Titel Logo
Amtsblatt des Landkreises Schmalkalden-Meiningen
Ausgabe 7/2023
Nichtamtlicher Teil
Zurück zur vorigen Seite
Zurück zur ersten Seite der aktuellen Ausgabe

Alterstraumazentrum im Elisabeth Klinikum als Leuchtturmprojekt für Südthüringen

Die in der Zentralen Notaufnahme speziell eingerichteten Behandlungszimmer der sogenannten Senior Unit sollen für ältere Traumapatienten ein vertrautes und beruhigendes  Umfeld schaffen. Über die Fertigstellung freuten sich besonders die Chefärztin der Notaufnahme und Geriaterin Dr. Alexandra Finn (links) und Schwester Katrin Ewert. Constanze Wohlfahrt (Mitte), Sebastian Luge (IT) und Heiko Schlehahn (Technik) aus dem Projektteam unterstützen Senioren von der Notaufnahme bis zur Entlassung nach Hause.

Bereits seit vergangenem Jahr praktizieren Geriater, Chirurgen und Orthopäden im Schmalkalder Krankenhaus gemeinsam eine erfolgreiche seniorengerechte und schonende Versorgung von Sturzpatienten. Die Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) zertifizierte das Zentrum und bescheinigt dem Elisabeth Klinikum Schmalkalden damit höchste medizinische Qualität mit Vorbildcharakter.

Das Konzept ist einleuchtend einfach und doch sucht es in Südthüringen seines Gleichen: die Akutversorgung und Anschlusstherapie von älteren Menschen in ein und demselben Haus, ohne Umverlegungen oder gar größere Standortwechsel während der stationären Genesungszeit. In Schmalkalden haben Geschäftsführung, Ärztinnen und Ärzte sowie Fachpflegekräfte schon vor mehr als einem Jahr das geschafft, was man in der Alterstraumatologie als Optimum bezeichnet, vergleichbare Voraussetzungen findet man erst in der Landeshauptstadt Erfurt wieder. Zumeist über die Zentrale Notaufnahme werden ältere Patienten, die zuvor ein sogenanntes Trauma erlitten haben, im kommunalen Haus aufgenommen. Oft ist ein Sturz vorangegangen, aber auch ein Autounfall, Stichverletzungen, Verbrennungen oder Vergiftungen können Ursache für einen notwendigen längeren Krankenhausaufenthalt sein. Von diesem Moment an bis zur Entlassung betreut ein eingespieltes und gleichbleibend vertrautes Team von Unfallchirurgen, Orthopäden, Geriatern, speziell ausgebildeten Pflegefachkräften, Ergo -und Physiotherapeuten den betagten Patienten. Im Hinblick auf die Alterstraumatologie ist dies von besonderer Bedeutung. Sowohl im bewusst wohnlich eingerichteten Behandlungsraum der Notaufnahme, der Senior Unit, als auch auf der eigens errichteten Station innerhalb der Chirurgischen Fachklinik liegt der Fokus auf einer altersgerechten und ganzheitlichen Versorgung. „Diese geht weit über die reine Berücksichtigung der altersbedingt verschlechterten Knochenstruktur hinaus“, so Dr. Andreas Luther, Chefarzt der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie des Elisabeth Klinikums.

