Die Thüringer Fernwasserversorgung, Haarbergstraße 37, 99097 Erfurt, plant den Rückbau der Talsperre Noßbach und die Herstellung eines naturnahen Fließgewässers. Mit Schreiben vom 05.07.2017 beantragte Rechtsanwalt Bruno Walter, Dalbergsweg 1, 99084 Erfurt, im Auftrag der Thüringer Fernwasserversorgung, das Planfeststellungsverfahren nach § 68 Abs. 1 Wasserhaushaltsgesetz (WHG) vom 31. Juli 2009 (BGBl. I S. 2585), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 4. Januar 2023 (BGBl. 2023 I Nr. 5) geändert worden ist, i.V.m. §§ 72 ff. Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. Januar 2003 (BGBl. I S. 102), das zuletzt durch Artikel 24 Absatz 3 des Gesetzes vom 25. Juni 2021 (BGBl. I S. 2154) geändert worden ist.
Bei der geplanten Maßnahme handelt es sich gemäß § 67 Abs. 2 WHG, um einen Gewässerausbau, für den nach Anlage 1 Nr. 13.18.2 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG), in der Fassung der Bekanntmachung vom 18. März 2021 (BGBl. I S. 540), das zuletzt durch Artikel 4 des Gesetzes vom 4. Januar 2023 (BGBl. 2023 I Nr. 6) geändert worden ist, die standortbezogene Vorprüfung des Einzelfalls vorgesehen ist.
Gemäß § 5 Abs. 2 UVPG wird bekannt gegeben:
Aufgrund der standortbezogenen Vorprüfung des Einzelfalls gemäß § 7 Abs. 2 UVPG, unter Berücksichtigung der Kriterien gemäß Anlage 3 zum UVPG, wird festgestellt, dass das geplante Vorhaben keine erheblichen nachteiligen Umweltauswirkungen haben kann und somit keine Verpflichtung zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung besteht. Nach Prüfung der Kriterien der Anlage 3 zum UVPG ergibt sich dies im Wesentlichen ausfolgenden Gründen:
Gemäß § 7 Abs. 2 UVPG führt die zuständige Behörde eine standortbezogene Vorprüfung zur Feststellung der UVP-Pflicht bei einem Neuvorhaben, das in Anlage 1 Spalte 2 (UVPG) mit dem Buchstaben „S“ gekennzeichnet ist, durch. Die standortbezogene Vorprüfung wird als überschlägige Prüfung in zwei Stufen durchgeführt. In der ersten Stufe prüft die zuständige Behörde, ob bei dem Neuvorhaben besondere örtliche Gegebenheiten gemäß den in Anlage 3 Nummer 2.3 aufgeführten Schutzkriterien vorliegen. Dies sind: Standort der Vorhaben, Belastbarkeit der Schutzgüter unter besonderer Berücksichtigung folgender Gebiete und von Art und Umfang des ihnen jeweils zugewiesenen Schutzes (Schutzkriterien):
| • | Natura 2000-Gebiete nach § 7 Absatz 1 Nummer 8 des Bundesnaturschutzgesetzes, |
| • | Naturschutzgebiete nach § 23 des Bundesnaturschutzgesetzes, soweit nicht bereits von Nummer 2.3.1 erfasst, |
| • | Nationalparke und Nationale Naturmonumente nach § 24 des Bundesnaturschutzgesetzes, soweit nicht bereits von Nummer 2.3.1 erfasst, |
| • | Biosphärenreservate und Landschaftsschutzgebiete gemäß den §§ 25 und 26 des Bundesnaturschutzgesetzes, |
| • | Naturdenkmäler nach § 28 des Bundesnaturschutzgesetzes, |
| • | geschützte Landschaftsbestandteile, einschließlich Alleen, nach § 29 des Bundesnaturschutzgesetzes, |
| • | gesetzlich geschützte Biotope nach § 30 des Bundesnaturschutzgesetzes, |
| • | Wasserschutzgebiete nach § 51 des Wasserhaushaltsgesetzes, Heilquellenschutzgebiete nach § 53 Absatz 4 des Wasserhaushaltsgesetzes, Risikogebiete nach § 73 Absatz 1 des Wasserhaushaltsgesetzes sowie Überschwemmungsgebiete nach § 76 des Wasserhaushaltsgesetzes, |
| • | Gebiete, in denen die in Vorschriften der Europäischen Union festgelegten Umweltqualitätsnormen bereits überschritten sind, |
