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Vogtei-Echo - Amtsblatt der Gemeinde "Vogtei"
Ausgabe 2/2023
Heimatgeschichte
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Die Geschichte der Oberdorlaer Bank

Bild H. M. Labitzke: Friedrich Erdmann

Bild H. M. Labitzke: Friedrich und vermutlich eine Schwester und seine Eltern mit Enkeln

Bild H. M. Labitzke: Friedrich Erdmann im Kreis seiner Verwandten

Teil 1

Hauptakteur dieser Geschichte, ist der Gründer und Bankvorsteher Friedrich Erdmann. Als Erstes werfen wir einen Blick auf sein Leben. Dies ist eng mit der Entwicklung der Bank verknüpft. Sein Einsatz, für die Genossenschaftsbank, brachte viele Probleme und Ärger, was seinen Lebensweg prägen wird. Anhand von vielen original Schriftstücke, will ich die Entwicklung der Bank beschreiben. Diese Schriftstücke der Bank sind Bilanzen, Gerichtsurteile, Briefe von Unterstützern, von Firmen, von NSDAP Funktionäre, seinen Anwälten u.s.w. Die Bank und er persönlich hatten Freunde und auch Feinde. Die wichtigsten Personen werden in den nächsten Artikeln zitiert und mit Bild vorgestellt.

Friedrich Erdmann ist am 8. Juni 1889 in Oberdorla geboren. Er ist der Sohn des Landwirts Friedrich Erdmann und seiner Ehefrau Martha Elisabeth geb. Karmrodt. Er war das 7. von 9 Kindern, wovon 3 bereits vor 1914 gestorben und ein Bruder an den Folgen des Krieges sein Leben lassen musste.

Nach der Volksschulbildung erlernte er von 1903 bis 1906 das Maurerhandwerk. Danach ging er nach Westfalen bis 1907.

1908 bis 1909 hatte er mehrere Tätigkeiten in Mühlhausen, Bad Langensalza und im Steinbruch in Oberdorla.

Von 1909 bis 1911 leistete er seinen Militärdienst ab. Er war in Strassburg beim Infanterie-Regiment 132. Von 1911 bis zum 1. Mobilmachungstage 1914 arbeitete er wieder im Steinbruch von Oberdorla. Im Krieg wurde er im Oktober 1914 und im Februar 1915 verwundet. Die erste Verwundung war ein Arm- und die Zweite ein Bauchschuss. 1917 bekam er das Eiserne Kreuz II Klasse. Nach der Entlassung aus der Militärdienstzeit konnte er, auf Grund seiner Verwundungen, seine Beruf nicht mehr nachgehen.

Im Juni 1919 wurde ihm die Verwaltung der Laubgenossenschaftskasse Oberdorla übertragen. Am 1.1.1922 heiratete er - die aus Göttingen stammende Else Ernestine Dempewolf - geb. 1.9.1896. Im Juni 1923 gründete er die Oberdorlaer Bank. Friedrich stellt 1933 einen Aufnahmeantrag in die NSDAP. Er war bis 1934 Parteianwärter der NSDAP.

Er wurde aber noch im selben Jahr aus der Partei ausgeschlossen, was zu Konflikten mit den Kreisleiter der NSDAP Vollrath und dem Landrat Dr. Ruhs führte. Grund war ein Ereignis am 2. März 1934. An diesem Tag fand im „Deutschen Kaiser“ ein Sprechabend der NSDAP statt, an dem Friedrich Erdmann aber nicht anwesend war. Als man die Versammlung verlies, wurde im Treppenhaus vom Arbeiter Albert Schreiber aus Oberdorla, gegenüber den Schriftsetzer Gustav Hoffmann erklärt: „Erdmann ist ein großer Betrüger und Schieber und hat schon viele Volksgenossen betrogen. Ich habe Beweise dafür. Erdmann, Stollberg und Dr. Eichhorn müssen jetzt daran glauben.“ Erdmann war der Ansicht, dass es sich hier um eine öffentliche Beleidigung handelt und nur vor den öffentlichen Gericht gesühnt werden kann. Auf Grund einer Amnestie wurde der A. Schreiber nicht verurteilt, er musste nur die Gerichtskosten tragen. Diese Disziplinlosigkeit des F. Erdmann führte zum Ausschluss aus der NSDAP. Der Vorfall sollte wohl intern, vor dem Parteigericht, geregelt werden.

