Wenn auch im Laufe der letzten Jahre und Jahrzehnte in den meisten Dörfern das Halten von Vieh zur Nahrungsgewinnung weggefallen ist, so ist aber auch der Brauch um das Schlachtfest verloren gegangen. Wer kennt ihn nicht den Geruch von Gewürzen, Knoblauch und Zwiebeln die am Vorabend des Schlachtfestes bereitgestellt wurden. Oder wenn am Schlachttag aus dem Kessel der Dampf beim Fleischkochen stieg und der Klang der Messer, wenn das Fleisch auf dem Hackbrett zerteilt wurde. Geht man heute durch unser Dorf, findet man kaum noch einen Haushalt der die Hausschlachtung noch wie damals betreibt. Betrachtet man den Arbeitsaufwand um die Hausschlachtung und die vielen neuen Vorschriften die es gilt einzuhalten, weiß man auch warum das alte Schlachtfest allmählich ausstirbt.
Schon Tage vorher begann man mit der Vorbereitung, mit dem Reinigen der benötigten Geräte, Trögen, Gläsern und vieles mehr. Auch nach dem eigentlichen Schlachtfest gab es noch reichlich Arbeit. Einkochen, die Geräte wieder reinigen und vieles mehr. Um es auf einen Nenner zu bringen. Ein ehemaliger Schulkollege beantwortet seinem Sohn die Frage warum bei ihm nicht mehr geschlachtet wird mit den Worten „weil meine Mutter schon verstorben ist“. Er bezeichnet damit, dass die meiste Arbeit an der Hausfrau hängen blieb und niemand mehr diese vielen Aufgaben übernehmen möchte.
Ein Höhepunkt an den ich mich gern erinnere war der Moment, als man die frisch geräucherte Wurst aus der Räucherkammer holte und auf dem Heimweg schon mal probierte. Ganze Bücher könnte man über die Bräuche beim Schlachtfest füllen.
Weit über die Grenzen unseres Thüringer Heimatlandes hinaus sind unsere verschiedenen Wurstwaren zu einem kulinarischen Begriff geworden, nicht zuletzt durch unsere Rostwurst. In unserem Dorf waren in Spitzenzeiten (1956) 11 Hausschlachter unterwegs, die in den Herbst und Wintermonaten 585 Schweine, 2 Rinder, 44 Kälber und 31 Schafe verarbeiteten (änderte sich jährlich nach Angebot und Nachfrage).
Bei allen Arbeiten und Bräuchen ging es nicht immer tierisch ernst zu. Leider ist heute schon viel verloren gegangen. Wir können zwar unseren Kindern und Enkelkindern vom Schlachtfest erzählen, aber wir werden wohl die vergangenen Zeiten und Bräuche nicht wieder neu beleben können.
Quelle: Zeitungen, Bücher, Berichte und Gemeindeprotokolle
Thüringer Sitten und Bräuche im Jahreslauf ...
— Ende
Helmut Groß