Es ist überaus bemerkenswert, dass sich die junge Französisch-Lektorin Karine Moeglin (1970-2011) an der Fachhochschule Schmalkalden zur Mitte der 1990er Jahre für die Geschichte der jüdischen Gemeinde der Stadt zu interessieren begann und dann von diesem Thema nicht mehr lassen konnte. Ihre jahrelangen akribischen Recherchen mündeten in eine umfangreiche Dissertation, die sie 2003 an der „École Pratique des Hautes Études“ zu Paris erfolgreich verteidigte.
Seither bestand der Wunsch, die Ausführungen auch einem deutschen Forscher- und Leserpublikum zugänglich zu machen. Dank eines Sponsors konnte 2014 eine deutsche Übersetzung angefertigt werden, die auf einer noch von der Autorin überarbeiteten digitalen Fassung ihrer Doktorarbeit fußt. Und während die französische Ausgabe bereits 2012 und posthum in Paris veröffentlicht wurde, konnte die deutsche Übersetzung erst 2022 in Buchform erscheinen, nachdem die Stiftung Meininger Kliniken beim Landratsamt Schmalkalden-Meiningen einen namhaften Betrag zur Verfügung gestellt hatte.
Beides konnte die allzu früh verstorbene Verfasserin jedoch nicht mehr erleben. Ute Simon, die Leiterin des Stadt- und Kreisarchivs Schmalkalden, hat die Drucklegung redaktionell begleitet, wobei auch einige wenige Angaben zu aktualisieren waren, die nicht mehr dem heutigen Forschungsstand entsprachen.
In ihrer Darstellung schlägt Moeglin den Bogen von der napoleonischen Zeit, als Schmalkalden Teil des Werra-Departements im Königreich Westphalen und die jüdische Minderheit der christlichen Mehrheitsbevölkerung rechtlich gleichgestellt war, über Ausgrenzung und Vernichtung bis zur Nachkriegszeit in der DDR und danach im wiedervereinigten Deutschland mit Wiedergutmachung und Erinnerungskultur. Dabei konnten Zeitzeugen wie z. Bsp. Kurt Pappenheim (1927-2018) oder Dr. Werner Holland-Cunz (1928-2020) noch wiederholt wichtige Hinweise und Anstöße liefern. Die außergewöhnliche Arbeit sollte das Verständnis für die Bedeutung und Traditionen jüdischen Lebens im südthüringischen Raum schärfen. Sie wird abgerundet durch ein umfangreiches Quellen- und Literaturverzeichnis, das weitgehend im französischen Original belassen wurde.
Im Mai diesen Jahres fand in der Tourist-Information Schmalkalden vor einem Kreis von sehr interessierten Zuhörern, darunter auch der Vorsitzende der Jüdischen Landesgemeinde Thüringen, Prof. Dr. Reinhard Schramm, die Präsentation des Buches: Karine Moeglin: Die jüdische Gemeinde Schmalkalden zwischen Existenz und Nichtexistenz in der Zeit von 1812 - 2000“ statt. Das Buch ist im Buchhandel, in der Tourist-Information sowie im Stadt- und Kreisarchiv Schmalkalden erhältlich.
Karine Moeglin: Die jüdische Gemeinde Schmalkalden zwischen Existenz und Nichtexistenz in der Zeit von 1812 - 2000.
Erster bis dritter Teil, aus dem Französischen von Angela Leinung, hrsg. vom Zweckverband Kultur Landkreis Schmalkalden-Meiningen sowie Stadt- und Kreisarchiv Schmalkalden, Schmalkalden 2022 (ISBN 978-3-00-074549-2), 496 S., 25 Abb., geb., € 25,00 (= Schriftenreihe des Stadt- und Kreisarchivs Schmalkalden, Band 2).
Autor des Beitrags: York-Egbert König