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Amtsblatt des Landkreises Schmalkalden-Meiningen
Ausgabe 9/2023
Nichtamtlicher Teil
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Energie-Info-Ecke des Arbeitskreises ENERGIE

Das Sanierungsprinzip „Energiesprong“ nach dena grafisch veranschaulicht.

Die Stabstelle Kreisentwicklung informiert:

Energie-Info-Ecke des Arbeitskreises ENERGIE

Energetische Bausanierung durch das Prinzip „Serielles Sanieren“ - Teil 1

Die Energie-Info-Ecke des Arbeitskreises ENERGIE widmet sich als monatliche Serie im Amtsblatt des Landkreises voll und ganz dem Thema „Energie“. In dieser Ausgabe beschäftigt sich der Arbeitskreis ENERGIE mit dem Thema Energetische Bausanierung durch das Prinzip „Serielles Sanieren“.

Bestandsgebäude verbrauchen für Raumwärme und Warmwasserbereitung typisch das drei- bis fünffache dessen, was nach Sanierung noch nötig ist. Durch die einführenden Beiträge von Architekt Martin Davignon in dieser Serie wurde das hohe Einsparpotential für Heizenergie und -kosten bei un- bzw. nur teilsanierten Wohngebäuden bereits dargestellt. Ebenso wurde erläutert wie wichtig zeitgemäßer, alle Außenbauteile umfassender und abgestimmter Wärmeschutz für die Wohngesundheit der Nutzer und die Schadensfreiheit der Bauwerke ist. Eigenheimbesitzer und Vermieter haben es in der Hand, Bauteilerneuerungen auch für Wärmeschutz zu nutzen und so die Wohngebäude bei Vollnutzung künftig noch bezahlbar betreiben zu können oder Nachnutzer zu finden. Einzelmaßnahmen an Decken, Dach oder Fassade, auch wenn staatlich gefördert, können nur Teilschritte in einer umfassenden Sanierung sein, denn sie bringen alleine oft nur enttäuschende Einsparungen und Schadensrisiken, insbesondere alleinige Fenstererneuerungen im Altbau. Fachliche Planung und handwerkliche Umsetzung werden immer komplexer, teurer und Fachbetriebe immer schwieriger zu finden und zu koordinieren. Hier verspricht das Prinzip „Serielles Sanieren“ im Paket über einen Ansprechpartner eine leistbare Lösung für Bauherren.

Ähnlich der Ideen zum Reihenhaus- und Typenbau der Bauhaus-Baumeister oder dem späteren industriellen Modulbau werden Bauabläufe auch in der Sanierung durch Vorfertigung und Bündelung optimiert sowie z.B. Rüstzeiten und somit Kosten reduziert. Durch den hohen Grad an Vorfertigung und optimierte Prozesse sinken die Baukosten. Man kennt zwei wesentliche Optimierungsansätze:

1)

Sanierung mit werkseitig vorgefertigten Modulelementen für Fassade und Dach zur schnellen Montage einer Vor- bzw. Aufsatzhülle, meist ohne Kernsanierung, ohne Eingriff in die Bestandssubstanz und somit ohne Leerzug, geeignet für den Zielmarkt der Mehrgeschoss-Wohnbauten der 1950er bis 1980er Baujahre mit zwei bis fünf Etagen.

Prinzip: „Energiesprong“, Marktentwicklung und -einführung durch die Deutsche Energieagentur (dena), umgesetzt meist durch spezialisierte Baubetriebe bzw. Generalübernehmer, bereits durch Förderbonus der KfW-Bank unterstützt

(hier im Artikel vorgestellt).

