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Amtsblatt des Saale-Orla-Kreises
Ausgabe 13/2023
Nichtamtlicher Teil
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Thomas Fügmann im Interview: Rückblick auf zwölf Jahre als Landrat des Saale-Orla-Kreises

Rückblick auf zwölf Jahre als Landrat des Saale-Orla-Kreises

Herr Fügmann, wenn Sie es in einem Satz zusammenfassen müssten: Was zeichnet den Saale-Orla-Kreis besonders aus?

Der Saale-Orla-Kreis ist aufgrund seiner Prägung durch die Saale und die Orla allein geografisch ein sehr interessanter Landkreis, der von einer Bevölkerung bewohnt wird, die sehr bodenständig ist und das Thema Heimat nicht nur im Herzen trägt, sondern auch tagtäglich mit Leben füllt.

Mehr als ein Jahrzehnt konnten Sie die Entwicklung des Landkreises maßgeblich mitbestimmen. Welches Ereignis war in Ihrer zwölfjährigen Amtszeit besonders einprägsam?

Da gäbe es mehrere Dinge. Aber wenn ich mich festlegen müsste, würde ich das Hochwasser 2013 nennen. Es gab die Prognose, dass Ziegenrück überflutet werden würde, worauf wir uns mit Hochdruck vorbereitet haben. Es wurden Sandsäcke in Größenordnungen ausgelegt und Evakuierungspläne ausgearbeitet, um den Uferbereich von Ziegenrück komplett zu evakuieren. Die Menschen sollten in die Turnhalle nach Knau gebracht werden.

Am Ende ist die Saale haarscharf nicht über die Ufer getreten. Es ist ein Ereignis, das mir, aber auch sicherlich vielen Verantwortlichen und Rettungskräften noch lange in Erinnerung bleiben wird.

Worauf sind Sie im Rückblick auf Ihre Amtszeit besonders stolz?

Da möchte ich drei Dinge nennen, für die ein Landrat auch wirklich zuständig ist: Zunächst einmal den schulischen Bereich. Hier ist in den zwölf Jahren viel geschehen. Unter anderem haben wir alle vier Gymnasien generalsaniert und das Schulzentrum in Bad Lobenstein etabliert. Insgesamt war es Investitionsprogramm in Höhe von rund 50 Millionen Euro und das ist eine Größenordnung, die sich wirklich sehen lassen kann.

Stolz macht es mich auch, dass es uns mit kontinuierlichen Anschaffungen gelungen ist, die Feuerwehren mit der nötigen Technik auszurüsten. Die Aufgaben der freiwilligen Feuerwehrkräfte werden immer umfangreicher und wir leisten mit der Ausstattung unseren Beitrag dazu, dass sie den aktuellen Herausforderungen stets gerecht werden können.

Besonders stolz bin ich zudem auf das Ehrenamt - die wichtige Rolle, die es im Saale-Orla-Kreis einnimmt, aber auch darauf mit wie viel Herzblut es ausgefüllt wird. Ich bin dankbar, dass es hier so viele ehrenamtlich Tätige gibt, die einen großen Beitrag zum gesellschaftlichen Leben leisten. Dieses großartige Engagement wurde nicht zuletzt durch den Landkreis immer wieder gewürdigt.

Und was hätte besser laufen können?

Dass ein nennenswertes Vorhaben komplett schiefging, habe ich erfreulicherweise in meiner Amtszeit nicht erlebt. Trotzdem gibt es natürlich auch Dinge, die hätten besser laufen können.

Um ein Beispiel zu nennen: Im Bereich der Tourismus-Entwicklung wurde auch aus dem Landratsamt heraus viel Zeit und Mühe investiert. Mit der Kommunalen Arbeitsgemeinschaft und dem Zweckverband zum Thüringer Meer haben wir gemeinsam mit Saalfeld-Rudolstadt Vieles angeschoben. Die Arbeitsstrukturen stehen und es ist auch viel erreicht worden. Aber trotzdem hätte ich mir noch mehr greifbare Ergebnisse gewünscht.

Im kommenden Jahr feiert der Saale-Orla-Kreis sein 30. Jubiläum. Der Zusammenschluss der damaligen Kreise Lobenstein, Pößneck und Schleiz war nicht unbedingt eine Liebesheirat. Ist der Saale-Orla-Kreis aus Ihrer Sicht inzwischen richtig zusammengewachsen?

Der Saale-Orla-Kreis ist mit seinen einheitlichen Strukturen schon weitgehend zusammengewachsen. Beispiele sind die eine Kreissparkasse, der eine Kreisfeuerwehrverband, der eine Kreissportbund oder die eine evangelische Kreissynode. Trotzdem ticken die Menschen im Oberland und der Orlasenke zum Teil verschieden und das will ich auch nicht wegdiskutieren.

Ich stelle immer wieder fest, dass beispielsweise Menschen aus Titschendorf noch nie in Rosendorf waren und umgekehrt. Das hängt einfach mit der Größe des Landkreises zusammen und man sollte das auch nicht negativ sehen. Der Saale-Orla-Kreis ist der drittgrößte Flächenlandkreis Thüringens und da muss man einfach akzeptieren, dass es unterschiedliche Menschenschläge gibt. Aber die Menschen können gut miteinander und das sollte man in den Vordergrund stellen.

