Sängerkranz Schwarza im Jahre 1904
Frauenchor Schwarza im Oktober 2025
Vor 180 Jahren erste Chorgründung in Schwarza
Es mögen wohl ca. 20 sangesfreudige Männer gewesen sein, die sich an diesem Montag, dem 27.10.1845, entschlossen haben, den „Sängerkranz Schwarza“ zu gründen. Verbrieft in einem Statut aus dem Jahre 1857. Ihre Motive dafür sind nicht überliefert.
Die Zeit in Deutschland war geprägt von wirtschaftlicher Not und politischen Spannungen. Suchte man einen Ausgleich? In Berlin hatte ein gewisser Carl Friedrich Zelter, Maurermeister und musikalischer Autodidakt, mit der Berliner Liedertafel bereits 1809 erstmals in der deutschen Geschichte einen Männerchor außerhalb von Kirche und Oper gegründet. Die Begeisterung für gemeinschaftlichen Gesang, meist in geselliger Runde, steckte an. War sie nun über den Rennsteig auch bis nach Schwarza vorgedrungen? Wir wissen es nicht. Zu einer ersten Gründungswelle von Männergesangvereinen kommt es in den 1820er und 1830er Jahren. Sie erfüllen gleichsam eine „Scharnierfunktion“ zwischen der Geselligkeit einerseits und den politischen Ambitionen ihrer Mitglieder andererseits. Auch in dem kleinen Dorf Schwarza im damaligen Landkreis Schleusingen, unter Herrschaft der Grafen von Stolberg-Wernigerode, zog das gemeinsame Singen Kreise. Singen außer Haus war damals reine Männersache. So sind im Adreßbuch der Stadt Schmalkalden und des Schmalkalder Industriebezirkes von 1895, umfassend auch den Ort Schwarza, was damals 1.196 Einwohner zählt, zwei Gesangvereine nachgewiesen: „Sängerkranz“ und „Eintracht“. Die Geschichte und die Entwicklung nehmen ihren Lauf. In der Folge gibt es einen Arbeitergesangverein, den Gesangverein Sängerkranz-Eintracht und den Gemischten Chor „Heideröschen“ Schwarza, Krs. Schleusingen. Registriert war man seit dem 18.8.1948 beim Kreisrat des Kreises Suhl, Abt. Kreisbildungsamt, als Volkschor. Noch 1963 gab es einen Männerchor und einen gemischten Chor. Mangels Nachwuchses hielt der Männerchor im März 1966 seine letzte Singstunde, so nannte man damals die Chorproben, ab. Der gemischte Chor, gegründet 1951, führte die Sangestradition bis 2021 fort. Aus natürlichen Gründen gingen auch dem gemischten Chor die Sänger aus, neue fanden sich nicht. Seitdem halten aktuell zwölf Sängerinnen unter Leitung von Ines Richter aus Meiningen die Sangestradition im Gesangverein „Sängerkranz Eintracht“ Schwarza e. V. als reiner Frauenchor am Leben. Alle Höhen und Tiefen eines aktiven Chorlebens hat Marion Gierok seit über 60 Jahren mitgemacht und Monika Hergenhan sowie Gudrun Wagner können seit mehr als 54 bzw. 51 Jahren ein (schönes) Lied davon singen.
Sein 175. Jubiläum feierte der Schwarzaer Chorgesang mit dem großen Sommer Open Air 2022. Die Corona-Pandemie-Vorschriften hatten die Feier um zwei Jahre ausgebremst.
In einer solchen Feierlaune ist der kleine Verein dieses Mal nicht. Aus Anlass des 180. Jubiläums wird es daher sozusagen ein Chorgesangsfest in Form des Frühlingskonzertes am Sonntag, dem 26.4.2026, in der Kirche Schwarza, geben. Die Sängerinnen und Sänger aus Dillstädt, Kühndorf, Rohr und Viernau sowie der Kirchenchor Rohr-Schwarza haben ihre Mitwirkung schon zugesagt.
Blick in die Zukunft
Die rosarote Brillen haben die Sängerinnen nicht auf. Die Hoffnung auf jüngere Mitsängerinnen, oder auch gerne wieder Sänger, geben sie zwar nicht auf, sehen den traurigen Tatsachen jedoch ins Auge.
Die Auflösung des Vereins ist bereits beschlossene Sache. Dadurch entfällt schonmal der Verwaltungsaufwand. Wie lange der Chor noch singfähig ist? Es wäre schade, wenn er ganz verstummt. Auch für unsere Gemeinde Schwarza. Tragen doch sowohl der Frauenchor als auch der Kirchenchor durch seine beiden Chorkonzerte im Frühjahr und am 2. Advent alljährlich zur Bereicherung des kulturellen Dorflebens bei. Zudem bieten die Chöre Gelegenheit zu den so wichtigen, echten sozialen Kontakten, außerhalb des Internets.
Über die positive Wirkung des Singens für Körper, Geist und Seele wird hinreichend berichtet. Im Kindergarten wird es gefördert. In der Grundschule Benshausen gibt es sogar wieder einen kleinen Schulchor. In der „Thüringer Gemeinschaftsschule (TGS) Am Dolmar“ in Schwarza (früher Regelschule Schwarza) gibt es noch nicht mal einen Musiklehrer! Geschweige denn einen Schulchor oder eine musikalische Arbeitsgemeinschaft. Die Schulleiterin hat bisher erfolglos danach gesucht. Eigentlich eine Katastrophe. Doch das ist ein anderes Thema.
