Liebe Eltern, liebe Leserinnen und Leser,
unsere Kindertagesstätte ist ein Ort der Geschichten.
Vieles an Botschaften, Weisheiten, ja, Lebenswissen kann in eine Geschichte verpackt, einen ganz besonderen Zauber, eine besondere Kraft und Wirksamkeit entfalten.
Deshalb erscheint es mir nur konsequent und folgerichtig, wenn wir, das Team der Kindertagestätte „Zwergenland“ Schwarza, unser neues Kindergartenjahr mit einer Geschichte beginnen.
oder von der Kraft loszulassen, vom Mut weiterzumachen und von der Energie Neues zu wagen
Mitten auf einer bunten Frühlingswiese steht eine kleine Blume. Auf ihrem stämmigen grünen Stängel und umgeben von gezackten grünen Blättern reckt die Blume ihren goldgelben Kopf der Sonne entgegen. Sie liebt die Sonne, denn von ihr kommen ja das Licht, die Wärme und die Kraft, die sie zum Leben braucht. Aber auch der milde Frühlingsregen, der tief in die Erde einsickert und den unsere Blume mit ihren kräftigen Wurzeln aufsaugt, ist ja doch ein Liebes beweis der Sonne, denn nur weil sie bereit ist, sich manchmal hinter den Wolken zu verstecken, können diese den Himmel erobern und den Regen bringen. Unsere Blume weiß es deshalb genau: Die Sonne liebt sie und mit ihr alles Lebendige, und nur durch diese Liebe kann alles sein. Ihr wisst bestimmt schon, welche Pflanze da auf der Wiese steht?
Natürlich, auf unserer Wiese blüht ein Löwenzahn. Der Löwenzahn ist sehr stolz auf seine schönen gelben Blütenblätter und er strengt sich mächtig an, damit ihnen nur ja nichts passiert.
In der Nacht und auch bei besonders starkem Regen schließt er deshalb seinen Blütenkelch umso vor zu viel Kälte und Nässe zu schützen. Der Löwenzahn lehrt seine gelben Blütenblätter auch alles, was er selber weiß vom Leben auf der Wiese. Er spricht zu ihnen von der lieben Sonne und erzählt Geschichten von Schmetterlingen, Käfern, Bienen und den dicken Hummeln, die so zahlreich über die Wiese und an einem besonders schönen Abend, als man die Wärme des Sommers schon sehr deutlich spüren kann, spricht der Löwenzahn zu seinen Blütenblättern:
„So meine Kinder, jetzt ist es Zeit. Lange wart ihr bei mir und ich habe euch mit allem versorgt, damit ihr groß und kräftig werden konntet. Alles, was ich weiß, habe ich euch beigebracht. Ihr seid jetzt stark genug für die große Verwandlung.“
Mit diesen Worten schließt der Löwenzahn seine gelbe Blüte, und als er sie am nächsten Tage wieder öffnet, haben sich alle seine gelben Blütenblätter über Nacht in lauter kleine, graue Fallschirmchen verwandelt. Ja, aus dem gelben Löwenzahn ist eine Pusteblume geworden!
Die Fallschirmchen sind erst sehr erschrocken. Mit einer solchen Verwandlung haben sie nun gar nicht gerechnet. Sie sind ganz aufgeregt und machen ein großes Spektakel: „Was ist denn nur mit uns passiert? Wir haben uns so verändert! Was soll denn das alles nur bedeuten?“ Aber unser Löwenzahn lächelt sie an und spricht ganz ruhig und freundlich: „Es ist soweit! Ihr seid bereit und habt alles, was ihr braucht: Kraft, Mut und Energie, um in die Welt hinauszuziehen. Eure Aufgabe ist es nun, irgendwo auf dieser Wiese oder ganz woanders ein neuer Löwenzahn zu werden. Ihr müsst nur loslassen. Vertraut euch dem Wind an und dann wird euer neues Leben beginnen.“
„Loslassen, weggehen von Dir? Selbständig werden und das eigene Ding machen? Können wir denn das schon?, fragten die Fallschirmchen besorgt.
Der Löwenzahn lächelt wieder und nickt. Und da spüren es die kleinen Fallschirmchen. Sie sind zum Bersten voll mit Kraft, Mut und Energie, und tief im Inneren, ja, da gibt es eine Sehnsucht, eine Stimme, die Ihnen zuraunt: „Lasst los! Habt Vertrauen! Fliegt mit dem Wind und tut das, wozu ihr auf der Welt seid!“ Und so nach und nach, trauen sie sich. Ein Fallschirmchen nach dem anderen lässt los und der Wind trägt es hinaus in die weite Welt.
Wo sie landen, wo sie hinkommen? Nun, ein paar Schirmchen fliegen nicht weit. Sie landen auf der Blumenwiese, bohren sich in die Erde und werden dann im nächsten Frühling zu wunderschönen Löwenzahnblumen. Andere reisen schon weiter mit dem Wind. Andere landen vielleicht im Straßengraben, eines kommt auf einer Mauer zu liegen und seine Kraft und seine Energie reichen aus, um im nächsten Frühjahr die Steinmauer mit einer Löwenzahnblume zu schmücken. Selbst auf den Berggipfeln und in den tiefsten Tälern und Schluchten leuchtet es im nächsten Frühling gelb.
Vielleicht landet ja auch ein Fallschirmchen bei Dir? Das wünsche ich dir sehr! Denn eines weiß ich ganz genau, jeder Löwenzahn kann dir seine Geschichte erzählen - vom Mut, Dinge zu wagen, von der Kraft, sich zu verändern, von der Energie, die ein Aus - und Durchhalten erst möglich macht.
Die Geschichte des Löwenzahns, sein Leben im Beziehungsgeflecht der Elemente, sein Wirken für die ihm Anvertrauten und nicht zuletzt die Haltung, mit der er den Sinn und die Aufgabe seines Lebens vorbehaltlos bejaht, ist so glaube ich - ein sehr passendes Bild für unseren Kindergarten. Wie der Löwenzahn wollen wir sein, und die Kraft, den Mut und die Energie für unsere pädagogische Arbeit finden wir während unserer Arbeit, aber nicht zuletzt auch durch unsere Familien, unsere Hobbys und durch die Ruhe in der Natur.
Wer oder was treibt euch an? Woher nehmt ihr eure Kraft, wo sind eure Energiequellen? Wir laden euch ein, einmal inne zu halten und darüber nachzudenken, welche Ressourcen euch zum Durchhalten, Verändern oder Weitermachen befähigen.
Wir wünschen euch und uns ein kommendes Jahr, in dem wir hoffentlich viele Gelegenheiten haben werden, Kraft, Mut und Energie zu tanken.
Anke Lorenz
Einrichtungsleitung Kindertagesstätte „Zwergenland“ Schwarza