Titel Logo
Amtsblatt des Landkreises Schmalkalden-Meiningen
Ausgabe 2/2024
Nichtamtlicher Teil
Zurück zur vorigen Seite
Zurück zur ersten Seite der aktuellen Ausgabe

Informationen

Vorher-Nachher-Vergleich: Sanierungssprint Modellbaustelle Hamburg 2023 / © Bauingenieur Ronald Meyer

Energetische Bausanierung durch das Prinzip „Serielles Sanieren” - Teil 2

Die Energie-Info-Ecke des Arbeitskreises ENERGIE widmet sich als monatliche Serie im Amtsblatt des Landkreises voll und ganz dem Thema „Energie“. In dieser Ausgabe beschäftigt sich der Arbeitskreis ENERGIE mit dem Thema Energetische Bausanierung durch das Prinzip „Serielles Sanieren“ insbesondere für Ein- und Zweifamilienhäuser.

Im ersten Artikel zum „Seriellen Sanieren“ (Amtsblatt, Ausgabe September 2023) wurde das Sanierungsprinzip „Energiesprong“ (dena-Projekttitel) mit vorgefertigten Bauelementen beschrieben. Durch den hohen Grad an Vorfertigung ist der Aufwand zur Montage sehr gering und in wenigen Tagen ausgeführt. Diese Ausführung erhält im Bundesförderprogramm BEG derzeit eine Bonus-Förderung von 15 Prozent der förderfähigen Kosten.

Das zweite serielle Sanierungsprinzip „Sanierungssprint“ soll nun hier vorgestellt werden. Dieses ist insbesondere für Ein- und Zweifamilienhäuser lohnend, denn durch optimierte Bauprozesse und gemeinsamen Materialkauf sinken die Kosten wesentlich und machen die Sanierung von Wohnbestand im Vergleich zum Neubau interessant.

Es eignet sich auch für Mehrgeschosswohnhäuser und innerstädtische Fachwerksubstanz - jedoch sollten hier jeweils spezialisierte Planungs- und Bauteams entwickelt werden, da alle Bautypen ihre konstruktiven Besonderheiten aufweisen.

Im „Sanierungssprint“ zielen die Planungen und Bauleistungen auf eine umfassende Sanierung von Gebäudehülle, sowie der Anlagentechnik und Installationen von meist massiven Eigenheimen aus Mauerwerk in Wohnsiedlungen der 1930er bis 1980er Jahre, meist in Thüringen und Sachsen, Reihen- oder Typenhäuser der 50er bis 70er Jahre, wie EW58, EW65 B/D, EW71 A o.ä. Dabei erfolgt eine Kernsanierung mehrerer Eigenheime hintereinander durch handwerklich kooperierende Kolonnen in einer Siedlung, oder ähnlichen Siedlungen einer Gemeinde. Die Abläufe wiederholen bzw. ähneln sich Haus für Haus, Rüstzeiten verkürzen und Einkaufsvorteile ergeben sich. Die Akteure sind meist handwerkliche Genossenschaften oder Kooperationen - oft mit Unterstützung von Baufinanzierern oder Regionalbanken - oft auch der Regionalversorger, der Baustoff- und Fachhändler sowie auch der neue kommunale Klimaschutzmanager.

In der Sanierungsplanung erfolgt meist ein komplettes digitales Aufmaß, eine Abstimmung zu den Zielen und Umfängen sowie eine digitale Sanierungsplanung mit Bauablaufplänen für die Gewerke. Ziel ist meist in Siedlungen ohne Wärmenetz, die Eigenheime nach ein bzw. zwei Generationen der Nutzung auf neue Nutzer räumlich zuzuschneiden, evtl. auch durch Aufstockungen oder Anbauten, sowie energetisch für die Beheizung durch eine Wärmepumpe zu ertüchtigen. Dabei lassen sich viele andere Lösungen umsetzen, welche mit einer nur bauteilbezogenen Sanierung oder „Energiesprong“ (siehe Teil 1) nicht umzusetzen wären, wie altersgerechter Umbau, Erweiterung mit Wintergarten, Erneuerung von Wasser/Abwasser, Einbringen von Leitungsinstallationen für Flächenheizung oder Klima-Splitgeräten, für mehr Steckdosenkreise, Datennetz, Audio/Video, Gebäudesicherheit oder Smarthome-Lösungen. Der bauliche Umfang kann aber auch bei intakten Installationen nur den einfachen Wärmeschutz für Fassade und Fenster sowie Decken und Dächer enthalten.