Bei seiner Gründung 1994 lebten noch mehr als 100.000 Menschen im Landkreis, inzwischen sind es weniger als 80.000. Bleibt der Saale-Orla-Kreis trotz sinkender Bevölkerungszahl ein dauerhaftes Zuhause für die Menschen in der Region oder ist früher oder später mit neuen Kreiszuschnitten zu rechnen?

Ich war und bin ein strikter Gegner einer neuen Kreisgebietsreform. Ein Landrat muss sein Territorium und die Menschen, die darin leben, überschauen können. Ebenso muss die Kreisverwaltung Sachkenntnis vor Ort haben und die Menschen kennen.

In Bayern gibt es noch kleinere Landkreise als in Thüringen und kein Mensch denkt dort an eine Kreisgebietsreform. Ein Landkreis ist Heimat und damit ein identitätsstiftendes Merkmal. Wenn die Bindung zur Region aufgrund der Größe verloren ginge, wäre das schädlich.

Deswegen glaube ich, dass der Saale-Orla-Kreis auch bei geringerer Bevölkerungszahl eine klare Perspektive hat und hoffe, dass wir auch noch das 50-jährige und das 60-jährige Bestehen feiern können.

Die Strukturen können also dem Bevölkerungsrückgang standhalten?

Wir müssen uns aufgrund der zurückgehenden Einwohnerzahl klarmachen, dass wir den Zuzug ausländischer Fachkräfte brauchen werden. Ohne sie wird es uns nicht gelingen, unseren Lebensstandard zu halten. Alles andere wäre Augenwischerei. Wir werden sie willkommen heißen müssen, damit sie gemeinsam mit uns unseren Landkreis weiter gestalten können. Das ist nicht zuletzt eine Tatsache, die mir bei den Besuchen in den Unternehmen des Landkreises immer wieder unmissverständlich verdeutlicht wurde.

Deutschland und damit auch die Menschen im Saale-Orla-Kreis sind momentan mit vielen gesellschaftlichen Herausforderungen konfrontiert. Was sind aus Ihrer Sicht die größten Aufgaben, die tatsächlich in der Macht eines Landrates des Saale-Orla-Kreises stehen?

Dazu muss ich deutlich sagen, dass mir der derzeitige Wahlkampf missfällt, da zahlreiche Themen gesetzt werden, die nicht in der Zuständigkeit des Landkreises liegen. Man sollte sich wirklich auf die Dinge konzentrieren, die in der Verantwortung eines Landrates liegen und das sind neben der Hauptaufgabe als Leiter einer Behörde durchweg regionale Themen. Das ist Schule, das ist Verkehrsinfrastruktur, das ist medizinische Versorgung, die man über die Verantwortung im Rettungsdienst mit abdecken muss. Das sind die Themen, die der zukünftige Landrat hoffentlich besonders beackert.

Natürlich darf man als politischer Mensch auch eine Meinung zu Themen haben, die das Land oder den Bund betreffen, aber in erster Linie hat ein Landrat die Aufgaben vor Ort zu erfüllen und das kommt mir im bisherigen Wahlkampf einfach zu kurz.

In politischen Debatten ist häufig vom Bürokratiemonster bzw. der Forderung nach Bürokratieabbau die Rede. Wie lautet Ihre Einschätzung als langjähriger Behördenleiter? Nimmt die Bürokratie wirklich immer mehr zu?

Insgesamt - und da kann ich eine über 30-jährige Erfahrung einbringen - hat die Bürokratie wirklich zugenommen. Nehmen wir nur ein Beispiel: Wenn man früher einen Fördermittelantrag gestellt hat, hatte der in der Regel einen Umfang von zwei, drei Seiten. Heute sind es zehn bis 15 Seiten. Das bringt einen enormen Aufwand mit sich. Aber ich habe Verständnis dafür, dass es dafür auch Gründe gibt: Öffentliche Gelder sollen zielsicher verwendet werden und deswegen muss man auch kritisch hinterfragen.

Trotzdem hoffe ich, dass wir die Bürokratie wieder etwas zurückbauen können; einfach damit die Verwaltung wieder schneller und effektiver arbeiten kann. Die Digitalisierung kann hierbei einen großen Beitrag leisten, sie ist aber insbesondere für ältere Menschen auch eine große Herausforderung.

Erlauben Sie uns zum bevorstehenden Ende Ihrer Amtszeit ein paar persönliche Einblicke: Seit der Wende und damit ihr halbes Leben sind Sie nun schon politisch aktiv, insbesondere auf Kreisebene. Gönnen Sie sich ab Februar einen Rückzug ins Privatleben oder wollen Sie sich auch weiterhin gesellschaftlich engagieren?