Dies war nicht das einzige Ereignis. Auseinandersetzung gab es mit dem Landrat, wegen der, von ihm durchgeführten, einseitigen Herabsetzung der Wartegelder, die in den Erdölverträgen, mit der Winterhall AG, vereinbart waren (Darüber hatte ich 2022 schon geschrieben).

1934 wurde F. Erdmann beschuldigt einen anonymen Brief, an den Reichspräsidenten Hindenburg, geschrieben zu haben, in diesem Schreiben wurde Beschwerden, über Machenschaften des Kreisleiter der NSDAP Vollrath und des Landrats Dr. Ruhs, geäussert. Man war der Meinung, dass dies das Wohl des Reiches, der Reichsregierung und der NSDAP und ihren Gliederungen schwer beschädigen kann. Dieser Brief wurde vom Hauptlehrer Dornheim aus Langula verfasst. Der 16-jährige Erich Knöpfel hatte den Brief, in der Oberdorlaer Bank, in Reinschrift geschrieben und diese Seiten dem Lehrer Dornheim übergeben. Dieses Schreiben beschäftigte die Justiz bis 1939. Vollrath und Dr. Ruhs hatten Anzeige erstattet und den Bankvorsteher Erdmann beschuldigt, das Schreiben verfasst zu haben. Vom Landrat Ruth wurde von der Laubgenossenschaft verlangt, F. Erdmann als Rendant (Kassenverwalter, Rechnungsführer) zu entfernen, dieser Aufforderung kamen die Mitglieder nicht nach.

Im Herbst des Jahres 1934 wurde Fritz und Friedrich Erdmann von dem Kaufmann Albert Bang, dieser stammt aus Mühlhausen und hatte die Auguste Stollberg aus der Markmühle geheiratet, der Untreue und Urkundenfälschung bezichtigt. 1935/36 setzte er sich für die Wiedereröffnung des Steinbruches im Senkig ein. Mit den Betreiberfirmen wurden neue Verträge abgeschlossen.

Die Betreiber sollten sich, auf Grund des hohen Aufwandes der aufgewendet werden musste, um den Felsen freizulegen, mit einem Geländezuschlag von 5 RM je cbm beteiligen. Dies stellte, nach Meinung des Landrats Ruhs, eine Preiserhöhung und somit eine Verletzung der Preisstoppverordnung vom 29. Okt. 1936 dar und dies sei genehmigungspflichtig. Da dies nicht erfolgt war wurde er vom Landrat angezeigt, was ihm ein neues Verfahren einbrachte. Er und der Laubgenossenschaftsvorsitzende Breitbarth wurden zu einer Geldstrafe von 5.000 beziehungsweise 1.000 RM verurteilt. Dies beschäftigte die Justiz wieder bis 1939 und sogar höhere Kreise im Wirtschaftsministerium in Berlin.

Diese Ereignisse führten zur Unruhe in der Dorfbevölkerung, die Einwohner waren in zwei Lager gespalten. So sah sich das älteste NSDAP Parteimitglied Albin Herwig und der erste Ortsgruppenleiter Reinhold Muder gezwungen einen Brief nach Berlin und an den Landrat Ruhs zu schreiben. Albin Herwig sah sich sogar gezwungen, auf Grund von vielen Neinstimmen, nach der Volksabstimmung 1938, die Wahl zu fälschen. Die Orts-NSDAP war der Meinung, dass an dieser Situation der Landrat schuld sei. Schließlich hätte die Oberdorlaer Bank unter Leitung F. Erdmann die NSDAP durch großzügige Spenden bedacht und der SA einen wertvollen Schellenbaum von 1.000 RM gespendet.

