Wellenumlenker
Weitere Maßnahmen der Erweiterung und Instandsetzung sind in der Vorbereitung
Straußfurt - Das Hochwasserrückhaltebecken (HRB) Straußfurt schützt die Unterlieger der Unstrut in Thüringen und Sachsen-Anhalt, darunter sind die Orte Sömmerda, Artern, Roßleben sowie Laucha und Freyburg. Nach mehr als sechs Jahrzehnten sicheren Betrieb finden an der Stauanlage notwendige Instandsetzungsmaßnahmen statt. Der Freistaat Thüringen sieht im Zuge der Sanierung verschiedener technischer Einrichtungen der Stauanlage auch eine wesentliche Erweiterung des Hochwasserrückhaltes um weitere zehn Millionen Kubikmeter vor. Die ersten beiden Maßnahmen - die Herstellung der Hochwassersicherheit des Schutzdammes Henschleben und die Instandsetzung und Herstellung der Überströmbarkeit des Nebendammes - sind umgesetzt und wurden am 23. August 2023 behördlich abgenommen. Die Thüringer Fernwasserversorgung (TFW) investierte für die zwei Maßnahmen im Auftrag des Freistaats Thüringen gut drei Millionen Euro.
Den Hochwasserschutz für die Ortslage Henschleben sichern nun auf 700 Metern Wellenumlenker entlang des bestehenden Schutzdammes. Die Bauarbeiten für den regelkonformen Hochwasserschutz begannen im November 2022. Nach dem Vogelzug konnten an dem winterbedingt entleerten Staubecken die Arbeiten zur Herstellung der Hochwassersicherheit des Schutzdammes Henschleben starten. „Mit den Wellenumlenkern wird die Dammkrone auf der Wasserseite im Mittel um einen Meter erhöht. Ohne Wellenumlenker hätte der Damm insgesamt um zwei Meter erhöht und dementsprechend auch verbreitert werden müssen“, beschreibt TFW-Projektleiter Detlef Hogh die Erwägungen der technischen Umsetzung. „Die Gefahren durch Hochwässer mit sechs Meter Pegel Null, was einer zukünftigen Erhöhung des Stauziels um einen Meter entspricht, und senkrechte Windwellen nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik werden jetzt beherrscht.“ Die angedachte Erweiterung des Hochwasserschutzraumes wurde bei der baulichen Umsetzung bereits berücksichtigt. Die bis zu 4,2 Tonnen schweren Betonbauteile wurden in Emleben bei Gotha vorgefertigt und vor Ort mit einem Autokran gesetzt.
Zeitgleich erfolgten die Maßnahmen zur Instandsetzung und Herstellung der Überströmbarkeit des Nebendammes. Über die errichtete Dammscharte fließt bei zukünftigen Hochwässernd das Wasser ohne menschlichen Zutun in den Hochwasserschutzraum. Zur Herstellung der Überströmbarkeit des Nebendammes wurde eine Dammscharte mit erosionsstabilem Deckwerk mittels geosynthetischen Betonmatten verlegt. „Die Flächeninanspruchnahme dieser Variante ist durch die steilere Neigung geringer als bei alternativen Varianten“, beschreibt Detlef Hogh den Vorteil dieser Umsetzungsvariante. „Geosynthetische Betonmatten können sehr hohen hydraulischen Belastungen standhalten.“ Aber auch die Energie, welche die Wassermassen im Hochwasserfall mit sich bringen, wird zukünftig nach der Schussrinne umgewandelt. „Dadurch wird der schießende Abfluss in strömenden Abfluss überführt und überschüssige kinetische Energie umgewandelt.“
Für die bevorstehenden großen Maßnahmen am HRB Straußfurt laufen seit Januar 2023 die Planungen für die Ende 2024 avisierte Einreichung der komplexen Genehmigungsunterlagen.
Dazu gehören beispielsweise:
| • | Vermessungsleistungen |
| • | Bauzustandsanalysen von bestehenden Bauwerken |
| • | Luftbildauswertungen zu Kampfmitteln |
| • | Leitungsabfragen von Versorgungsunternehmen |
| • | die floristischen und faunistischen Kartierungen |
| • | Umweltfachplanungen |
| • | geotechnischer Baugrunduntersuchungen |
| • | Variantenbetrachtungen zur Lage und Ausbildung der neuen Dammbauwerke |
| • | hydraulische und statische Berechnungen |
| • | Planungen von möglichen Varianten des Abschlussbauwerkes |
| • | Planung der elektrischen Mess-, Steuer- und Regelungstechnik für die Ausrüstungen |
Am 29. Juni fand der Scopingtermin beim Thüringer Landesamt für Umwelt, Bergbau und Naturschutz (TLUBN) erfolgreich statt. Das ist der erste Meilenstein im Genehmigungsprozess.
Im Herbst 2023 werden die Vorplanungsberichte für alle Bauwerke vorliegen. Im ersten Halbjahr 2024 wird die Entwurfsplanung erstellt.
