Zum Jahresanfang haben wir Pläne gemacht, Vorsätze gefasst, Versprechen gegeben - wie Reinhard Mey. Den kennen alle, das gemeinte Lied eher nur wenige. Das stammt von der über 50 Jahre alten LP (Langspielplatte) „Aus jenem Holze gemacht“. Der Titel verweist auf das Jahr 1971: „71 ½“. Der Refrain lautet: „Einundsiebzigeinhalb / Was ist aus alldem geworden / Was ich mir am Neujahrsmorgen / Ganz fest vorgenommen hab'? - Einundsiebzigeinhalb / Wieviel hab' ich unterdessen / Von den Vorsätzen vergessen / Von Versprechen, die ich gab?“
Mit den Versprechen ist das so eine Sache. Wir sind geneigt, dabei an andere zu denken, wie Kinder gerne „Du hast es mir doch versprochen“ sagen, wenn etwas nicht so eintritt, wie sie es sich erhofft hatten. Zu einer ähnlichen Reaktion haben auch wir Erwachsene jede Menge Anlass angesichts von vielfältigen Phänomen, ob in der großen Politik oder im privaten Alltag. Was ist aus Frieden, Klimaschutz und Gerechtigkeit geworden, denen wir uns doch am Jahresanfang mit der viel beschworenen Zuversicht annähern wollten? „Ist das nicht frustrierend“, werden viele sagen. Tatsächlich können wir bezüglich der genannten Themen nicht viel mehr tun, als in unserem Umfeld friedfertig zu sein und uns um Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit zu bemühen. Verantwortlich sind wir tatsächlich nur für unser eigenes Handeln.
Deshalb mögen Sie im Rahmen einer Halbzeitbilanz vielleicht einmal auf die eigenen Vorsätze vom Jahresanfang gucken, auch wenn diese nicht ganz unabhängig von Rahmenbedingungen, die wir nicht oder kaum beeinflussen können, sein mögen. Auf jeden Fall wäre es nicht klug, sich frustrieren zu lassen und Vorwürfe zu machen, wenn nicht alles wie erhofft eingetreten ist. Insofern kann der Start in die zweite Halbzeit 2025 als Chance zur persönlichen Kurskorrektur genutzt werden. Dazu empfiehlt es sich, den Ist-Zustand zu akzeptieren und, was man selber ändern kann und was sich dem eigenen Einfluss entzieht, zu unterscheiden.
Vielleicht haben wir uns am Anfang des Jahres Ziele gesetzt, die zu allgemein, zu ambitioniert oder nicht gut durchdacht waren. Jetzt können wir mit nüchternem Blick prüfen, warum das in der ersten Halbzeit nicht geklappt hat mit dem Abnehmen, Sporttreiben, nachhaltig Leben, energetische Sparmaßnahmen Ergreifen usw. Fragen Sie sich selbst: Waren die Ziele zu unrealistisch oder zu vage formuliert? Welche äußeren Hindernisse gab es, die anfangs nicht absehbar waren, aber nun mit einzukalkulieren sind? Gab es überhaupt einen Plan zur Umsetzung oder nur eine diffuse Vorstellung? Nicht zuletzt: Sind mir die Ziele vom Jahresanfang eigentlich immer noch wichtig?
In diesem Zusammenhang kann das SMART-Konzept, das für betriebswirtschaftliche Kontexte entwickelt wurde (https://de.wikipedia.org/wiki/SMART_(Projektmanagement), aufgerufen am 22.06.2023), hilfreich sein. Nach dem SMART-Prinzip sind gute Ziele: Spezifisch (Was genau willst du erreichen?) - Messbar (Wie misst du den Erfolg?) - Attraktiv (Willst du das wirklich?) - Realistisch (Kannst du es mit deinem Alltag vereinbaren?) - Terminiert (Bis wann willst du das Ziel erreichen?) Beispiele: Sie können die diffuse Vorstellung „Ich will mehr Sport machen“ umformulieren: „Ich gehe ab jetzt jeden Montag und Donnerstag um 18 Uhr 30 Minuten joggen.“ Aus dem Plan „Ich will Strom sparen“ könnte werden: „Bis Ende September reduziere ich unseren Stromverbrauch um 10 %, indem ich alle Standby-Geräte abschalte und unsere Beleuchtung auf LED umstelle.“ Aus dem vagen Vorhaben, umweltbewusster zu konsumieren: „Wir planen ab sofort unsere Wocheneinkäufe bewusster und kochen täglich selbst mit regionalen Produkten.“ Kleine, regelmäßig durchgeführte Schritte führen eher zum Ziel als große, sporadische Aktionen.
Mit Reinhard Mey wünschen wir Ihnen „eine gute zweite Halbzeit“.