Blick in den Vortragsraum, ganz links Dr. Möller
Die Hüttengasse ca. Anfang 20. Jahrhundert - links Haus mit Fachwerkgiebel war das Wohnhaus der Familie Stern
Nach der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung (VwV-StVO) vom 8.11.2021 soll Radverkehr in Einbahnstraßen in Gegenrichtung freigegeben werden, wenn die zulässige Höchstgeschwindigkeit nicht mehr als 30 km/h beträgt. Soll-Vorschriften sind in erster Linie als Muss-Vorschriften auszulegen. Das bedeutet, dass Radfahrer in Einbahnstraßen mit einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von nicht mehr als 30 km/h in Gegenrichtung in der Regel zuzulassen sind. In atypischen Einzelfällen kann bei Soll-Vorschriften Ermessen ausgeübt werden. Das heißt, in solchen Einzelfällen sollte es auch möglich sein, Radverkehr in Einbahnstraßen in Gegenrichtung bei zulässigen Höchstgeschwindigkeiten von mehr als 30 km/h freizugeben. Wie weit es mit der Freigabe bei der Einbahnstraße ‚Irma-Stern-Straße‘ in Schwarza sei, war die Frage eines Teilnehmers bei der Sitzung der AG Radverkehr am 2.11.2023 im Dalewu an Bürgermeister Rogowski.
Wer war eigentlich Irma Stern
Das war die mehr beiläufige Frage des Meininger Arztes Dr. Frank Möller. Eine Jüdin, so die Antwort, bevor es in der Radfahrerthematik weiterging.
Juden in Schwarza - darauf war Herr Möller bei der Ende Oktober 2023 eröffneten Ausstellung der Meininger Museen über verschwundenen Synagogen in Thüringen schon mal gestoßen. Nun war seine Neugier geweckt. Er wollte mehr wissen. Recherchierte nach Irma Stern im Internet, besuchte das Heimatmuseum in Schwarza, stieß dabei auf eine Widmung auf einem Foto von Irma Stern, fragte öffentlich über die Presse, wem die Widmung gegolten haben könnte. Erfolgreich- die Widmung als Vierzeiler wie aus einem Poesie-Album war für ihre gleichaltrige Freundin Hedwig Pappenberger.
Dies war einer der Fakten, über die bisher in der Öffentlichkeit von Schwarza (bis auf einen kleinen Kreis von Eingeweihten aus der Familie von H. Pappenberger) nichts bekannt war. Auch auf weitere bisher unbekannte Details stieß Dr. Möller.
Schließlich ergab sich so viel Material zu Irma Stern und ihren Familienangehörigen, dass daraus reichlich Material für einen Vortrag zusammenkam. Seine Vorstellung, diesen Vortrag über den Heimat- und Geschichtsverein Schwarza zu halten, erfüllte sich leider nicht. Dankenswerterweise stellte das Dalewu die obere Etage ihrer Gaststätte einschließlich der Technik zur Verfügung, um zu „Einer Spurensuche in Wort und Bild zu Familie Stern aus Schwarza“ am 30.5.2024 einzuladen.
Unter den ca. 50 Teilnehmern befanden sich neben einigen Anwohnern der Irma-Stern-Straße auch Pfr. Michael Schlegel; Ingo Weidig, Neubürger in Schwarza und Direktor des Hennebergischen Museums Kloster Veßra sowie eine nahe Angehörige der besten Freundin von Irma Stern, um nur einige zu nennen.
In dem ca. 60-minütigen Vortrag mit vielen Daten und Fakten führten die Spuren anhand einiger erhaltener Geburts-, Sterbe- und Heiratsurkunden sowie anderer schriftlicher Belege zurück bis in das 19. Jahrhundert. lrma Stern, geb. am 17.04.1901, verh. Hähnlein, wohnte mit ihrer Mutter und ihren beiden Töchtern bis 1942 in der Hüttengasse und wurde am 10.05.1942 in das Ghetto Belzyce deportiert. Dort verliert sich aktuell die Spur von Irma Stern und ihrer vierjährigen und fast 13jährigen Tochter.
Eintrag in der Chronik der Gemeinde Schwarza, Teil III, Jahr 1948:
Die Umbenennung der bisherigen „Hüttengasse" erfolgt in „lrma-Stern-Straße".
Im Anschluss an Dr. Möllers Vortrag gab es verschiedene ergänzende Wortmeldungen und Fragen aus dem Publikum. Themarer Gäste berichteten von den Stolpersteinen, die in ihrem Ort gelegt wurden. Solche wurden auch für Schwarza angeregt, genauso wie auch ein Zusatzschild an den Straßennamenschildern der Irma-Stern-Straße.
Gäste, die einen Vortrag über das Judentum in Schwarza allgemein erwartet hatten, waren etwas enttäuscht. Doch das sollte auch nicht Gegenstand des Abends sein. Das zeigt jedoch, dass Interesse an diesem Teil der Ortsgeschichte besteht.
In Schwarza gibt es insgesamt 19 Straßennamen und nur eine Straße trägt den Namen einer Person.
Dass sich ein Auswärtiger und Nicht-Historiker überhaupt so intensiv damit beschäftigt hat, weshalb die Straße den Namen Irma Stern trägt, ist anerkennenswert.
Wann nun Radfahrer die Irma-Stern-Straße auf rechtlicher Grundlage in Gegenrichtung befahren dürfen, bleibt abzuwarten.
I. H.