Mit diesem Sonderheft der „Pößnecker Heimatblätter“ von Karl Ernst liegt erstmals eine geschlossene Darstellung der Ereignisse zwischen 1933 und 1945 unserer Heimatstadt vor. Der Autor versucht auf den 250 Seiten des vorliegenden Heftes, die Menschen und die Ereignisse in der Stadt in ihrer Zeit und mit ihren Erlebnissen und Handlungen zu beschreiben sowie Entwicklungen aufzuzeigen, die die nachfolgenden Generationen mit dem abstrahierenden Blick zurück in die Geschichte einzuordnen verstehen. Nach zwölf Jahren nationalsozialistischer Herrschaft waren viele klüger. Oft hatte sich in die persönlichen Erfahrungen viel Leid gemischt. Bei manchen dauerte der Erkenntnisprozess sehr lange oder blieb manchmal bis in die Gegenwart unvollendet. Schuld, Furcht und Scham breiteten viele Jahrzehnte einen Mantel des Schweigens über diese Jahre und vor allem über das Alltagsleben aus.
Der von den Nationalsozialisten erhobene Machtanspruch war total. Er umfasste alle Bereiche und erstreckte sich vor allem auf die Menschen. Von Verfolgung politischer Gegner, Verboten und Gleichschaltung, Erpressung, Drohungen und Zwang war der Beginn der Herrschaft von der ersten Stunde an geprägt. Jeder musste sich den verkündeten Regeln unterordnen, soweit er nicht Ausgrenzung und Verfolgung in Kauf nehmen wollte. Auf diese Weise wurde eine Atmosphäre der Angst, Zurückhaltung, des Schweigens und des Zurückziehens geschaffen. Doch damit allein ist nicht erklärbar, dass die Nationalsozialisten binnen kürzester Zeit eine wahrnehmbare Akzeptanz in der Bevölkerung erreichten. Die Pößnecker kamen in Massen freiwillig zu den Kundgebungen und jubelten den Rednern für ihre Propagandareden zu. Sie standen begeistert am Straßenrand und beklatschten den Vorbeimarsch der NS-Formationen. Was veränderte sich in ihrem Leben, dass immer mehr dem Propagandafeuer Glauben schenkten? Mit welchen Mechanismen gelang es, über Jahre hinweg die Bevölkerung zu manipulieren, wegzusehen, Einschränkungen hinzunehmen, mitzumachen? Es gab also noch eine zweite Seite der Machtausübung, und diese beschrieben die Propagandisten in der Zeitung mit „Das Ringen um die Seelen“. Sie forderten massenwirksam ein „Leben im Gleichschritt“ auf allen Gebieten und im Interesse der sogenannten „Volksgemeinschaft“. Es waren Maßnahmen, die das Alltagsleben betrafen und die in den Familien ankamen. Die NSDAP und der Pößnecker Stadtrat unter Führung des Bürgermeisters Hans Duphorn setzten alles daran, Pößneck zu einer nationalsozialistischen Musterstadt zu entwickeln. Die politische Arbeit „vor Ort“, Fürsorge, die Verkündung der Schaffung einer Volksgemeinschaft statt Klassenkampf sowie das immer wieder gebrauchte Argument eines „erlebbaren Sozialismus“, eines „Sozialismus der Tat“, verfehlten auch in vielen Arbeiterfamilien, die sich noch kurz vorher dem Klassenkampf verschworen fühlten, nicht ihre Wirkung. Raus aus dem Elend der Weltwirtschaftskrise! Arbeit und Brot! Keiner soll hungern oder frieren…!
In der erlebbaren Politik griffen diese beiden Seiten der nationalsozialistischen Machtausübung wie die Zähne eines Reißverschlusses ineinander.
Die umfangreichen Recherchen in den Jahrgängen der „Pößnecker Zeitung“ und in den Dokumenten des Stadt- sowie Kirchenarchivs offenbarten viele bisher weitgehend unbekannte und oftmals überraschende Fakten und stellen eine Bereicherung des konkreten Wissens über diese Zeit der Stadtgeschichte dar.
Das Sonderheft der „Pößnecker Heimatblätter“ ist in der Stadtinformation, in der Buchhandlung Müller (Krautgasse 8) und in der Buchhandlung am Markt sowie bei Foto Peterlein und dem Schuh- und Schlüsseldienst von Katrin Lösche, Malmsgelänge 2 (Gewerbegebäude Rewe), zu erwerben.
Karl Ernst