Die Energie-Info-Ecke des Arbeitskreises ENERGIE widmet sich als monatliche Serie im Amtsblatt des Landkreises voll und ganz dem Thema „Energie“. In dieser Ausgabe erklärt der Arbeitskreis ENERGIE die Bedeutung von Nachhaltigkeit, die entscheidenden Kriterien für nachhaltiges Bauen und Sanieren und warum man damit nicht nur Ressourcen und Umwelt schont, sondern auch nachhaltig Kosten spart.
Gewusst? Rund 132 Liter Wasser werden benötigt, um das Lieblingsgetränk der Deutschen - eine Tasse Kaffee - genießen zu können. Der Wasserfußabdruck einer Tasse Kaffee (errechnet nach Prof. Arjen Y. Hoekstra) setzt sich u.a. zusammen aus dem Wasserbedarf der Pflanze, Verbräuche in den Produktionsketten, Reinigung und Veredlung, Transport, Verbräuche der Helfer auf der Plantage usw. Dabei fällt der Großteil der Wasserverbräuche in den Herstellungsländern an.
Lassen Sie uns die Prozesse der Nachhaltigkeit etwas fachlich beleuchten. Erstmals wurde der Begriff Nachhaltigkeit im 17. Jahrhundert vom sächsischen Oberberghauptmann Hans Carl von Carlowitz in der Forstwirtschaft geprägt. Die Bedeutung lag darin, dem Wald nicht mehr Holz zu entnehmen, als nachwächst.
Im 20. Jahrhundert wurde der Begriff 1987 im Brundtland-Bericht als eine Entwicklung beschrieben, welche die Lebensqualität der gegenwärtigen Generation sichert und gleichzeitig zukünftigen Generationen die Wahlmöglichkeit zur Gestaltung ihres Lebens bieten soll.
In der Folgezeit erkannten immer mehr Menschen, dass es globale Herausforderungen gibt, die uns alle weltweit betreffen. Zum Beispiel Umweltprobleme, geprägt durch Klimawandel, begrenzten Ressourcen, Waldsterben, Rückgang der Artenvielfalt oder Problemfelder im sozialen Bereich (z.B. Hunger, Armut, Bildung, Gesundheit) oder im ökonomischen Bereich (z.B. Wirtschaftskrisen, Sozialsysteme, Schere zwischen Arm und Reich), die es gilt alle samt gemeinsam zu lösen.
In Deutschland entwickelte die „Deutsche Gesellschaft für nachhaltiges Bauen“ (DGNB) in den letzten 15 Jahren, ein weltweit anerkanntes „Drei-Säulen-Modell“: „Soziales I Ökologie I Wirtschaft“, wobei alle drei Bereiche mit gleichwertiger Rücksichtnahme bewertet werden. Das ist weltweit einzigartig und ganzheitlich vielschichtig.
Im Folgenden wollen wir von einigen entscheidenden Kriterien zum nachhaltigen Bauen und Sanieren von Gebäuden berichten.
| 1. | Gebäudekosten im Lebenszyklus |
| Gebäude benötigen Materialien, die hergestellt werden müssen. Mit der Herstellung und Verarbeitung der Materialien entstehen Herstellungs-, Nutzungs-, und Verwertungskosten. In allen drei Bereichen werden schädigende Treibhausgase in unsere Atmosphäre ausgestoßen. | |
| Die größte nachgewiesene Treibhausgaseinsparung bewirkt man, indem energieeffizient gebaut wird und indem man Materialen auswählt, die eine lange Lebenserwartung haben. Damit senkt man nicht nur das Treibhausgaspotential, sondern auch entscheidend die Kosten im gesamten Lebenszyklus des Gebäudes von der „Wiege bis zur Bahre“ und steigert gleichzeitig den Marktwert der Immobilie. | |
| 2. | Ökobilanz |
| Die Ökobilanz beschreibt, welchen Einfluss Produkte (Haus) und Dienstleistungen (Beratungen und Planungen) von der „Wiege bis zur Bahre“ in einem eingrenzbaren System für unsere Umwelt haben. Großen Einfluss haben dabei z.B. der Austauschzyklus und die Nutzungsdauer von Baumaterialien, die Verbindungen der Materialien und die Rückführung der Materialien in einen Stoffkreislauf oder die Erzeugung von regenerativen Energien während der Nutzung (z.B. PV-Anlage). | |
| 3. | Flexibilität Umnutzungsfähigkeit |
| Die Lebenserwartung von massiven Wohngebäuden wird heute in der Regel mit ca. 100 Jahren angenommen. | |
| In der Zwischenzeit sind die Kinder erwachsen geworden und der Konsum um die Ecke hat einen Internetauftritt. | |
