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Wadgasser Rundschau
Ausgabe 30/2023
Sonstige amtliche Mitteilungen
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Liebe Garten- und Naturfreunde,

Während wir uns in der vergangenen Woche mit der Schaffung von natürlichen Lebensräumen für unsere heimische Kleintierwelt befasst haben, dringen wir heute unter dem Motto „Wie sinnvoll ist die Vogelfütterung in den Sommermonaten?“ tiefer in diese Materie ein.

Im Winter ist die Vogelfütterung allgemein gängige und akzeptierte Praxis, aber um die Fütterung von Vögeln zur Brutzeit und im Sommer gibt es große Meinungsunterschiede und sogar heiße Diskussionen.

Zugegebenermaßen kann ein zusätzliches Futterangebot im Sommer die Nahrungsversorgung der Vogeleltern erleichtern. Zudem können sie die u. U. vorhandene Knappheit an Insektenbeute (bedingt durch Einsatz von Giftstoffen und „naturfernen“ Gärten) dann vor allem an ihre Jungen verfüttern. Die Gefahr besteht allerdings darin, dass auch in den ersten Lebenswochen der frisch geschlüpften Jungtiere statt der erforderlichen frischen proteinreichen Insekten das „übliche“ Vogelfutter von den Alttieren angeboten wird. Das hat zur Folge, dass diese Jungvögel, an den für sie zu großen Erdnuss-Bruchstücken oder ganzen Sonnenblumenkernen, ersticken. Nachweislich haben in vielen Fällen auch diese größeren Samen, wie oben benannte Sonnenblumenkerne oder die Nussbruchstücke, zu tödlichen Magen- und Darmverschlüssen bei Jungvögeln geführt. Fettreiches Futter ist für die kleinen Vögelchen ebenfalls völlig ungeeignet, denn es ist für sie viel zu schwer zu verdauen.

Ein bei der Sommerfütterung erhöhtes Risiko für Vögel besteht auch in der Verbreitung von ansteckenden Krankheiten. Denn Vogelkrankheiten werden besonders dort übertragen, wo viele Vögel aufeinandertreffen, ganz besonders an Futterstellen sowie an Trink- und Badeschalen. Während im Winter an den Futterstellen nur wenige Krankheiten wie Salmonellen oder Vogelpocken übertragen werden, kommen in der wärmeren Jahreszeit noch deutlich mehrere hinzu: das Bakterium Suttonella ornithocola, das 2020 zu einem ersten großen Blaumeisensterben geführt hatte oder die Trichomoniasis, die seit 2009 auffällige Grünfinkensterben auslöst und wohl hauptsächlich für den rasanten Bestandsrückgang dieser Art verantwortlich ist. Bei unseren Amseln war und ist es das Usutu-Virus, dem viel zu Viele dieser wunderbaren Sänger bislang zum Opfer fielen. Und mit dem West-Nil-Virus werden wir uns vermutlich auch auseinandersetzten müssen. Dieses WNV kommt mittlerweile weltweit auf allen Kontinenten vor. In Europa wurden vor allem aus süd- und südosteuropäischen Ländern Infektionen bei Mensch, Pferd und Vogel gemeldet. Hauptsächlich wird dieses Virus von Stechmücken zwischen wildlebenden Vögeln übertragen. An Vögeln infizierte Mücken können das Virus aber auch auf Menschen und andere Säugetiere (v.a. Pferde) übertragen. Die sommerliche Hitze fördert nachweislich die Verbreitung der Erreger. Sowohl beim NABU, beim BUND und anderen Tier- und Umweltschutzorganisationen gehen jeden Sommer regelmäßig Meldungen zu erkrankten oder toten Vögeln ein. Zum großen Teil sind dafür die oben aufgeführten Erreger verantwortlich. Vogelfreunde sind aufgerufen, infizierte Tiere zu melden! Leider ist es so, dass gegen die in den meisten Fällen tödlichen Krankheiten auch Hygienemaßnahmen wenig helfen. Stellen Sie daher eventuelle Sommerfütterungen sofort bis zum nächsten Winter ein, sollten Sie kranke oder tote Vögel vorfinden.

Und noch etwas: Leider zeigen auch neuere Studien von Ornithologen vermehrt, dass fettreiches Futter im Winter und Frühjahr die Fruchtbarkeit von Vögeln reduziert. Das bedeutet, der Anteil tauber Eier steigt, so dass deutlich weniger Vogelküken schlüpfen. Dieser Umstand wird vielfach durch sommerliche Zufütterung und eine eventuell damit verbundene höhere Überlebensrate der reduzierten Jungtiere, nicht ausgeglichen.

Helfen Sie ohne zu schaden, indem Sie unseren geliebten, gefiederten Freunden geeignete Nistplätze, Verstecke und natürliche Nahrungsquellen zur Verfügung stellen. Denn damit bieten SIE gleichzeitig einer Vielzahl von anderen Arten wie Insekten, Würmern, Igeln, Eichhörnchen und Co. einen artgerechten, vielfältigen und „liebenswerten“ Lebensraum, den keine Futterspender ersetzen können!

Ihre Heidemarie Traut