreise durch Neustadt an der Orla“, die seit Mai in den Kabinetträumen besichtigt werden kann, verfügt er über eine besondere Expertise, was die Postkartenbestände der Historischen Sammlungen der Stadt betrifft. Herr Schöpke zeigte verschiedene Typen historischer Ansichtskarten aus der Ausstellung und erläuterte, an welchen Merkmalen und Details sie zu erkennen sind. Er verortete die Neustädter Postkarten dabei zeitlich und machte klar, wie besonders durch die Bestimmung von typographischen Veränderungen eine Datierung von historischen Bildpostkarten vorgenommen werden kann. So gewappnet mit einführendem Fachwissen führte der Referent das interessierte Publikum durch eine Reihe von Beispielen. Seiner Einladung, mitzuraten, folgte man rege, sodass sich der Raum mit Jahreszahlen des frühen 20. Jahrhunderts akustisch füllte. Als besonders interessant entpuppten sich bei dieser Raterunde Fotopostkarten mit Motiven aus dem Stadtbild, deren Alter anhand von Veränderungen von Gebäuden und Straßenzügen, aber auch Details wie Bepflanzung oder Straßenbeleuchtung, ziemlich exakt bestimmt werden konnte.

Die etwa 90-minütige Veranstaltung kulminierte in der Enthüllung des angekündigten partizipativen Exponats, das durch die Einsendungen von Urlaubspostkarten von Neustädter, Museumsbesuchern sowie Freunden des Hauses entstehen konnte. Über den Sommer waren 36 Postkarten aus acht verschiedenen Ländern im Museum eingetroffen, die nun als Erweiterung der aktuellen Sonderausstellung unter dem Titel „Gruß nach Neustadt“ präsentiert werden. Ein besonderes Highlight bildet dabei eine gesondert präsentierte Postkarte aus Indien, die, 1966 versendet, erst 2012, also nach 46 Jahren, ihren Empfänger, den Friseurmeister Berthold Geinitz erreichte. Sie schlägt damit die Brücke zwischen historischer Postkartenkultur und den neu ins Museum gelangten Urlaubspostkarten von heute. Dieses Objekt wurde freundlicherweise für die Dauer der Ausstellung von Familie Geinitz an das Museum verliehen.

Das neue Exponat sowie die Postkarte aus Indien können ab sofort im Museum für Stadtgeschichte am Kirchplatz 7 im Rahmen der aktuellen Sonderausstellung noch bis 29. Dezember 2024 besichtigt werden. Postkarteneinreichungen und Einsendungen für das Exponat werden weiterhin entgegengenommen oder können bei einem Besuch selbst angebracht werden.