Für die Stadt Saalfeld ist 2024 ein Jahr der Jubiläen. Neben „1125 Jahre Ersterwähnung Saalfeld“ werden noch zahlreiche weitere Jubiläen in der Stadt und ihren Ortsteilen begangen und gefeiert. Man kann auch von einem Festival der Jubiläen sprechen. Diesem Festival kann der kleine Ortsteil Gösselsdorf ein weiteres Jubiläum beisteuern.
Am 1. April 1974, also vor genau 50 Jahren, wurde Gösselsdorf ein Ortsteil von Reichmannsdorf.
Grundlage dieses Anschlusses war ein Beschluss der Gösselsdorfer Gemeindevertretung vom 07.02.1974. Erster hauptamtlicher Bürgermeister der Großgemeinde wurde Fritz Paschold. Er war vorher schon ehrenamtlicher Bürgermeister von Gösselsdorf. In der DDR wurden die Bürgermeister vom Rat des Kreises ernannt und waren auch deren Angestellte. Natürlich hatte die SED Kreisleitung ein gehöriges Wörtchen dabei mitzureden. Die Ernennung des Gösselsdorfers Fritz Paschold zum Bürgermeister von Reichmannsdorf war auch der Hauptgrund dieses Zusammenschlusses.
Da auch sein Stellvertreter aus Gösselsdorf kam, war der Ortsteil im gemeinsamen Gemeinderat gut vertreten. Beide blieben bis nach der Wende 1990 im Amt. In dieser Zeit wurden sowohl in Reichmannsdorf als auch in Gösselsdorf zahlreiche Projekte verwirklicht. In Reichmannsdorf wurde z.B. das “Bergland“, eine HO Gaststätte mit Saal errichtet und der Bürgerpark gegenüber der alten Schule gestaltet. In Gösselsdorf wurde u.a. das Mehrzweckgebäude (Vereinshaus) gebaut, umgebaut und mehrfach renoviert. Die Dorfstraße von Gösselsdorf erhielt 1978 eine neue Bitumendecke. Mit neuer Bepflanzung und ständiger Pflege wurde der kleine Park in der Dorfmitte zum Schmuckstück. Ein besonderes Projekt war die Verlegung einer 3750 m langen Wasserleitung zwischen Schmiedefeld und Reichmannsdorf im Jahre 1986. Mit der sogenannten „Nordtangende“ wurde Reichmannsdorf an die Gruppenwasserversorgung der Talsperre Scheibe-Alsbach angeschlossen. Die Inbetriebnahme feierte man in der Gösselsdorfer Gaststätte „Zur guten Quelle“. Als Ehrengäste waren Erich Wagner, 1. Sekretär der Kreisleitung der SED Neuhaus und Erich Müller, Vorsitzender des Rates des Kreises Neuhaus dabei. Mit einer Notwasserleitung zwischen Reichmannsdorf und den Quellen von Gösselsdorf wurde 1986 auch die Wasserversorgung im OT stabilisiert.
Alle Projekte wurden durch die Bürger oder mit Hilfe der Bürger beider Ortsteile im NAW (Nationales Aufbauwerk) realisiert. Für die aktive Teilnahme der Einwohner Gösselsdorfs an der Gestaltung ihres Ortsteiles zeugen die regelmäßigen Auszeichnungen als „Bereich der vorbildlichen Ordnung, Disziplin und Sicherheit“.
Zwischen den Einwohner beiden Ortsteilen entwickelte sich ein gutes und freundschaftliches Verhältnis. Es wurde gemeinsam gearbeitet, gefeiert und gegeneinander Fußball gespielt. Besonders zwischen den beiden freiwilligen Feuerwehren entstand eine kameradschaftliche Zusammenarbeit.
Man führte gemeinsame Übungen durch, organisierte gemeinsam Wettkämpfe und die Jahreshauptversammlungen wurden zusammen durchgeführt. Der Mannschafswagen der FF Reich-mannsdorf stand auch den Kameraden der FF Gösselsdorf zur Verfügung.