2)

Umfassende Komplettsanierung von meist massiven Eigenheimen aus Mauerwerk in Wohnsiedlungen der 1950er bis 1980er Jahre, meist Reihen- oder Typenhäuser, wie EW58, EW65 B/D odr EW71 A als Selbstbausatz. Dabei erfolgt eine Kernsanierung mehrerer Eigenheime hintereinander durch handwerklich kooperierende Kolonnen in einer Siedlung bzw. Gemeinde, wodurch sich Rüstzeiten verkürzen und Einkaufsvorteile ergeben. Akteure sind meist Genossenschaften mit Unterstützung der Kommunen, der Regionalversorger, Baustoff- und Fachhändler oder Banken.

Prinzip: „Sanierungssprint“, Pilotprojekte bundesweit (Stichwort: DENEFF, ifeu, CO2online, ZDH), Förderbonus in Vorbereitung, Leerzug für drei bis sechs Wochen erforderlich, bauliche Anpassungsmöglichkeiten bei Raumzuschnitt, Treppenhaus, Anbauten oder Aufstockungen an die neuen Nutzer, Erneuerung aller Installationen möglich

(Details und Beispiele in Folgeartikel / Teil 2 - 2024)

Die Optimierungen werden erst durch Digitalisierungen am Bau ermöglicht. Beide Ansätze erfordern vorab ein digitales Aufmaß der Baugeometrie und Aufnahme der Konstruktionen sowie eine komplett digitale Sanierungs- und Anlagenplanung, der digitalen Unterstützung zur Lösungsentwicklung und Ergebnissimulation sowie für den Bau- und Montageablauf.

Zum ersten Sanierungsprinzip „Energiesprong“ konkret. Welche Gebäude eignen sich? Besonders geeignet und wirtschaftlich sind kleine und mittlere unsanierte Mehrfamilienhäuser aus den 1950er- bis 1970er-Jahren aus Mauerwerk mit einfacher, gerader Fassade, einfachem Dach und einem eher hohen Energieverbrauch von größer 130 kWh pro Quadratmeter und Jahr. Schätzungsweise 500.000 dieser Gebäude mit 3 Millionen Wohnungen gibt es in Deutschland. Möglich und später auch im Visier sind Schul-, Verwaltungs- und Marktbauten bzw. bedingt auch Eigenheime. Die Modulmontagen erfordern eine Zugänglichkeit für Schwerlasttransporte und Mobilkran, gegebenenfalls muss diese hergestellt werden. Platz im Umfeld ist von wesentlichem Vorteil.

Wie läuft die Sanierung ab? Nach dem digitalen Aufmaß der Flächen und Räume, werden Fertigsegmente und -module in hochgedämmter und integrierter Holzrahmenbauweise, äquivalent dem Fertighausbau, für Fassade und Dach geplant und werkseitig montiert. Diese seriell vorgefertigten Elemente werden um das Bestandsgebäude als neue Dämm- und Wetterschale montiert und verankert, die Statik liefert der massive Bestandsbau oder wird unterstützt, die innere OSB-Ebene zur Aussteifung ist so nicht immer nötig. Zur inneren Luftdichtheit sind evtl. vorhandene Putzschichten nutzbar. Dann erfolgen Anbindungen von Leitungen und der Bau von Laibungen im Fensterbereich zur Verbindung der zwei Wandschalen. Die Sanierungszeit verkürzt sich auf wenige Wochen, so dass die Bewohner nur noch minimal beeinträchtigt werden. Bevorzugt werden ökologische Baustoffe.

So entsteht bauphysikalisch optimal und somit ohne Schadensrisiken ein Effizienzhaus mit niedrigem Heizwärmelasten und somit Heizkosten. Die Wärmeversorgung erfolgt durch Anschluss an Wärmenetze, wenn vorhanden. Alternativ bieten die niedrigen Heizlasten auch ideale Voraussetzungen zur Wärmeversorgung mit Wärmepumpen aus Erdsondenfeldern. Dabei ist ein Umbau auf Flächenheizung meist nicht erforderlich, vorhandene Heizkörper können genutzt und über vorgefertigte Hautechnikmodule wohnungsweise angepasst werden. Hier ist ein individuelles Konzept durch Fachplaner erforderlich. Die CO2-Bilanz fällt nicht nur in der Bauphase minimal aus, auch dauerthaft im Betrieb wird diese nachhaltig gesenkt.