| • | Gebiete mit hoher Bevölkerungsdichte, insbesondere Zentrale Orte im Sinne des § 2 Absatz 2 Nummer 2 des Raumordnungsgesetzes, |
| • | in amtlichen Listen oder Karten verzeichnete Denkmäler, Denkmalensembles, Bodendenkmäler oder Gebiete, die von der durch die Länder bestimmten Denkmalschutzbehörde als archäologisch bedeutende Landschaften eingestuft worden sind. |
Demnach liegen für den Standort der Talsperre gesetzlich geschützte Biotope nach § 30 BNatSchG vor. Ergibt die Prüfung in der ersten Stufe, dass besondere örtliche Gegebenheiten vorliegen, so prüft die Behörde auf der zweiten Stufe unter Berücksichtigung der in Anlage 3 aufgeführten Kriterien, ob das Neuvorhaben erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen haben kann, die die besondere Empfindlichkeit oder die Schutzziele des Gebietes betreffen und nach § 25 Absatz 2 bei der Zulassungsentscheidung zu berücksichtigen wären. Die UVP-Pflicht besteht, wenn das Neuvorhaben nach Einschätzung der zuständigen Behörde solche Umweltauswirkungen haben kann. Die nachteiligen Umweltauswirkungen und die besondere Empfindlichkeit gesetzlich geschützte Biotope nach § 30 BNatSchG wurde durch die Untere Naturschutzbehörde (UNB) geprüft. Handlungen, die zu einer Zerstörung oder einer sonstigen erheblichen Beeinträchtigung bestimmter, in § 30 Abs. 2 BNatSchG genannter Biotope führen können, sind verboten.
Bei dem geplanten Rückbau der Talsperre Noßbach handelt es sich um einen Eingriff, in dessen Ergebnis ein Zustand geschaffen wird, der hinsichtlich Natur- und Landschaft wesentlich naturnäher ist als der derzeitige Zustand. Grundlage des Landschaftspflegerischen Begleitplanes sind im Wesentlichen die Untersuchungsergebnisse aus der Umweltverträglichkeitsuntersuchung welche aus dem Jahre 2015 und noch vorher datiert und erhoben wurden. Nach aktuell vorliegenden Erkenntnissen der UNB kann festgestellt werden, dass trotz der mittlerweile verflossenen Zeit von ca. 7 Jahren, der aktuelle Zustand hinsichtlich der Art- und Biotopausstattung nur geringfügiger Änderung unterworfen war. Die floristische Ausstattung des Untersuchungsgebietes hat sich in Richtung kommuner Arten verschoben und ehemals hier vorgefundene wertgebende Arten konnten im Jahr 2020 (Geländeerfassung der selektiven Biotopkartierung) nicht mehr erfasst werden. Dies betrifft zum Beispiel die Arten Steife Segge (Carex elata) sowie Gewöhnlicher Froschlöffel (Alisma plantago aquatica).
Auch faunistisch ist die Talsperre Noßbach gegenüber dem ehemals höher angestauten Zustand deutlich verarmt, so dass ehemals wertgebende Arten im derzeitigen Zustand nicht mehr beobachtet werden können. Das landschaftspflegerisches Leitziel der Maßnahme kann im Rahmen der Umsetzung des Landschaftspflegerischen Begleitplanes mit dem hier beschriebenen Ausgleich- und Ersatzmaßnahmen durchaus eine positive naturschutzfachliche Wirkung haben. Letzte intensive Untersuchungen belegen im verbliebenen Noßbachstau und des Ober- und Unterliegenden Fließgewässers kein Vorkommen des Edelkrebses (Asatacus astacus) mehr, sondern eine geringe Dichte reproduzierender Amerikanischer Flußkrebse (Orconectes limosus). Vermutlich wurde der Edelkrebs nun endgültig von dem „Kamberkrebs“ aus diesem Gewässersystem verdrängt. Auch von den besonders geschützten Muschelarten Anodonta cygnea und Anodonta anatina können nur noch Leerschalen nachgewiesen werden.
