An 3. Sonntage im September ist in der Vogtei, das ist Ober- und Niederdorla und Langula, Kirmes.
Wir kennen es nicht anders, es war von jeher so. Aber 1822 war es nahe daran, dass man von diesem althergebrachten Tage weichen musste - und der rege Wechsel von Eingaben, Gesuchen und Verfügungen in der Zeit zwischen Kirmes 1822 und 1823 zeigt, wie erbittert man um die alte Sitte kämpfte. Die Akten im Archiv geben uns ein deutliches Bild dieser Tage:
So kam am 22. November 1822 aus Treffurt, vom Landrat des Kreises Mühlhausen von Hagen, ein Schriftstück: „Die vielen Nachteile, welche die Art und Weise in welchen bis hierher die Kirchweihfeste auf dem Lande gefeiert werden, zur Folge hatten, sind endlich auch der Königl. Hochlöblichen Landes-Regierung ernstlich aufgefallen und um demnach, ohne den Landmann in seiner Freude stören zu wollen, eine so richtige Übersicht von der gegenwärtigen Lage dieses Belustigungsgegenstandes zu erhalten, dass hinlänglich übersehen werden kann, wo etwa die Sache so wie sie ist, verbleiben kann, oder aber, wo Abänderungen notwendig angeordnet werden müssen, bin ich von der gedachten hohen Behörde beauftrag worden, Hochderselben mittelst einer tabellarischen Übersicht folgende Nachrichten, als:
| 1. | Zu welcher Zeit im Jahre das Kirchweihfest nach Monat und Datum gefeiert wird. |
| 2. | Wie viele Tage - wo bei es jedoch nicht darauf ankommt, wie viele Tage gefeiert werden sollen, sondern wie viele wirklich gefeiert werden, dieser Feierlichkeit preisgegeben werden. |
| 3. | In welcher Art in jeden Orte die Feierlichkeit begangen würde und |
| 4. | endlich ob bis hierher Augenscheinlich nachteilige Gebräuche stattgefunden haben, sobald als möglich vorzulegen. |
Indem ich nun hiernach die Herrn Schulzen meines Kreises auffordere, mir die vorgedachten verlangten Nachrichten treu und wahr binnen hier und 4 Wochen brieflich zugehen zu lassen, eröffne ich denselben zugleich, dass es nicht so wohl der Wille Hochlöbl. Regierung ist, den fraglichen Gegenstand durch widerrufliche Verfügung zwangsweise gewißermaßen in Schranken der Ordnung fest zu stellen, sondern das Hochdieselbe vielmehr die Absicht hat, es den Gemeinden selbst überlaßen, sich zu Abhaltung einer ordnungsgemäßigen Kirchweih nicht zu überschreitende Regeln, die demnächst aber füglich streng beobachtet werden müssen, zu gegeben.
Wo aber dennoch die Kirchweihen in den letzten Jahren nicht so begangen wurden, dass die Herrn Ortsvorgesetzten der pflichtmäßigen Meinung sein können, dass es sein Bewenden dabei behalten kann, da haben die Herren Schulzen Ihre Gemeinde zu versammeln und haben gemeinschaftlich mit Ihnen eine förmliche demnächst in einem Gemeindebeschluss zu fassende und mit dem oben gedachten Berichte zur weiteren Veranlassung anhero einzureichende Kirchweihordnung wobei jedoch in dem was den üblichen Gottesdienst anbelangt keine Anordnung stattfinden kann zu entwerfen. Übrigens haben die Herrn Schulzen bei gedachten Entwurf auf folgendes besondere Rücksicht zu nehmen:
| 1. | Das so viel als möglich die Kirchweihen in den Monat Oktober und November verlegt werden, je nach dem nach der Örtlichkeit anzunehmen ist, da die Feldarbeit als dann beendigt sind und |
| 2. | höchstens drei aufeinander folgende Tage dauern, nicht aber auf eine weitere Zeit verlängert werden darf. |
Ich zweifle nicht, das den Herrn Orts Vorgesetzten das Wohltätige, was den vorstehenden Anforderung zum Grunde liegt, einsehen werden. Sollten aber demnach einige vorhanden sein, die Mißbräuche und Übertretungen bei der Feier Ihrer Kirchweihen nicht in Abrede stellen können, dennoch aber nicht geneigt sein können einer sich selbst zu gebenden Ordnung zu unterwerfen, so werden sich diese es selbst zuzuschreiben haben, wenn Königlich Hochlöbliche Regierung endlich eingreift und Ihnen eine zu beobachtende Ordnung bei den Kirchweihfeste vorschreibt.“
Die Berichte an den Landrat kamen und wurden der Regierung in Erfurt eingereicht. Das sie vielerorts den Wünschen der Regierung laut obrigen Rundschreiben nicht entsprachen, beweist folgende Antwort auf die Berichte:
„Aus Euer Hochwohlgeboren Bericht vom 11ten d. M. haben wir ersehen, dass in mehreren Gemeinden Ihres Kreises die Kirchweihen zu einer durchaus unpassenden und für die Feldarbeit nachteiligen Zeit gefeiert werden. Namentlich ist dies der Fall bei den Gemeinden Ammern, Bollstedt, Görmar, Reiser und Windeberg, welche solche im Juni und Juli ferner Langula, Oberdorla und Niederdorla, welche solche im September feiern.