Was kostet die Sanierung nach Energiesprong? Da keine Kernsanierung erfolgt, ist der Umbau im Betrieb ohne Leerzug mit wenigen Einschränkungen und Belastungen leistbar. Der Umfang der Sanierung liegt typisch bei 100.000 bis 150.000 Euro pro Wohnung, kann nach örtlichen, baulichen Bedingungen und nach Umfang jedoch auch stark abweichen.

Wer leistet die serielle Sanierung? Speziell für den Sanierungsmarkt wurden Fertigungsanlagen der Fertighaushersteller umgebaut, meist jedoch mit hoher staatlicher Förderung des BAFA neu errichtet. Ebenso entwickeln sich große Zimmereibetriebe für die werkseitige Modulbauweise. Am Markt bilden sich derzeit Generalübernehmer, welche Planung, Fertigung, Montage sowie Umfeldmaßnahmen und Finanzierung liefern. Die hohen Potentiale zur Energie- und Kosteneinsparung lassen sich durch die Vorfinanzierung eines Dienstleisters (Contractors) zur Ratenzahlung aus der Kostenminderung decken. Dies reduziert das Bauherrenrisiko. Perspektivisch bei Marktentwicklung sollen diese Sanierungen zudem in der Wohnungswirtschaft warmmietenneutral umsetzbar sein. Deshalb engagieren und beteiligen sich vielerorts Kommunen selbst oder deren Regionalversorger an den Akteuren.

Der in den Niederlanden später in ganz Europa entwickelte, heute weltweit verfolgte Ansatz hat einen NetZero-Standard zum Ziel. Dieser orientiert sich in der Energiebilanz am internationalen Gebäudestandard nach ISO, ähnlich dem Passivhaus-Standard des PHI Darmstadt im Neubau und schließt neben Heizung, Lüftung und Warmwasser auch den Haushaltstrom der Nutzer ein. Damit ist er mit deutschen Kriterien aus Gebäudeenergiegesetz (ehm. EnEV) oder KfW-Effizienzhaus-Kriterien nicht direkt vergleichbar, eröffnen jedoch auch der Eigennutzung von Ökostrom, wie Solarstrom, bessere Unterstützungsoptionen. Der Jahresenergiebedarf, vorwiegend der Wärmebedarf im Winter kann so bilanziell komplett durch solaren Eigenstrom im Sommer gedeckt werden. Gegenüber der deutschen Bilanznorm nach DIN, welche sich allein auf Planungsdaten und -annahmen stützt und den Energieausweis abbilden kann, muss die Erfüllung nach NetZero in der Betriebsphase auch praktisch in der Erfüllung der Annahmen durch Verbrauchs- und Erzeugungswerte belegt, ggf. nachgesteuert werden. Dadurch werden Bauherren und Beteiligte von Beginn an zu guter Datenbasis, realistischen Planungen und Lösungen motiviert.

In Pilotprojekten mit Unterstützung der dena Berlin wurden bereits mehrere Energiesprong-Sanierungen abgeschlossen, etwa 12 sind in der Umsetzung, rund 50 weitere aktuell in Planung und Vorbereitung. Einen Überblick ausgewählter Modellprojekte und Akteure finden Sie online unter energiesprong.de.

Vorschau:

Im zweiten Teil in der Oktober-Ausgabe wird das Prinzip „Sanierungssprint“ für Eigenheime erklärt.

Fragen an den Autor?

Fragen zu dieser Ausgabe können gestellt werden an:

Michael Bickel

E-Mail: energieeffizienz@email.de

Themenvorschläge erwünscht:

Themenvorschläge werden gern entgegengenommen und sind zu richten an Harry Ellenberger, Landratsamt Schmalkalden-Meiningen, E-Mail: h.ellenberger@lra-sm.de; Tel.: 03693/4858395.