Der nach wie vor vorhandene Konflikt des bauzeitlichen Zerstörens eines geschützten Biotopes, Seggen- und Röhrichtbestandes, welches sich im Verlauf der letzten 7 Jahre zu einem etwas ausgedehnteren Seggenried mit Schilf und Breitblättrigen Rohrkolben im Bereich des Ehemaligen Teichbodens etabliert hat, besteht nach wie vor. Mit der vorgesehenen Maßnahme A 4 (Wiederanlage von Seggen- und Röhrichtbeständen) ist jedoch ein vollumfänglicher Ausgleich zu erwarten. Rohrkolbenröhrichte sind jedoch grundsätzlich „bedingt regenerierbar“, das heißt deren Regeneration ist in kurzen bis mittleren Zeiträumen wahrscheinlich, insbesondere, wenn wie im Maßnahme Blatt A 4 die vorgesehenen Initialpflanzungen und Verpflanzungen fachgerecht umgesetzt werden.
Jedoch ist festzustellen, dass sich der Eingriffsumfang dieses Konfliktes durch die Dauer der Umsetzung flächig auf das Zehnfache Vergrößert hat, so dass sich auch die durchzuführende Maßnahme mit dem Entwicklungsziel Großröhricht und Großseggenried am naturnahen Bach wesentlich erhöhen muss. Es ist somit erforderlich, nicht wie ursprünglich im Maßnahme Plan 56 m², sondern mindestens 200 m² Initialpflanzung vorzusehen und ca. 4.000 m² Sukzessionsfläche für die Entwicklung des Lebensraumes Seggenried, im Zuge der Realisierung der Maßnahme, umzusetzen.
Bis auf die beschriebene Änderung der Maßnahme A 4 sowie der teilweise Wegfall der Maßnahme S 4 (versetzen vorhandener Edelkrebse) sind die im vorliegenden LPB (Stand 2016) vorgesehenen Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege als genehmigungsfähig zu bewerten.
Durch zahlreiche Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen sowie Schutzmaßnahmen wird der Eingriff in die Natur (Flora/Fauna) ausgeglichen. es ist mit keinen dauerhaften negativen Auswirkungen auf die Natur durch den Rückbau der Talsperre zu rechnen.
Die Umsetzung der geplanten Maßnahmen führt zur Schaffung eines naturnahen, ökologisch durchgängigen Fließgewässerabschnittes des Noßbachs. Mit dem Gewässerausbau sind u.a. räumlich begrenzte Eingriffe in den Gewässerverlauf des Noßbachs verbunden. Negative Auswirkungen auf das Abflussverhalten und somit das Schutzgut Mensch im unterstromigen Bereich des Kaulsbaches sind durch 3 Maßnahmen auszugleichen. Eine bauzeitliche Beeinträchtigung kann nicht vollkommen ausgeschlossen werden. Die mögliche Beeinträchtigung des Schutzgut Gewässer und Mensch wird durch Kompensations-, Vorsorge- und Schutzmaßnahmen minimiert. Vermeidungs- und Minderungsmaßnahmen vermeiden, bzw. minimieren die Auswirkungsschwere auf das Schutzgut Boden.
Auf das Schutzgut Klima/Luft und Landwirtschaftsbild gibt es nur bei der Baustelle, Baustelleneinrichtung und Baustraßen Auswirkungen, hierfür sind Aufgrund der Geringfügigkeit keine Vermeidungs- und Minderungsmaßnahmen erforderlich. Kultur- und Sachgüter werden nicht beeinträchtigt.
Nach § 7 Abs. 1 UVPG besteht keine UVP-Pflicht, da keine erheblichen nachteiligen Umweltauswirkungen zu erwarten sind.
Es wird darauf hingewiesen, dass diese Entscheidung gemäß § 5 Abs. 3 UVPG nicht selbstständig anfechtbar ist. Die Entscheidungsgründe sind der Öffentlichkeit nach den Bestimmungen des Thüringer Umweltinformationsgesetzes (ThürUIG) vom 10. Oktober 2006 (GVBl. S. 513), zuletzt geändert durch Gesetz vom 28. Juni 2017 (GVBl. S. 158), im Landratsamt Saale-Orla-Kreis, Fachdienst Umwelt, Oschitzer Straße 4 in 07907 Schleiz, zugänglich.
Schleiz, den 05.04.2023
Im Auftrag
H. Günther
Fachdienstleiter Umwelt