| Demzufolge müssen Gebäude flexibel nutzbar sein. Größten Einfluss hat dabei der Rohbau eines Gebäudes. Er verbraucht ca. 40% der Gesamtbaumaterialien und Energie. Demzufolge sollte er wiederverwendbar sein. | |
| 4. | Innenraumluftqualität |
| Luft ist für uns lebenswichtig und selbstverständlich. Warum also der Luft nicht auch beim Bauen etwas mehr Aufmerksamkeit schenken, die doch so großen Einfluss auf unser Wohlbefinden und unsere Gesundheit hat. | |
| Die Qualität der Innenraumluft kann man entscheidend erhöhen, indem emissionsfreie Bauprodukte gewählt werden und der Luftaustausch im Raum erhöht wird, am besten mit Wärmerückgewinnung. | |
| Übrigens vergibt die DGNB (Deutsche Gesellschaft für nachhaltiges Bauen) kein Zertifikat, wenn die Innenraumluftqualität die anerkannten Kriterien nicht erfüllt, auch wenn alles andere zu 100% vorbildlich erfüllt wurde. | |
| 5. | Markfähigkeit |
| Marktfähig ist, wenn die Immobilie Markteigenschaften besitzt, die den gesellschaftlichen Ansprüchen auf lange Sicht gerecht werden, z.B. nachhaltig gebaut ist, wenig Energie in der Nutzung verbraucht, Stoffkreisläufe bewerkstelligt, Mehrfachnutzungen erlaubt und Nutzerakzeptanz erfährt. | |
| 6. | Risiken für die lokale Umwelt |
| Jede Bauleistung hat Einfluss auf unsere Umwelt. Deshalb ist es wichtig, umweltverträgliche und langlebige Materialien zu überlegen. | |
| 7. | Thermischer Komfort |
| Thermischer Komfort im Winter und im Sommer führt zur menschlichen Zufriedenheit. Zugerscheinungen, kalte Innenwand- oder Innenfensteroberflächen oder im Sommer zu viel Strahlungsenergie von der Sonne führen zur menschlichen Unzufriedenheit. | |
| 8. | Visueller Komfort |
| Gleichsam - wie beim thermischen Komfort - verhält es sich auch mit der ausreichenden und störungsfreien Versorgung mit Tages- oder Kunstlicht. Der visuelle Komfort wird durch die Fenstergrößen und optimierte Kunstlichtversorgung entscheidend beeinflusst. | |
| 9. | Barrierefreiheit |
| Die Barrierefreiheit ist - genauso wie die Innenraumluftqualität - ein „KO-Kriterium“ in der Zertifizierung für nachhaltige Gebäude nach DGNB. Die öffentlich gebaute Umwelt muss jedem Menschen, unabhängig von persönlichen Situationen, zugänglich sein. Hinzu kommt, dass wir Menschen mit zunehmendem Alter mit diversen Einschränkungen konfrontiert werden können. | |
| 10. | Qualität der Gebäudehülle |
| Eine energetisch und nachhaltig optimierte Gebäudehülle minimiert den Energiebedarf über die gesamte Nutzungsdauer der Immobilie und schont Ressourcen entscheidend. | |
| Die vorgenannten 10 Qualitäten bewirken in ihrer Bedeutung 70% Nachhaltigkeit beim Bauen. Weitere 27 Qualitäten sind für eine notwendige Zertifizierung nach DGNB notwendig. |
Nachhaltigkeit ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe unserer Zeit. Für jeden Menschen sind Gesundheit und Zufriedenheit wichtig. Nachhaltigkeit spart Kosten, schützt unser Klima und berücksichtigt soziale Aspekte gleichrangig. Die Lebensqualität der gegenwärtigen Generation wird gesichert und gleichzeitig zukünftigen Generationen die Wahlmöglichkeit zur Gestaltung ihres Lebens gegeben. Die Bauwirtschaft kann heute ausnahmslos alle Nachhaltigkeitskriterien im Neubau als auch in Modernisierungen problemlos erfüllen. Übrigens hält sich der Mensch in Deutschland durchschnittlich 90% in Gebäuden auf.
Geringinvestive Tipps zur Energieeinsparung
Fragen an den Autor?
Fragen zu dieser Ausgabe können donnerstags zwischen 16-18 Uhr an den Autor gestellt werden:
Martin Davignon Architekt + Energieberater + DGNB Consultant, Mitglied im Arbeitskreis ENERGIE
Tel. Nr. 036840-233820, E-Mail: m.davignon@rongen-architekten-davignon.de
Themenvorschläge erwünscht:
Zu richten an Harry Ellenberger, Landratsamt Schmalkalden-Meiningen, Mail: h.ellenberger@lra-sm.de; Fon: 03693/ 485 83 95.