Der Sanierungssprint soll Eigenheimbesitzern und -erwerbern

-

die Last der Sanierungsplanung und -umsetzung abnehmen bzw. koordinieren

-

die Sanierung zeitlich in wenigen Wochen leisten und bezahlbar machen

-

dazu Ausstattungsoptionen ermöglichen (z.B. PV-Eigenstrom, Wallbox/Stromspeicher)

-

für die Folgejahre einen kostengünstigen Betrieb sicherstellen.

Erforderlich ist, das Eigenheim für vier bis sechs Wochen leer zu ziehen.

Es werden in einer Gemeinde oder Siedlungsgebiet mehrere ähnliche „Sanierungsbaustellen“ gebündelt, die in Umfang und Ausstattung (Optionen) abweichen können, jedoch konstruktiv einen Gebäudetyp betreffen, wie Mauerwerk, Fachwerk oder Fertigteilbau. Die Baustellen werden vorgeplant und im Ablauf optimiert, dann hintereinander („seriell“) ausgeführt. Dadurch reduzieren sich Rüstzeiten und Kosten. Die Materialbeschaffung kann im Block erfolgen, wodurch weitere Kostenvorteile entstehen. Bevorzugt werden ökologische Baustoffe.

Zentrale Ansprechpartner und Kümmerer sind:

  • ein Planungs- und Bauleiter mit Projektverantwortung auch für die Bauverträge und die Einbindung von evtl. Förderprogrammen sowie deren Dokumentation,
  • ein „SanierungsCoach“ als täglicher Kümmerer vor Ort mit speziellen Erfahrungen in der Koordination von Handwerksgewerken, energetischer Bewertung und dem Einsatz von digitalen Werkzeugen.

Die Handwerkskooperation stellt die erforderlichen Handwerker, Bauhelfer und Dienstleister zentral aus einer Hand. Eigenleistungen sind begrenzt möglich und zu vereinbaren.

Wie läuft die Sanierung ab?

Nach dem digitalen Aufmaß und der Planung von Arbeitsumfang und Leistungen erfolgen am ersten und zweiten Tag durch eine Abbruchfirma Demontage bzw. Rückbau alter Anbauten, Dächer, Fassaden, Fenster, Treppen, Installationen, Heizungen wie Kessel und Öltanks sowie Anlagen.

Bei Montage und Installationen sind zwei Kolonnen der Handwerksgewerke tätig. Getrennt nach Außen- und Innenbereich erfolgen die Rohbauarbeiten, wie Anpassungen, Durchbrüche, Treppen, dann die Montagen der Installateure. Täglich bereitet eine Helfermannschaft die Arbeiten der Fachhandwerker vor: Material in erforderlicher Menge (z.B. Sparren, Leitungen, Heizkörper) werden an das Gerüst oder die Räume gebracht, abends erfolgt eine Grundreinigung. So arbeiten die Fachhandwerker effizient vor Ort.

Der Zeitvorteil und somit Kostenvorteil hat sich mit mind. 20 Prozent der Handwerker-Einsatzzeit erwiesen. Die Handwerker müssen nicht einzelbeauftragt werden, teils wochenlange Wartezeiten entfallen. Tag für Tag bzw. blockweise rücken die Fachhandwerker eine Baustelle „seriell“ weiter, so dass sich die Sanierungszeit pro Objekt auf wenige Wochen verkürzt. Nachbarn und Betroffene im Umfeld werden minimal beeinträchtigt, wenn diese vorab informiert und berücksichtigt werden, z.B. bei Handwerker-Stellplätzen, Zufahrten, erforderlichen Ruhezeiten.