Der Gesangverein Schwarza ist zwar nicht der größte, jedoch der älteste Verein des Ortes. Vielleicht haben sich die Gesangvereine auf dem Dorf einfach nur „erledigt“.? Alles hat seine Zeit, heißt es. Es gibt zig unverbindliche Möglichkeiten, seine Freizeit zu verbringen. Und Traditionspflege im eigenen Ort? Noch dazu durch so eine unspektakuläre Betätigung!- Die Zukunft wird es zeigen.
Noch singt der Frauenchor Schwarza und nicht mal schlecht, wie es Zuhörer oft wohlwollend äußern.
Die Stimme ist 2025 das Instrument des Jahres. Es hat jeder. Und es kostet nichts. Der Pflegeaufwand hält sich in Grenzen. Es lässt sich bestimmt etwas Gutes damit anfangen!
Wer Lust bekommen hat, oder einfach nur mal schnuppern möchte: Chorprobe ist mittwochs, von 19 Uhr bis 20:30 Uhr im Seniorenraum des Hauses der Vereine, Hauptstraße 87 A.
Kontakt Chorleiterin Ines Richter: 0175 3597449
Buchtipp: CHORGESANG IN DEUTSCHLAND Hartmut Lutschewitz Die neue Lust zu singen - 200 Jahre deutscher Laienchorgesang - seine historische Entwicklung und aktuelle Lage, BWB Verlag, 2. Auflage, 2017
Ingrid Heinrich
Die Verfasserin ist amt. Vorsitzende und selbst aktive Sängerin im Schwarzaer Gesangverein seit über 46 Jahren.
Im Jahr 1845 war Deutschland geprägt von wirtschaftlicher Not und politischen Spannungen, die in der aufkommenden Revolution von 1848/49 mündeten. Die Bevölkerung wuchs stark, was zu Arbeitslosigkeit und Hunger führte, während die politische Unterdrückung durch die restaurative Politik nach dem Wiener Kongress zunahm. Ein positives Ereignis war die Ankunft der Beethoven-Statue in Bonn, die zu einem Wahrzeichen der Stadt wurde.
Gesellschaftliche und wirtschaftliche Lage
• Bevölkerungswachstum:
Die Bevölkerung in den deutschen Staaten wuchs zwischen 1815 und 1845 von 20 auf 30 Millionen, was zu großer Arbeitslosigkeit und Hunger führte.
• Urbanisierung und Armut:
In den Städten entstanden Elendsviertel mit katastrophalen Lebensbedingungen, da die Frühindustrialisierung nicht genügend Arbeitsplätze schuf, um die wachsende Zahl von Handwerkern und Landarbeitern aufzunehmen.
• Soziale Unruhen:
Die wirtschaftliche Not verschärfte sich in den 1840er Jahren, was bereits 1844 im Weberaufstand mündete und in den Folgejahren durch die Kartoffelfäule und Hungerkrisen weiter verschärft wurde.
Politische Situation
• Restaurative Politik:
Nach dem Wiener Kongress herrschte eine restaurative Politik, die liberale und nationale Bestrebungen unterdrückte. Die Zensur und Geheimpolizei schränkten die Freiheiten der Bürger stark ein.
• Bürgerliche Opposition:
Eine wachsende bürgerliche Opposition forderte zunehmend politische Freiheit, Menschenrechte und einen Nationalstaat.
Im 19. Jahrhundert wurden aus verschiedenen, eng miteinander verknüpften sozialen, politischen und wirtschaftlichen Gründen so viele Vereine gegründet:
| • | Reaktion auf die Industrialisierung und soziale Not: Die Industrialisierung führte zu tiefgreifenden gesellschaftlichen Umwälzungen, Urbanisierung und neuen sozialen Problemen, wie z.B. Armut in den Arbeiterschichten. Vereine fungierten als Selbsthilfeorganisationen und versuchten, diese sozialen Notlagen abzufedern, da der Staat diesen Aufgaben nur zögerlich nachkam. Arbeitervereine waren Vorläufer der späteren Gewerkschaften und setzten sich für Arbeitnehmerrechte ein. |
| • | Politischer und bürgerlicher Emanzipationsdrang: Die Zeit war geprägt von Bestrebungen nach mehr Bürgerrechten, Demokratie und politischer Mitbestimmung. Vereine boten einen legalen organisatorischen Rahmen für bürgerschaftliches Engagement und die Artikulation politischer und gesellschaftlicher Interessen. Dies zeigte sich in der Gründung vielfältiger Vereine, von politisch ausgerichteten Bürgervereinen bis hin zu Frauenvereinen, die sich für Gleichberechtigung einsetzten. |
| • | Nationalismus und Patriotismus: Insbesondere in Deutschland waren viele frühe Vereine, wie Turn- und Gesangvereine, stark patriotisch und national ausgerichtet. Sie dienten der Pflege einer nationalen Identität und der Vorbereitung auf einen geeinten Nationalstaat. |
| • | Bildung und Kultur: Es entstanden zahlreiche Bildungs-, Geschichts- und Altertumsvereine, die sich der Vermittlung von Wissen, der Erforschung der lokalen oder regionalen Geschichte und der Denkmalpflege widmeten. |