Titel Logo
Rastenberger Kurier
Ausgabe 4/2024
Stadt Rastenberg
Zurück zur vorigen Seite
Zurück zur ersten Seite der aktuellen Ausgabe

Nichtamtlicher Teil

In der Stadtratssitzung am 15. April haben wir weitreichende Beschlüsse gefasst.

Wie Sie es vielleicht schon aus der Presse erfahren haben (die sind immer schneller, als unser monatlicher Kurier), haben wir die Aufstellung eines Bebauungsplanes zur Errichtung von acht Windrädern beschlossen. Ich weiß, dass die Windräder nicht alle Bürger zum Jubeln bringen. Seit 20 Jahren haben wir einen der größten Windparks in Thüringen vor der Haustür und was viele nicht wissen: bisher hatten die Bürger so gut wie nichts davon.

Bevor ich Bürgermeisterin wurde, habe ich viele Jahre im Stadtrat mitgearbeitet und weiß daher genau, dass wir für die Windräder immer negative Stellungnahmen an die Ämter abgegeben haben. Was ist passiert? Nichts - die Windräder wurden trotzdem gebaut. Außer einer Einmalzahlung vor 20 Jahren, ist nichts für uns rausgekommen.

In den vergangenen fünf Jahren ist es uns dann gelungen, vorerst sogenannte Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen für unsere Orte zu bekommen. Für jedes gebaute Windrad muss eine bestimmte Menge an diesen Maßnahmen, welche der Verbesserung und Aufwertung der Landschaft dienen sollen, durchgeführt werden. So wurden dadurch viele Hektar Wald nach den schlimmen Windbrüchen aufgeforstet und in Roldisleben wurde das alte Löschbecken zurückgebaut und renaturiert. Weitere für uns gute Naturprojekte sind beantragt.

Seit 2023 können laut Gesetz Kommunen an den Erträgen der Windräder beteiligt werden. Gemeinden, deren Gebiet sich zumindest teilweise innerhalb eines Umkreises von 2.500 Metern um die Turmmitte der Windenergieanlage befindet, können 0,2 Cent pro Kilowattstunde für die tatsächlich eingespeiste Strommenge bekommen.

Für bereits bestehende Anlagen ist das eine freiwillige Leistung, bei der sich die Betreiber sehr schwer tun.

Es ist uns gelungen, für 14 bereits bestehende Anlagen einen solchen Vertrag auszuhandeln. Mit weiteren Anlagenbetreibern sind wir im Gespräch.

Bei neuen Windrädern und Freiflächensolaranlagen ist das ebenfalls eine Kannbestimmung, der die Betreiber aber in der Regel problemlos nachkommen.

Die Zahlungen gibt es über mehrere Jahre.

Über die Sinnhaftigkeit manch politischer Entscheidung kann man auch im Bezug auf erneuerbare Energien geteilter Meinung sein. Allerdings ändert das nichts daran, dass wir gewisse Dinge umsetzen müssen bzw. versuchen müssen, für uns wenigstens einen Nutzen daraus zu ziehen.

Das Land Thüringen hatte einen „Sachlichen Teilplan Windenergie“ für Mittelthüringen erstellt. Hierin ist auch der Windpark vor unserer Haustür enthalten.

Inhalt des Sachlichen Teilplans „Windenergie“, ist die Festlegung von Gebieten, in denen Windenergieanlagen errichtet werden können. Er soll Umweltaspekte, Schutzgüter und den aktuellen Umweltzustand berücksichtigen.

Auf diesen Plan hat man als normaler Bürger oder kleine Kommune leider sehr wenig Einfluss.

Laut Gesetz sollen die Flächen für Windenergie in den kommenden Jahren noch enorm vergrößert werden.

Der bestehende Plan ist seit November 2023 nicht mehr rechtskräftig - ein neuer ist in Arbeit und soll voraussichtlich erst 2027 beschlossen werden.

In diesem Zeitraum könnte fast jeder an jeder Stelle ein Windrad beantragen. Die Gefahr von „Wildwuchs“ ist groß. Das verunsichert viele Bürgerinnen und Bürger.

Die Firma Boreas ist bereits 2020 an uns herangetreten und möchte im Windpark zeitnah acht neue Anlagen errichten, die aufgrund des fehlenden „Sachlichen Teilplan Windenergie“ durch das Landratsamt genehmigt werden würden.

Daher haben wir beschlossen, einen Bebauungsplan für dieses Gebiet aufstellen zu lassen.

Ein Bebauungsplan ist ein von der Gemeinde erstelltes rechtliches Dokument. Es regelt im Detail, wie Grundstücke bebaut und genutzt werden dürfen.

Jetzt können wir auf diesem Weg endlich von unserem Mitbestimmungsrecht Gebrauch machen und müssen uns nichts ohne Mitsprache überstülpen lassen.

Mittels dieses Planes können wir den Mindestabstand der Windräder zur Bebauung und das Baufenster (Standort) mitbestimmen. So haben wir einen Abstand von mind. 1.250 Metern gegenüber den gesetzlich zugelassenen 1.000 Metern ausgehandelt. In der vorgesehenen Fläche befinden sich zwei städtische Grundstücke. Im Rahmen dieses Planes konnte mit Boreas verhandelt werden, dass drei Windräder auf städtischem Grund und Boden stehen werden.

Durch diese Vereinbarungen und die dazukommenden Verträge wird die Stadt und ihre Ortsteile in den kommenden 20 Jahren einen höheren 7-stelligen Betrag in die Haushaltskasse bekommen.

Viele können sich wahrscheinlich noch an den Kampf für die Eigenständigkeit unserer Orte vor 5-6 Jahren erinnern. Wir müssen uns eine gewisse Unabhängigkeit erarbeiten und dazu zählt leider hauptsächlich finanzielle Unabhängigkeit.

Die Eigenständigkeit unserer Orte ist für alle Stadträte und mich als Bürgermeisterin das höchste Gut. Das gilt es zu verteidigen und uns zukunftssicher zu machen.

Dafür muss man auch mal unbequeme Wege gehen.

Ich hoffe, ich konnte Ihnen mit diesen Ausführungen die Hintergründe der gefassten Beschlüsse etwas erläutern. Keinen Beschluss fassen wir leichtfertig. Alles wird genau betrachtet, das Für und Wider abgewogen, diskutiert, um dann letztendlich für unsere Orte etwas hoffentlich Gutes und Zukunftsweisendes zu tun.

Bei Fragen können Sie sich gern jederzeit an mich oder ein Stadtratsmitglied wenden.

Danke für Ihre Geduld beim Lesen.

Ihre Bürgermeisterin