Es stimmt. Ich war 20 Jahre Fraktionsvorsitzender der CDU im Kreistag, danach zwölf Jahre Landrat. Wenn man so will, war ich also immer an vorderster Front, wenn es um kreispolitische Entscheidungen ging. Wenn ich in den Ruhestand gehe, werde ich mich aber nicht komplett zurückziehen. Ich bleibe Mitglied in verschieden Vereinen und werde im Frühsommer auch für den Kreistag kandidieren. Sollte man mir das Vertrauen schenken, möchte ich meine Erfahrung weiterhin einbringen - allerdings nicht mehr in der ersten Reihe.

Wenn man mit dem Leistungssport aufhört, sollte man vernünftig abtrainieren und so ähnlich möchte ich das mit meinem gesellschaftlichen Engagement tun. Ich werde mich aber nicht aufdrängen.

Im Vorfeld der Landratswahl 2012 wurde Ihnen nachgesagt, dass Sie trotz der Landrats-Kandidatur eigentlich lieber die Position als Leiter des damals neuen Schulamtes Ostthüringen angetreten hätten. Ist da etwas dran?

Dazu muss man die Vorgeschichte kennen: Ich bin ja nicht nur 2012 als Landratskandidat angetreten, sondern auch 2000. Damals war ich tief enttäuscht, dass ich die Wahl nicht gewonnen habe und habe mir eigentlich geschworen, nicht noch einmal für ein solches Amt zu kandidieren. Vor der Wahl 2012 gab es dann aber aus meiner Partei heraus den Wunsch, dass ich noch einmal antrete und dem bin dann auch ich mit voller Überzeugung nachgekommen.

Ich war aber auch wirklich sehr gerne Leiter des staatlichen Schulamtes, weil es eine Zeit war, in der man noch viel gestalten konnte. Wir haben Schulentwicklungsprogramme erarbeitet und hatten immer genügend Lehrkräfte, so dass eine inhaltliche Arbeit an den Schulen in vielerlei Hinsicht gefördert werden konnte. Heute ist es so, dass das Schulamt mit Lehrermangel zu kämpfen hat und den Schulbetrieb irgendwie aufrechterhalten muss. Das ist eine ganz andere Situation.

Ich habe sehr gerne das Schulamt geleitet, die Aufgabe als Landrat war aber noch ein wenig reizvoller.

Die letzten Jahre waren insbesondere während der Hochphase der Corona-Pandemie von einer großen gesellschaftlichen Polarisierung geprägt, zum Teil auch mit persönlichen Anfeindungen. Gab es da manchmal Tage, an denen Sie sich gewünscht hätten, dass Sie 2018 nicht zur Wiederwahl angetreten wären?

Eindeutig nein. Ich habe mich gefreut, dass ich 2018 mit einem souveränen Wahlergebnis das große Vertrauen der Bevölkerung erhielt und das habe ich als klaren Auftrag gesehen.

Corona konnte niemand vorhersehen und es war eine riesige Herausforderung. Ich denke, dass wir trotz all der Kritik Vieles richtig gemacht haben. Man muss wissen, dass es auch viele Vorgaben von oben - insbesondere vom Robert-Koch-Institut - gab, bei denen wir nur wenig Mitspracherecht hatten. Trotzdem haben wir immer versucht, die regionalen Besonderheiten bestmöglich zu berücksichtigen.

Dass leider ein großer Teil der Bevölkerung wenig Verständnis für die Entscheidungen aufbrachte, kann ich zwar ein Stück weit nachvollziehen, aber wenn man sich allein die Zahl von mehr als 400 Corona-Todesfällen anschaut, waren die Vorsichtsmaßnahmen, die wir getroffen haben, mit dem damaligen Wissen richtig. Im Nachhinein ist man immer schlauer. Das Thema Schulschließung sehe ich heute beispielsweise auch völlig anders, aber es war eine Entscheidung, die zentral angewiesen wurde und damit auch im Saale-Orla-Kreis umzusetzen war.

Aktuell bewerben sich vier Personen um Ihre Nachfolge. Gibt es einen Rat, den Sie Ihrer Nachfolgerin bzw. Ihrem Nachfolger mit auf den Weg geben möchten?

Da möchte ich auf die Kernaufgabe eines Landrates zurückkommen und die ist, Leiter einer recht großen Behörde zu sein. Ich kann nur raten, auf das Knowhow der Mitarbeitenden des Hauses zu vertrauen. Der Landrat kann zwar grundsätzliche Entscheidungen treffen, aber die tägliche Arbeit wird durch die Belegschaft geleistet.

Wir haben ein gutes und kompetentes Team und ich hoffe, dass die neue Landrätin bzw. der neue Landrat das auch zu würdigen weiß und die anstehenden Aufgaben gemeinsam mit den Mitarbeitenden löst.

Eine abschließende Frage: Der 8. Februar 2024 ist Ihr letzter Arbeitstag als Landrat. Haben Sie schon Pläne für den 9. Februar?

Konkrete Pläne habe ich noch nicht. Aber egal wer meine Nachfolge antritt: Ich werde eine ordentliche Amtsübergabe durchführen - entweder am 8. oder am 9. Februar. Ich habe ein großes Interesse, dass es mit der Arbeit nahtlos weitergehen kann.

Danach werde ich sicherlich das eine oder andere, was privat liegen geblieben ist, in Angriff nehmen.

Interviewführung und Foto: Pressestelle Landratsamt