Milieuwechsel vermeiden

Vor allem versuchen die Mediziner und Pflegekräfte sogenannte Milieuwechsel für die Patientinnen und Patienten zu vermeiden. Häufig wechselnde Ansprechpartner, sich ändernde Räume oder Tagesabläufe erhöhen für die angeschlagenen Senioren die Gefahr eines Delirs, dessen Symptome sich oftmals als Desorientierung, veränderten Schlaf-Wach-Rhytmen, Gedächtnis- und Aufmerksamkeitsstörungen oder Angstzustände zeigen. Dr. Alexandra Finn, Chefärztin der Zentralen Notaufnahme und Geriaterin, erklärt: „Die Regelverweildauer der Patienten, die wir in unserem Alterstraumazentrum (ATZ) behandeln, liegt bei 15 Tagen. In diesem Zeitraum fokussieren wir uns zunächst primär auf die unfallchirurgische und orthopädische Versorgung.“ Dabei entscheidend sei eine Reihe von Bausteinen, die die Verunfallten schnell wieder hin zu ihrer gewohnten Häuslichkeit führen soll. „Insbesondere die Frakturversorgung nach einem Sturz sollte optimalerweise eine unmittelbar postoperative Belastung ermöglichen“, so Dr. Alexandra Finn. „Denn die Wiederherstellung der Mobilität“, betont sie „verkürzt den gesamten Behandlungsverlauf entscheidend.“ Bei der sich anschließenden geriatrischen Betreuung steht den älteren Menschen über den gesamten Zeitraum ihres stationären Aufenthalts eine Bezugspflegefachkraft zur Seite, die oftmals auch zur Vertrauensperson wird. „Auch das interdisziplinäre Team aus Ärzten, Pflegern und Therapeuten ändert sich für den Patienten von der Einlieferung bis zur Entlassung nicht, wie es beispielsweise mit der Verlegung in eine externe geriatrische Fachklinik einherginge“, meint Dr. Andreas Luther. Der Chefarzt fasst die Vorteile des ATZ im Elisabeth Klinikum wie folgt zusammen: „Für gewöhnlich folgt auf die Fraktur nach einem Sturz in der Häuslichkeit die stationäre Aufnahme und eine Operation. Es schließen sich die reguläre stationäre Behandlung und die geriatrische Rehabilitation an. Zumeist sind danach Kurzzeitpflegeeinrichtungen bis zur Rehabilitation notwendig, bevor es für den Pflegebedürftigen endlich ganz zurück in die Eigenständigkeit gehen kann“. Das sei ein langer Prozess, in dem sich der ältere Patient mit sehr vielen Übernahme- und Anpassungsprozessen konfrontiert sähe. „In unserem ATZ ziehen wir die chirurgische bzw. orthopädische Frakturversorgung und besagte anschließende alterstraumatologisch ausgerichtete Rehabilitation zusammen. Der Patient muss im besten Fall nicht einmal Zimmer und Bett wechseln“, so Dr. Andreas Luther weiter.

Aktivierende Pflege als Schlüssel zur wiederkehrenden Eigenständigkeit

Unter der Leitung von Zentrumskoordinatorin Nicole Ilgen greifen alle Behandlungsabschnitte nahtlos und professionell ineinander. Für ihre Patienten lenkt die gelernte Gesundheits- und Krankenpflegerin mit geriatrischer Zusatzqualifikation gemeinsam mit ihrem Team die Genesungsfortschritte zurück in Richtung Selbstständigkeit. Dabei ist ihr ein Betreuungsmodell besonders wichtig: die aktivierende Pflege. Gemeinsam mit ihren Kolleginnen und Kollegen motiviert sie ihre Patienten zu mehr Selbsthilfe, sprich: zu mehr Mut zur eigenen Bewältigung ihrer alltäglichen Aktivitäten, wie dem Waschen oder An- und Auskleiden, die Toilettennutzung oder Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme. Um einer Überforderung vorzubeugen oder im Bedarfsfall unterstützen zu können, steht dem Pflegebedürftigen hierbei jederzeit eine Pflegeperson zur Seite. Der Pflegeaufwand sei, so Nicole Ilgen, zu Beginn der Therapie zunächst höher, zahle sich aber langfristig für die betreuenden Fachkräfte ebenso wie für den Patienten aus, da die wiedererlangte Unabhängigkeit beiden zu Gute komme.

Auch der Medizinische Dienst (MD) bestätigt erneut hohe Qualität von Behandlungsabläufen

Dass Fachärzte, Pflegekräfte und Therapeuten im ATZ des Schmalkalder Krankenhauses hervorragende Arbeit leisten, bestätigte nun in einem unabhängigen Zertifizierungsverfahren auch der Medizinische Dienst. Demnach bescheinigte man dem kommunalen Lokalversorger über die Anforderungen hinaus eine optimale fachübergreifende geriatrische Akut- und Nachversorgung. Bereits im Jahr zuvor war dem Verfahren eine umfassende Überprüfung durch die Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie und Orthopädie vorausgegangen. Dr. Andreas Luther betont: „Wir haben davon nicht mehr Patienten, aber können diese qualitativ besser begleiten“. Und Dr. Alexandra Finn ergänzt: „Wir können damit andere Kliniken entlasten“. Denn zum Beispiel auch nach einem Herzinfarkt habe der betagte Patient einen rechtfertigenden Anspruch auf eine geriatrische Rehabilitation. Und diese Plätze seien im Allgemeinen sehr knapp, so die Chefärztin.