Bei nasskaltem Novemberwetter besuchten SchülerInnen und Schüler der Klassen 9.4, 10.1 und 10.2 der Schule am Warndtwald Überherrn mit den Lehrerinnen Gabriele Coassin, Lydia Löcher, Vera Kieren-Hermsdorf und dem ehemaligen Schulleiter Christoph Schmidt das ‚Herz der Schlachtfelder von Verdun‘ mit den vielen Erinnerungsstätten an den ersten Weltkrieg (1914 bis 1918).
Gerade in der heutigen Zeit, in der Russland einen Krieg mit der Ukraine auf europäischen Boden begonnen hat, welcher fatal an den Verlauf des 1. Weltkrieges erinnert mit dem Stellungskrieg um die Stadt Verdun herum und den vielen, vielen Toten und Verletzten, wollte sich die Reisegruppe der Unmenschlichkeit von Kriegen stellen und auch der Menschen gedenken, die seit dem 7. Oktober in Israel und Palästina wieder hautnah einen Krieg erleben müssen.
Während der zweistündigen Hinfahrt mit einem Reisebus der Fa. Jochem erhielten die Schülerinnen und Schülern Informationen zu den Hintergründen und Ursachen des 1. Weltkrieges, zum Verlauf des Krieges mit dem Schwerpunkt der Kämpfe in Verdun und den politischen Folgen. Entsetzt waren die SchülerInnen als sie hörten, dass im 1. Weltkrieg 40 Staaten betroffen waren mit 1,4 Milliarden Menschen – das waren ¾ der damaligen Weltbevölkerung. In diesem Krieg starben 17 Millionen Menschen: 10 Millionen Soldaten und 7 Millionen Zivilisten. Dass auch Menschen in Überherrn von diesem Krieg betroffen waren, war auf einer Fotokarte zu sehen, die ein Mitschüler mitgebracht hatte. Sie zeigt seinen Ururgroßvater in einem Laufgraben bei Verdun. Auf der Rückseite hatte er seiner Familie in Sütterlinschrift ein paar Zeilen nach Hause geschrieben.
In Verdun angekommen besuchte die 50köpfige Gruppe das ‚Mémorial de Verdun‘, das als Museum auf Wunsch von Veteranen 1967 entstanden ist und nach dem Umbau von 2016 (100 Jahre Ende der Schlacht um Verdun) zum ersten Mal versucht, die Geschichte des 1. Weltkrieges sowohl aus französischer Sicht als auch aus deutscher Sicht gemeinsam darzustellen. Die SchülerInnen und Schüler konnten sich frei in diesem Museum bewegen, weil alle Exponate dreisprachig beschriftet waren: Französisch, Deutsch und Englisch. Die Lehrerinnen hatten sich über die verschiedenen Ebenen des Mémorial verteilt und standen immer wieder als Ansprechpartner für Erklärungen zur Verfügung.
Der Stellungskrieg rund um Verdun, in dessen Verlauf sich die Besitzverhältnisse über 17 Mal änderten, dauerte 10 Monate lang (Beginn: 21. Februar 1916) und hat über 700.000 Opfer gefordert: 305.000 Tote und Vermisste und 400.000 Verwundete mit nahezu gleichen Verlusten in beiden Armeen.
Nach dem über 1 1/2stündigen Besuch des Museums traf man sich auf der Aussichtsplattform, um einen Blick auf das ehemalige Schlachtfeld zu werfen mit seinen unendlich vielen Bombentrichtern und Schützengräben, die aber heute wieder mit Wald bewachsen sind.
Auf dem anschließenden Rundgang durch das zerstörte Dorf Fleury mit seinen heute noch sichtbaren Bombentrichtern und der Zerstörung aller Gebäude und der Vernichtung allen Lebens sahen wir die Schrecklichkeit des Krieges. Wir konnten die alten Straßen abschreiten, den Standort der alten Kirche und die mit Schildern markierten Häuser sehen, die einem Bauern, einem Bäcker, einem Metzger, einem Schmied oder einem Schuster gehört haten. Heute liegt das nicht mehr vorhandene Dorf unter einem ‚grünen Leichentuch der Natur‘ und strahlt Frieden aus.
Danach besuchten wir das Beinhaus ‚Ossuaire‘ von Douaumont, in dem die Knochenreste von 130.000 unbekannten Soldaten verschiedener Nationen aufbewahrt werden. Vom Turm des Beinhauses aus warfen wir einen Blick über die ehemaligen Schlachtfelder, auf denen heute Tausende von Bäumen wachsen, nachdem das ganze Gebiet nach dem 1. Weltkrieg bis 20 Jahre danach noch eine Wüste war. Wir blickten auf den französischen Soldatenfriedhof mit mehr als 16.000 Einzelgräbern: Unter jedem Kreuz, unter jedem Judenstern, unter jedem Halbmond ruht ein toter Soldat, der sein Leben in der Schlacht von Verdun verloren hat. In der Ferne konnte man auch das israelitische Denkmal erkennen, das den Juden gewidmet ist, die im 1. Weltkrieg ihr Leben verloren haben. Und man sah auch das muslimische Denkmal, das an den Tod der muslimischen Soldaten erinnert, die in Verdun unter französischer Flagge gefallen sind.
Der Bus fuhr uns anschließend zur Gedenkstätte ‚Tranchée des baïonnettes‘. In einem Schützengraben waren französische Soldaten während eines deutschen Artilleriebeschusses bei lebendigem Leib unter der aufgewühlten Erde begraben worden. Und noch Jahre später konnte man ihre Begräbnisstelle an den Bajonetten erkennen, die aus der Erde ragten.
Von hier aus ging es weiter zum ‚Boyau de Londres‘, einem sehr langen Schützengraben, der mit Brettern und Pfählen (heute als Nachbau) gesichert war, um die durch Bombardierung verursachten Erdrutsche zu verhindern. Wir wanderten entlang des Schützengrabens. An einer etwas breiteren Stelle hielten wir an: Einige Schülerinnen und Schüler trugen das berühmte Anti-Kriegs-Gedicht von Wolfgang Borchert vor, das er wenige Tage vor seinem Tod 1947 verfasst hatte: ‚Sag Nein‘. Schweigend verließen dann die meisten von uns das Schlachtfeld von Verdun, um uns mit dem Bus wieder auf die Heimfahrt zu machen.
Eigentlich war ja noch ein Besuch der historisch wichtigen Stadt Verdun geplant mit der ältesten Kathedrale Frankreichs, dem ‚Monument aux Morts Verdun‘ und dem ‚Monument à la victoire Verdun‘. Da aber einige Schülerinnen und Schüler um 18.00 Uhr noch ein Firm-Treffen in Überherrn hatten, konnten wir nur kurz durch die Stadt Verdun fahren und dann die Autobahn zurück nach Überherrn nehmen. Im Bus füllten die Schülerinnen und Schüler ihre Rückmeldezettel aus und man konnte nachlesen, wie beeindruckt alle waren von dem Gesehenen und Erlebten.
Alle Lehrerinnen und Schülerinnen und Schüler bedanken sich bei der Stiftung ‚Frieden lernen – Frieden schaffen‘, die diese Exkursion finanziell unterstützt hat. Ohne diese finanzielle Hilfe wäre heute vor allem wegen der hohen Buskosten kaum noch ein solcher Tagesauflug möglich.