„Der Obstbau ist unser Arbeitsfeld, derAckerbau dazu...“, so klang es zuletzt auf dem Anger in Oberdorla anlässlich des Trachten-und Heimatfestes im Jahre 2005. (Liedtext: Heinrich Herwig)
Obst- und Gartenbau haben in der Vogtei eine lange Tradition und sind eng mit dem Namen Konrad Lange verbunden. Die Mehrzahl der Einwohner von Oberdorla kennt diesen Namen nur als Straßenname, aber kaum jemand weiß, welche Verdienste sich Konrad Lange für den heimischen Obstbau erworben hat. Ein Grund mehr, den 100. Todestag am 7. Juli 2023 zum Anlass zu nehmen, um seinen Beitrag zur Entwicklung und Gestaltung der Vogteier Kulturlandschaft zu würdigen.
1. Biografisches
Konrad Lange wurde am 6. August 1840 in Oberdorla geboren. Sein Vater Christoph Lange war als Heimbürger bei der Gemeinde angestellt. Seine Mutter Eva Elisabeth, geb. Herwig, füllte die traditionelle Rolle der Hausfrau aus.
Über Konrad Langes Leben ist nur Weniges überliefert. Aus der Oberdorlaer Häuserchronik geht hervor, dass er als Junggeselle in der Heyeröder Straße 10 wohnte und „Barbier und Land-vermesser“ war. Zudem betreute er die Obstanlagen der Gemeinde.
(Vgl. Herwig, Heinrich: Häuserchronik Oberdorla)
2. Konrad Langes Obstbauprojekte
Konrad Lange wurde in einer Zeit geboren, als der Garten-und Obstbau einen enormen Aufschwung nahm. Vielleicht ein Wink des Himmels für sein späteres Engagement? Überall im Lande wurden damals Pomologen-Vereine gegründet, deren Mitglieder den Vorteil hatten, Edelreiser zu beziehen oder auszutauschen. Gleichzeitig entstanden zahlreiche Baumschulen, die mit Neuzüchtungen auf den Markt kamen.
Als Junggeselle mit unlimitiertem Zeitfonds verliebte sich der junge Konrad in den Obstbau, der in dieser Zeit, botanisch betrachtet, am Aufblühen war. Er stützte sich bei der Umsetzung von landschaftsgärtnerischen Projekten auf Pläne, die im Zuge der Separation (Flurneuordnung/Flurbereinigung) erarbeitetet worden waren.
Die Triftareale sowie die Zugangswege zur Trift müssen ihm wohl besonders am Herzen gelegen haben, da die Flächen unmittelbar vor dem Hainich mehr oder weniger als Ödland eingestuft waren und nun zum blühenden Garten der Vogtei gestaltet werden sollten.
„Der damalige Obstbaumwärter der Gemeinde [Konrad Lange] hatte aber schon Jahre vorher, in Kenntnis der bevorstehenden Separation, eine wüste Fläche vor dem Walde, die Trift oder auch Treffurter Trift genannt, mit Kirschbäumen gepflanzt.“
(Kämmerer, Fritz: Abschriften und Auszüge aus der Chronik von Heinrich Herwig, S.141 a)
Standorte der Obstanlagen
| Plantagen | Feldwege und Straßen |
| Quertrift | Marktweg |
| Lange Trift | Tiefe Graben |
| Kleine Trift | Metzlochhöhle |
| Kuhtrift | Heyeröder Chaussee |
| Heurasen | Langulaer Weg |
| Gunzelhof-Chaussee |
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| Froschlochweg |
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| Nordenrieth |
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| Kommunikationsweg in der Laube | |
Die Quertrift
Im Jahre 1902 standen auf der Quertrift 1.557 Obstbäume auf ca. 10 Hektar (≈156 Bäume pro ha).
Die Pflanzsysteme waren quadratisch angelegt, vermutlich 8x8 m.
Die Obstarten verteilten sich wie folgt:
278 Äpfel
185 Birnen
207 Süßkirschen schwarz
887 Sauerkirschen rot
Akribisch führte Konrad Lange ein Obstkataster, registrierte jeden gepflanzten Baum und kennzeichnete jede Obstart mit einer bestimmten Farbe. Aus der folgenden Tabelle geht hervor, dass er zwischen 1873 und 1916 exakt 6891 Obstbäume erfasst hat.
Er kartierte insgesamt 26.826 Bäume. (Quelle: Kreisarchiv Mühlhausen)
3. Die Separation (1863-1868)
Die im Privatbesitz der Bauern befindlichen, stark parzellierten Felder wurden zu größeren Ein-heiten vereinigt. Gleichzeitig entstand ein zweckmäßiges Wegesystem, das den Zugang zu den Feldern erleichterte. Flächentausch und Flächenzusammenlegung führten somit zu einer Neuordnung der Besitzverhältnisse.