Mit Bernd Weißbrot wählten die Einwohner Reichmannsdorfs mit dem OT Gösselsdorf ihren ersten Bürgermeister nach der Wende 1990. Im neuen Gemeinderat waren auch 3 Bürger aus dem OT Gösselsdorf vertreten. 1994 kam es zur ersten Gebietsreform. Der Kreis Neuhaus wurde aufgelöst und Reichmannsdorf musste sich einer Verwaltungsgemeinschaft (VG) anschließen. Bei einer Volksbefragung konnten die Einwohner von Reichmannsdorf und Gösselsdorf zwischen der VG Saalfelder Höhe und der VG Lichte-Schmiedefeld-Piesau wählen. Über 70 % entschieden sich für Zweitere.
Auch nach 1990 blieb das Verhältnis zwischen den Bürgern, den Feuerwehren und Vereinen beider OT freundschaftlich und kameradschaftlich. Die Gösselsdorfer waren mit großer Truppe auf der Reichmannsdorfer Kirmes und viele Reichmannsdorfer waren Gäste beim Gösselsdorfer Backhausfest. Bei der Verschönerung und Pflege ihres OT engagierten sich weiterhin zahlreiche Einwohner Gösselsdorfs. Besonderes aktiv waren die Kameradinnen und Kameraden der Freiwilligen Feuerwehr und die Mitglieder im Feuerwehrverein e.V. Mit Unterstützung der Gemeinde wurde z.B. das Feuerwehrhaus vergrößert, das Vereinshaus saniert und ein Spielplatz errichtet. Im September 1997 erhielt die FF Gösselsdorf ein Kleinlöschfahrzeug Thüringen. Von 2006 bis 2010 war der OT Gösselsdorf in der Dorferneuerung. Dadurch konnten das Backhaus und der Dorfteich saniert werden.
Trotz alledem bildete sich 2009 eine Initiative zum Wechsel des OT Gösselsdorf zur Stadt Gräfenthal. Mit 77 Einwohnern hatte sich eine deutliche Mehrheit für einen Wechsel ausgesprochen. Allerdings regte sich auch Widerstand. Bei einer offiziellen schriftlichen Anhörung stimmten noch 55 Gösselsdorfer für den Wechsel nach Gräfenthal, 40 waren dagegen und 13 stimmten nicht mit ab. Letztendlich blieb Gösselsdorf ein OT von Reichmannsdorf. Das gute Miteinander der vergangenen Jahre war allerdings zerstört.
2011 wurde im OT Gösselsdorf erstmals ein Ortsteilbürgermeister*in gewählt. Bei der geheimen Stichwahl am 6. März 2011 gewann Konstanze Knopel mit 34 Stimmen. Im Rahmen einer Bürgerversammlung im Juli 2011 wurde von den 24 anwesenden Wahlberechtigten auch ein Ortsteilrat gewählt.
Die Gemeindevertretung von Reichmannsdorf, in der nur noch ein Gösselsdorfer vertreten war, beschloss 2018 die Eingliederung der Gemeinde einschl. dem OT Gösselsdorf zur Stadt Saalfeld. Die Bevölkerung wurde dieses Mal nicht gefragt, von ihr aber auch nicht eingefordert.
Seit dem 1. Januar 2019 ist Reichmannsdorf ein OT der Stadt Saalfeld und Gösselsdorf ein OT vom OT. Die Bürgermeisterin von Reichmannsdorf wurde Ortsteilbürgermeisterin für beide OT. Der Ortsteilrat von Gösselsdorf wurde aufgelöst und ein Ortsteilkümmerer ernannt.
Zum Abschluss kann man sagen, dass große Teile der Bevölkerung beider OT mit dieser Lösung zufrieden sind. Was die Zukunft bringt, wird sich zeigen.
Helmut Liebmann, Heimatpfleger