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Hauptquartier in Brüssel
Das ehemalige Auffanglager Breendonk
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Schicksale sind vielseitig und erzählen oft unglaubliche Geschichten. So wie die von Nicolas.
Er wird 1902 im russischen Petrograd, heute Sankt Petersburg, geboren. Sein Vater Wladimir ist General und Kommandeur der 2. Division der Kaiserlichen Garde. Mit der er am I. Weltkrieg teilnimmt und sich nach der Oktoberrevolution der Don-Armee anschließt. Im Januar 1920 trat er mit den Resten der Division in das 3. Armeekorps von General Slashchev ein. Am Ende des Bürgerkriegs evakuiert er mit seiner Familie von der Krim nach Konstantinopel. 1921 emigrieren sie nach Jugoslawien und 1923 weiter nach Frankreich, wo er ein Jahr später in Paris mit 63 Jahren verstirbt.
In den 30iger Jahren lebt Nicholas noch immer in Paris, hier beantragt er ein Visum, um seine Mutter Elisabeth die inzwischen in Brüssel, Belgien lebt, zu besuchen. Der Erhalt des Visums gestaltet sich schwierig, da seine Angaben von staatlicher Seite mehrfach überprüft werden und er wiederholt in der belgischen Botschaft in Paris vorstellig wird. 1935 erhält er endlich das Visum und kehrt nicht mehr nach Frankreich zurück.
Er bleibt in Brüssel und arbeitet hier als Mechaniker/Fahrer. 1940 heiratet er Jacqueline Serste mit der er in seiner Wohnung in Molenbeek, einem Bezirk von Brüssel, lebt.
Nach Einmarsch der Wehrmacht und nachfolgender Besetzung Belgiens, engagierte sich Nicolas im Widerstand, für die er von 1940 bis 1942 Pläne und Informationen organisiert. Er schafft es auch eine Anstellung im Erlawerk VI, einer deutschen Flugzeugreparaturwerft in Brüssel, zu bekommen und sabotiert dort 2 Flugzeuge.
Zu seinen Verbindungen gehörten auch britische Agenten, die in Belgien tätig waren und die er beim Transport und dem Verstecken ihres Funkgerätes unterstützte.
Ab Juni 1943 engagierte er sich massiv im Widerstand, woraufhin er auf Vorschlag der britischen Agenten als Mitglied in Gruppe „G“, zuständig für Sabotage, aufgenommen wird. Die Gruppe wurde von Jean Burgers, Deckname „Fernand Gérard“ gegründet.
Er übernimmt die Zuständigkeit für die Region Brabant und organisiert hier die Zerstörung von Schleusen und Stromverteilerbauden sowie die Entgleisung deutscher Güterzüge.
Noch im gleichen Jahr bekommt er Kontakt zu einem britischen Agenten der „Special Operations Executive“, die in Belgien den Widerstand unterstützten.
Dieser Agent besorgt Nicolas und für die Gruppe G den notwendigen Sprengstoff für Sabotageakte gegen die deutsche Besatzung.
Februar 1944, ein schwarzer Monat, da der gesamte Stab von Gruppe G durch die Gestapo festgenommen wird. Nicolas schließt sich daraufhin einer anderen Organisation an, der F.I. (Front de l'Indépendance), eine der wichtigsten Widerstandsgruppen in Belgien. Er erhält die Leitung der Einheit, die in Schaarbeek operiert.
Am 24. Mai 1944 schlägt das Schicksal erneut zu. Nicolas wird bei eine Ausweiskontrolle von der Sicherheitspolizei-Sicherheitsdienst (SiPo-SD) verhaftet. Er hat einen falschen Ausweis.
Er wird 6 Tage in deren Hauptquartier in der Avenue Louise verhört. Man wirft ihn außer dem gefälschten Ausweis auch, auf Grund eines anonymen Schreibens, den Transport von Waffen und Munition vor.
Er wird als Jude bezeichnet und man stuft ihn Kategorie „E“ ein, was bedeutet, dass es nicht sicher ist, ob er überhaupt Jude ist. Nicolas wird von Brüssel zum SS-Sammellager Dossin bei Mecheln gebracht. Das Lager diente von Juli 1942 bis September 1944 als Durchgangslager für die Deportation von Juden und Zigeunern aus Belgien in deutsche Vernichtungslager. Zwei Wochen später wird er wiederholt in der Avenue Louise verhört, wegen seines falschen Ausweises. Er bleibt bei seiner Aussage und wird für weitere drei Wochen in den Kellerzellen weggeschlossen. Ein Arzt bestätigt später das Nicolas kein Jude ist.
Nachfolgend verlegt man Nicholas nach „Fort Breendonk“, einer zu Beginn des 20. Jahrhunderts errichteten Festung bei Willebroek in Belgien. Im Ersten Weltkrieg unter Beschuss der deutschen Artillerie wird es im Westfeldzug, im Mai 1940 von der Wehrmacht erobert und dieses Fort sowie das SS-Sammellager Mecheln als einzige Durchgangslager genutzt.
Die deutsche Geheime Staatspolizei (Gestapo) richtete im September 1940 im Fort das „Auffanglager Breendonk“ ein und machte es zum Zentrum der Aktivitäten des Sicherheitsdienstes in Belgien und Nordfrankreich. Bis zur Befreiung dieser Gebiete im Herbst 1944 waren hier 3.532 Menschen inhaftiert, von denen etwa die Hälfte starb. Zahlreiche Angehörige des belgischen Widerstandes wurden von hier in deutsche Konzentrationslager deportiert.
In Breendonk wird Nicolas verhört und gefoltert. Man bringt ihn wiederholt zum Hauptquartier nach Brüssel, wo man ihn zu seiner wahren Identität und seinen Widerstandsaktivitäten verhört.
Er bleibt erneut bei seiner Aussage und kommt daraufhin in die Gendarmerie Kaserne in Etterbeek.
Am 12. Juli 1944 verlässt ein Konvoi mit Belgiern die Kaserne, deren Endziel Weimar ist. Zwei Tage später erreicht der Zug Weimar und eine Gruppe, zu der Nicolas gehört, wird ins KZ Buchenwald gebracht. Bei der Aufnahme nach ihren Berufen befragt, schickt man sie einen Tag später gleich weiter nach Kahla.
Vom Bahnhof Kahla aus gehen sie zu Fuß ins Lager Großpürschütz, hier erhält Nicolas am 21. Juli 1944 seine Belegschaftsnummer 3912 und seinen Einsatz als Lagerarbeiter.
Ende 1944 wird das Lager Großpürschütz geräumt und deren Insassen zum Lager E bei Eichenberg gebracht. Das Lager E ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht fertiggestellt. Laut Aussage von Nicolas werden stets neue Baracken errichtet, die vorher in Hermsdorf abgebaut wurden. Nicolas und einige seiner Kameraden werden aus ihn unbekannten Gründen für einen Monat im Jenaer Gefängnis untergebracht, bevor sie ins Lager E kommen. Dort arbeitet er 10 Tage lang in den Stollen im Walpersberg.
Nicolas hat Glück. Er bleibt nur bis zum 21. Dezember 1944 im Lager E. Er kommt ins Lager Rosengarten nach Kahla und arbeitet als KFZ-Mechaniker in der Autowerkstatt der „REIMAHG“, die sich an der Saale befindet.
Als Nicolas Mitte April 1945, die alliierte Artillerie hört, versteckt er sich drei Tage auf einem Dachboden. Am 14. April 1945 wird er von der amerikanischen Armee befreit.