Wir hatten in unserer Verfügung vom 7. Nov. v. J. festgesetzt, dass die Zeit der Kirchweihen auf die Monate Oktober und November festgesetzt seien, und das den Gemeinden überlassen werden solle, in der Maßgabe, dass solche dahin verlegt würden, einen Beschluss zu fassen übrigens aber die Bestimmung der Regierung vorbehalten. Da diese Gemeinden von einem desfalls zu fassenden Beschluss keinen Gebrauch gemacht haben, so setzen wir hierdurch fest, dass in den Dörfern Ammern, Bollstedt, Görmar, Reiser und Windeberg auf den Dienstag nach Gallus, (Gallus ist der 16. Oktober) in den Dörfern Langula, Oberdorla und Niederdorla auf den Montag nach Gallus, in dem sie mit jenem Wochentagen bisher angefangen worden verlegt werden.
Ew. Hochwohlgebohren haben gedachte Gemeinden dieser Bestimmung bekannt zu machen und die Ortsbehörden anzuweisen, die Feier der Kirchweihe zu der bisher stattgefundenen Zeit bei Strafe zu untersagen. Ferner findet in den meisten hier nicht namentlich aufzuführenden Gemeinden der Missbrauch statt, dass die Kirchweihen länger, als drei Tage gefeiert werden, wenigstens der Tanz noch den vierten und fünften Tag gestattet wird, und nur zum Teil sind die Beschlüsse der Gemeinden dahin ausgefallen, dass diese Zeit zu beschränken sei. In unserer früheren Verfügung vom 7. Nov. vom Jahr hatten wir bereits bestimmt, dass die Kirchweih in keinen Orte länger als drei Tage dauern und auf eine weitere Zeit nicht verlängert werden dürfte. EW. Hochwohlgebohren beauftragen wir. die weiter Dauer in denjenigen Orten, wo dies stattgefunden hat, zu untersagen und dabei zugleich eine Strafe von Einem Thaler für dem Wirth, welcher nach ablaufender dreitägigen Zeit Musik verstattet, eine Strafe von 20 Silbergroschen für jeden Musikanten und von 10 Silbergroschen für jeden Tanzenden nach abgelaufener Zeit zu bestimmen und die Ortsbehörden anzuweisen, auf Befolgung dieses Verbots streng zu halten. Überhaupt darf der Tanz an den Kirchweihtagen nicht länger als 10 Uhr Abends gestattet werden und muß die Ortspolizei Behörde dafür sorgen, daß alle Nachtschwärmereien besonders auf der Straßen unterbleiben. Zugleich haben sie die Ortsgeistlichen von dieser Verfügung zu benachrichtigen.“
- Doch so schnell gab man in der Vogtei nicht nach. Eine Eingabe, unterschrieben von sämtlichen Ortseinwohnern, erreichte endlich. daß - alles blieb wie seit jeher. Der Bescheid von der Regierung ging sogar noch früh genug ein, daß man am 1823 das Kirchweihfest am altgewohnten Tage feiern konnte. Die Verfügung kommt am 26.8.1823 wieder von Treffurt, vom Landrat, der im Auftrage der Regierung also schreibt:
„Auf den fernern Bericht vom 22ten und der demselben beigefügten Beschlüsse der Gemeinden Oberdorla und Langula nehme ich nach Ansicht der Hohen Regierungs-Verfügung vom 31ten Mai d. J. hierdurch keinen die Feier der jährlichen Kirchweihe an den bisher üblichen Tagen, nämlich Montag nach Kreuz-Erhöhung ferner zu gestatten, dabei aber im übrigen auf die Befolgung der in der oben erwähnten Hohen Regierung-Verfügung gegeben polizeilichen Bestimmungen hinzuweisen.“
Quelle: Heinrich Herwig
Heimat- und Trachtenverein Oberdorla
Hans W. Schuhmann