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Amtsblatt Verwaltungsgemeinschaft "Südliches Saaletal"
Ausgabe 3/2023
Nichtamtlicher Teil
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Der Förderverein „Mahn- und Gedenkstätte Walpersberg e.V.“, Sitz Kahla, informiert:

Luftbild vom 12. August 1944, untere Bildmitte, der REIMAHG-Verladebahnhof bei Großeutersdorf

Auswertungsbericht L. 237 vom. 30. August 1944

Auswerter der Sektion B6 mit dem Stollenplan der „REIMAHG“

Aufnahme vom 15. August 1944

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„REIMAHG“ im Focus der Kamera, Teil 2

Nach dem Überflug im Dezember 1943 dauerte es genau 234 Tage bis der Walpersberg erneut ins Visier der alliierte Aufklärungseinheiten rückt. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich im Kriegsverlauf vieles verändert. Am 6. Juni 1944 landeten die Alliierten in der Normandie und rückten auf Deutschland vor, womit sie nun über Flugplätze in Frankreich verfügten. Dies ermöglichte ihnen eine intensivere und weitreichendere Luftaufklärung über Deutschland.

So flog am 12. August 1944 eine Mosquito MM300 des 106. Photo Reconnaissance Wing von Arnstadt kommend über Kahla nach Jüterbog. Nach diesem dreistündigen Flug waren bei der Fotoauswertung zu Kahla, auf Grund des dichten Wolkenfeldes, die Bauaktivitäten am Walpersberg nicht zu entdecken.

Erschwerend bei der Luftaufklärung ist die Wetterabhängigkeit. Deshalb fliegt drei Tage später wiederholt ein Mosquito-Aufklärer mit Lieutenant King und Sergeant Bowden im Cockpit, über den Walpersberg. Sie haben Glück, es ist gute Sicht und ihre Aufnahmen belegen nachfolgend eindeutig Bauaktivitäten am Walpersberg.

Die akribische Auswertung der eintreffenden Luftbilder erfolgte in Sektion B6 in Medmenham. Bereits zwei Wochen später lag den Alliierten der Kahla betreffende Auswertungsbericht L.237 vor.

Trotz intensiver Bauaktivitäten am und im Walpersberg, war im Außenbereich noch wenig zu erkennen. Auf Grund dessen ist die Auswertung dahingehend, dass man das Geschehen als „zu frühzeitig“ einstufte.

Erst im Dezember 1944 erfolgt ein weiterer Aufklärungsflug. Beim Vergleich aller Aufnahmen bestätigte sich die schon länger gehegte Vermutung der besten Bildauswerterin Constance Babington-Smith, hier entsteht ein Flugzeugwerk, Startbahn und Bunker weisen eindeutig darauf hin. Es folgen weitere Auswertungsberichte und Besprechungen. Die Alliierten wissen nun, dass es hier um eine Flugzeugproduktion geht, um welchen Typ es sich handelt ist jedoch unklar.

Es vergehen weitere drei Monate, als am 19. März 1945 eine Spitfire der RAF weitere Aufnahmen macht, die den Alliierten endgültig Gewissheit zur Produktion geben. Die Auswertung der Aufnahmen vom 19. März erfolgten wiederum durch Constance Babington-Smith, die bereits 1943 die V1 und V2 der Versuchsanstalt Peenemünde entdeckte.

Die Aufnahmen zeigen drei Me 262 am Walpersberg, zwei auf der Startbahn und eine auf der Werkstrasse vor Bunker 2, dem Endmontagebunker. Mit dieser Erkenntnis steigt die „REIMAHG“ bei den Alliierten enorm an Wichtigkeit und zählt nun zu der bereits erfolgten vorherigen Erfassung und Auswertung der gesamten Produktion von Düsenjägern im Dritten Reich, die für Operationen der alliierten Luftflotte oberste Priorität hatte.

Es folgten weitere Flüge, auch durch die amerikanische Luftwaffe. Jedoch erst mit Einnahme der „REIMAHG“ am 12. April 1945 und der darauffolgenden Inspektion und Auswertung eine Woche später durch Spezialisten der US-Luftwaffe, erkannte man die wirkliche Dimension dieses Rüstungswerkes.

Am 8. Mai, dem Kriegsende in Europe, inspizierte ein weiteres alliiertes Team (CIOS) die Anlage. Diesem Team folgten weitere, dass die besondere Bedeutung des Werkes für die Alliierten in Bezug auf Produktion und Bau, vor allem auch bergbautechnisch belegt.

Letztendlich ist es den Aufklärungspiloten der Royal Air Force und der US-Luftwaffe, sowie den Spezialisten von Luftbildauswertern in Medmenham zu danken, dass die „REIMAHG“ in den Focus der alliierten Aufklärung geriet und bis zur Besetzung im April 1945 stets neu überflogen wurde. Ihre Fotos und Auswertungsberichte helfen uns heute bei der Geschichtsaufarbeitung.