Während in Niederdorla bereits 1824 die ersten Koppelfluren vermessen wurden, trat die Separation in Oberdorla erst ab 1863 in ihre entscheidende Phase. „Vor dem bestand unsere Flur aus lauter schmalen Stücken Landes [von] 5, 10, höchstens 20 Schritte Breite, Land, Wege, Höhlen und Gräben wurden zusammengelegt...Die Wege und Gräben wurden zweckmäßig alle gerade laufend angelegt, so dass jeder Besitzer, ohne dem Nachbar Schaden zuzufügen, auf seinen Besitz kommen kann.“ (Herwig, Friedrich: Chronik, Privatbesitz, S. 77 f)
Die Separation war in organisatorischer und finanzieller Hinsicht, aber auch vom Arbeitsaufwand betrachtet, eine enorme Herausforderung für die Gemeinde und insbesondere ihr Führungspersonal.
Entsprechend den neu vermessenen Fluren erfolgten zunächst aufwendige Geländeregulierungen, der Grabenausbau sowie Baumrodungen. Was die Neuanpflanzungen von Obstbäumen betraf, mussten außer geeigneten Bäumen auch Baumpfähle und Bindematerialien beschafft werden.
Diese verschiedenartig gelagerten Aktivitäten bedurften guter Koordinierung und Führung, was noch heute unseren Respekt verdient. Vermutlich erklärten die damaligen Bürgermeister die gesamte Aktion zur Chefsache und beauftragten das Team um ihren „Obergärtner“ Konrad Lange, den Flurdiener und Obstbaumwart (ein aktuelles Berufsbild dieser Zeit) mit der Umsetzung der Pläne. Zwei Dorfschulzen haben sich intensiv für die Erweiterung des Obstbaus eingesetzt. Der Schulze Steinbrecher (1880-1892) ließ verschiedene Separationswege mit Bäumen bepflanzen. Diese Arbeiten wurden unter dem Schulzen Breitbarth (1892 -1919) fortgesetzt.
(Vgl. Karmrodt, Paul: Chronik, Privatbesitz)
Mit welchen Schwierigkeiten die Leute zu kämpfen hatten, geht aus einem Bericht des ehemaligen Bürgermeisters Johann Heinrich Burghardt hervor: „Die alten Besitzer der Oberflur hatten zwischen ihren Feldgrundstücken sogenannte Rasenraine liegen gelassen, um die Steine, die sie von ihrem Land ablesen mussten, dort abzulagern. Da man vor dem Jahr 1843 die Steine noch nicht zum Chausseebau verwenden konnte, so hatten sich im Laufe der Jahrhunderte die Steine auf diesen Rasenrainen, die zum Teil mit Dornen und anderem Buschwerk bewachsen waren, in ziemlichen Massen angehäuft. Beim Anblick all dieser Wüstungen, die der neue Besitzer mit übernehmen musste, wallte ihm schon das Blut in den Adern, wenn er daran dachte, dass er mit unbeschreiblich schwerer Arbeit diese Wüstungen zu einem ertragfähigen Land umgestalten sollte.“ (Burghardt, Johann Heinrich: Chronik, Privatbesitz, S. 60a)
Nicht zuletzt die hohen Vermessungskosten machten den Bauern zu schaffen. Allein Oberdorla musste in den Jahren 1863 bis 1868 insgesamt 30.000 Taler zahlen. Für damalige Verhältnisse eine ungeheure Summe! (Vgl. Burghardt, ebenda, S. 61)
Aus den vorgenannten Gründen stieß die Separation anfangs auf wenig Gegenliebe. „Von vielen Seiten wurde mancher Fluch, manche schwere Verwünschung und böswillige Rede über die, die den Antrag zu der Separation gestellt hatten, ausgesprochen.“ (Vgl. Burghardt, ebenda, S. 60 a)
Erst als die Vorteile der Separation spürbar wurden, schlug die Stimmung um, sodass „auch die Widerspenstigen sich zuletzt noch eingestehen mussten, dass doch viel gewonnen sei, viele Übelstände dadurch beseitigt und auch die Ernteerträge viel reichlicher als früher gewesen waren.“ (Burghardt, ebenda, S. 61a)
Was den Obstbau betrifft, konnten selbst Standorte mit relativ niedriger Bodenbonität intensiv bewirtschaftet werden. Als Beispiel seien die Pflanzungen der Gemeinde oberhalb des Marktweges genannt. Man kann davon ausgehen, dass Konrad Lange mit seinen Obstpflanzungen bei vielen Landbesitzern einen Nachahmungseffekt erzielte, was letztlich zu einem nachhaltigen Obstanbau in der Vogtei führte.
— (Fortsetzung folgt)
Eberhard Weißenborn & Günter Schlaffke