Es entsteht ein Effizienzhaus, energetisch nahe dem Neubaustandard mit niedrigen Heizwärmelasten und somit Heizkosten, tauglich für wiederum ein bis zwei Generationen. Die Wärmeversorgung erfolgt durch Anschluss an ein Wärmenetz, wenn vorhanden, sonst meist jedoch durch Wärmepumpe, wenn sinnvoll auch mit Erdwärmequelle.

Was kostet die Sanierung nach Sanierungssprint?

Da eine Kernsanierung erfolgt, ist der Umbau im Betrieb nur mit Leerzug, somit auch mit Einschränkungen und Belastungen leist-bar. Der Umfang der Sanierung liegt typisch bei 180.000 bis 300.000 Euro pro Eigenheim, je nach Umfang der Sanierung und Ausstattungsoptionen wie PV-Eigenstromanlage, Stromspeicher und eMobile-Ladebox. Die Kosten können örtlich auch abweichen. In jedem Fall ist dieser Weg günstiger als ein vergleichbarer Neubau, meist an attraktiven, zentralen Siedlungslagen.

Wer leistet die serielle Sanierung?

Speziell für den Sanierungssprint organisieren sich Kooperationen unter dem Dach einer Genossenschaft bzw. GmbH aus Baufachplanern und Handwerkern der erforderlichen Gewerke. Die Betriebe stellen eine oder zwei Teams nach Bedarf in das Sanierungsprojekt, arbeiten aber auch weiter ihre individuellen Kundenaufträge ab.

Durch hohe Energie- und Kosteneinsparungen nach der Sanierung bleibt dem Bauherrn Luft zur Kredittilgung in den Folgejahren. Dies und auch die Nachhaltigkeit der eingesetzten Kredite schätzen Regionalbanken oder Bausparkassen mehr und mehr. Ein weiterer Gegenwert ist die hohe Qualitätssicherung durch erprobtes System mit Dokumentation, somit mit geringen Schadensrisiken gegenüber Einzelsanierung. Dies reduziert auch das Bauherrenrisiko. Die Nutzung von BEG-Förderung ist möglich.

Modellprojekte und erste Projektteams in den Regionen:

In mehreren Modellprojekten hat Architekt Ronald Meyer aus Leipzig, Vorstand des Bundesverbandes Gebäudemodernisierung (BVGeM.de) mit Begleitung des Unternetznetzwerkes DENEFF e.V., der Uni Stuttgart, des Institutes ifeu Heidelberg, von Landes-Energieagenturen, Handwerks- und Fachverbänden den Aufbau der Kooperationen sowie Sanierungsprojekte initiiert und begleitet. So in Landau/Pfalz 05/2022 (Sanierung in 16 Tagen), Hamburg-Duvenstedt 10/2023 (Doppelhaushälfte in 22 Tagen) oder aktuell in Leipzig.

Einen Überblick ausgewählter Modellprojekte ist online zu finden unter:

https://bauingenieur-meyer.de/referenzen/projekte/

https://www.geb-info.de/wohnungsbau/sanierungssprint-22-werktagen-modernisiert

Weitere Informationen erhalten Sie zur Kreis-Energie-Konferenz am 16. März 2024.

Den Programmablauf, die Themen und das Anmeldeformular finden Sie unter: https://www.lra-sm.de/?page_id=32360 oder anfordern bei: h.ellenberger@lra-sm.de

Vorschau:

In der März-Ausgabe dreht sich alles um das Thema „Beim Surfen und Fernsehen Strom und Geld sparen“.

Fragen an den Autor?

Fragen zu dieser Ausgabe können gestellt werden an:

Michael Bickel, Thüringer Energie- und Greentech-Agentur,

E-Mail: michael.bickel@thega.de.

Themenvorschläge erwünscht:

Themenvorschläge werden gern entgegengenommen und sind zu richten an Harry Ellenberger, Landratsamt Schmalkalden-Meiningen, E-Mail: h.ellenberger@lra-sm.de; Tel.: 03693/4858395.

Bisherige Beiträge:

Alle Beiträge der ENERGIE-INFO-ECKE sind zum Nachlesen oder Download abrufbar unter: https://www.lra-sm.de/?page_id=42458