Das Planfeststellungsverfahren wird Ende 2024 mit der Einreichung der Antragsunterlagen gestartet. Die TFW geht davon aus, dass das Genehmigungsverfahren rund zwei Jahre in Anspruch nimmt.
Der voraussichtliche Baubeginn ist damit für die nächsten großen Abschnitte ab 2027 einzuordnen.
Nationales Hochwasserschutzprogramm
In weiten Teilen wurden Flüsse im Thüringer Becken durch Begradigung und Eindeichung in ihrer natürlichen Ausbreitung bei Hochwasser gehindert. An vielen Deichabschnitten besteht dringender Sanierungsbedarf. Das TLUBN entwickelt derzeit ein Hochwasserschutzkonzept Unstrut und untersucht in dem Zusammenhang verschiedene Varianten. Zweidrittel aller Hochwasserschutzanlagen des Deichsystems im Freistaat liegen im Thüringer Becken. Die Ergebnisse zeigen, dass die Vergrößerung des Speichervolumens am HRB Straußfurt unabhängig von der später umzusetzenden Variante der Deichsanierung ein wichtiger Baustein ist, um den Hochwasserschutz effizient abzusichern. Zusätzlicher Stauraum soll bei der ohnehin notwendigen partiellen Anpassung der Stauanlage an aktuelle Regelwerke einfließen.
Das HRB Straußfurt soll künftig in einem größeren Maße überregional den Hochwasserscheitel der Unstrut mindern und mögliche Schäden im Unterlauf reduzieren.
Vergrößerung des Hochwasserrückhalts
Das Rückhaltebecken wurde zu seiner Errichtung von unseren Vorfahren für die damals zu erwartenden Spitzenwerte von 400 Kubikmeter in der Sekunde geplant und errichtet. Klimawandel, Veränderungen und Begradigungen des Flusslaufs führen heute zur Verdopplung der Bemessungsgrundlage auf 793 Kubikmeter pro Sekunde. Für die Vergrößerung des Speichervolumens des HRB Straußfurt wurde durch eine Studie im Jahr 2020 die grundsätzliche Machbarkeit bestätigt. Unter den bautechnischen Maßnahmen sind beispielsweise der Ersatzneubau des Abschlussbauwerkes, die Anpassung der Hochwasserentlastungsanlage und der vorhandenen Dammbauwerke. Oberste Prämisse bei allen Planungen hat die durchgängige Funktion der Hochwasserschutzanlage während der Bauphasen. Anfang 2023 sind die notwendigen Planungen für das Generationenprojekt gestartet. Der weitere Zeitplan sieht die Einreichung zur Genehmigung Ende 2024 vor, sodass die notwendigen baulichen Veränderungen und Ergänzungen ab dem Jahr 2027 beginnen könnten. Nach derzeitigem Terminplan geht die TFW von einem Abschluss aller Maßnahmen im Jahr 2034 aus.
Das HRB Straußfurt
Das HRB Straußfurt wurde im Zeitraum 1952 bis 1960 errichtet. Zwischen 1980 und 1988 erfolgten umfangreiche bauliche Veränderungen zur Einrichtung eines Teildauerstaus. Das HRB Straußfurt verfügt über einen gewöhnlichen Hochwasserrückhalteraum von 18,64 Mio. Kubikmetern. Das Absperrbauwerk besteht aus einem circa neun Meter hohen Staudamm mit einer Länge von rund 1.850 Meter. Auf etwa halber Länge quert das Gewässer Unstrut den Staudamm in einem Betonbauwerk. Hier werden die dem HRB zufließenden Wassermengen im Hochwasserfall mittels vier Doppelhakenschützen auf einen maximalen Abfluss von bis zu 100 Kubikmeter pro Sekunde begrenzt, um Schäden unterhalb der Stauanlage zu vermeiden. Die darüber hinaus zufließenden Wassermengen werden im Stauraum zurückgehalten. Ist der Stauraum gefüllt, erfolgt eine Entlastung über die 270 Meter lange Hochwasserentlastungsanlage an der linken Dammschulter. Die Wassermengen strömen dann über das luftseitige Dammvorland ab.
Das HRB dämpft abfließende Hochwasserwellen, indem es überschüssige Wassermengen aus den Einzugsgebieten von Unstrut und Gera mit einer Fläche von 2044 Quadratkilometern zwischenspeichert. Bei den Hochwässern 1961, 1981, 1994, 2003 und 2013 mit Zuflüssen von bis zu 280 Kubikmeter pro Sekunde konnten durch den dafür in der Betriebsvorschrift festgelegten Betrieb des HRB Straußfurt die Schäden in und an der Unstrut sowie an Siedlungen und Infrastrukturanlagen auf ein Minimum reduziert werden.
Die Wassermengen werden nach dem Hochwasserereignis wieder kontrolliert an den Unterlauf der Unstrut abgegeben. Die Abgabemengen zur Steuerung im Hochwasserfall legt die Hochwassernachrichtenzentrale im TLUBN fest.