Der Landrat war aber davon überzeugt dass die Oberdorlaer Bank eine einzige Hetzzentrale gegen die NSDAP sei. Man wollte F. Erdmann loswerden, so äusserte sich der Regierungspräsident Noack gegenüber dem Landrat Ruhs so: „Es wäre ratsam Herr Erdmann, der doch so ein tüchtiger Bankbeamter sei und von seinen Vorgesetzten auf der Generalversammlung so gelobt worden sei, sich von Oberdorla zu entfernen. Es gebe im Deutschen Reich noch viele Banken, wo er tätig sein könne und er der Landrat sei im ganzen Kreis beliebt, nur in Oberdorla sei die Bevölkerung gespalten, und daran trage Erdmann und sein Anhang Schuld.“

Am 1. März 1939 wurde Friedrich Erdmann von der Gestapo verhaftet und 8 Tage in Erfurt in Schutzhaft genommen. Im März 1943 wurde er zu einer Geldstrafe von 100 RM verurteilt. Dagegen legte Vollrath Berufung ein, er forderte 4 Wochen Haft.

Erdmann hatte einer Polin Urlaub gegeben, damit sie ihre kranke Mutter in Polen besuchen konnte. Als sie wieder kam wurde sie zu 4 Wochen Zwangsarbeit verurteilt. In dieser Zeit nahm die Familie Erdmann das Kind der Polin auf. Zu diesen ganzen Vorgängen gibt es eine umfangreiche Dokumentation, diese ist im Besitz des Heimatvereines.

Nach dem Krieg wurde F. Erdmann von den Amerikanern als Bankdirektor der Sparkasse Mühlhausen eingesetzt. Am 14. Juni 1945 wird er von der russischen Besatzung verhaftet. Warum er verhaftet wurde war nicht bekannt, aber es ging das Gerücht um, dass er sich abfällig über die Besatzer geäussert habe, weil sein Dienstwagen konfisziert wurde. Das Antifaschistische Komitee schrieb am 28.8.1945 einen Brief an die russisch Armee mit der Bitte, um die Freilassung des F.

Erdmann, er sei schließlich ein ausgesprochener Nazigegner gewesen. Begründet wurde es mit seiner Verhaftung durch die Gestapo und den Äusserungen die der Landrat Ruhs und der NSDAP Kreisleiter Vollrath gegenüber F. Erdmann machten. Auch seine Frau Else Erdmann schicke an den Major der russischen Armee, in Langensalza, mehrere Briefe. Einen am 8. und einen am 11. Okt., mit der Wahrheitsbezeugung des Antifaschistischen Komitees, um seine Freilassung zu erwirken.

Wo er inhaftiert war ist den Angehörigen und den deutschen Beamten nicht bekannt. Heute weis man, dass er mehrere Monate in Buchenwal war. Ein weiterer Brief ging an den damaligen Landpräsidenten Dr. Paul in Weimar. In einem Schreiben vom 20.12.1945 an den Landrat Haase, bittet er um Entbindung seine Stellung als Bankdirektor der Sparkasse Mühlhausen zum 1.1.1946.

Grund war, dass sich der Aufsichtsrat der Oberdorlaer Bank gegen eine Fussion mit der Kreissparkasse ausgesprochen hat. Am 31.12.1945 wurde er als Direktor der Kreissparkasse vom Landrat entlassen. Das Gehalt als Bankdirektor der Sparkasse Mühlhausen errechnet sich wie folgt:

Gehaltsabrechnung Fr. Erdmann

für 23.4. bis 30.4.1945 = 8 Tage

536,38 * 8/30 = 143,03 RM-1,50 RM (Steuern) = 141,53 RM

Im Februar des Jahres 1946 trat er in die SED ein. Nach Sichtung alter Akten warf man ihm Meineid vor, er hatte eidesstattlich erklärt nicht Mitglied der NSDAP gewesen zu sein. Dies wurde auch von mehreren Bürgern eidesstattlich bestätigt. Dies und auch private Probleme hatten ihn gesundheitlich zugesetzt, so dass Friedrich Erdmann am 15.6.1956, hier in Oberdorla, starb.

Seine Frau verstarb am 25.2.1990. Die Ehe war, nach meinen Kenntnissen, kinderlos.

Heimat- und Trachtenverein Oberdorla

Hans. W. Schuhmann