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Straufhain-Bote
Ausgabe 6/2023
Gemeindemitteilungen
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„Der 17. Juni 1953 auf dem Land“

Am 01.06.2023 waren wir mit der Veranstaltungsreihe „Der 17. Juni 1953 auf dem Land“ mit Dr. Jens Schöne in Streufdorf im Kreis Hildburghausen. Die sehr gut besuchte Veranstaltung mit über 40 Teilnehmern bildet vorerst den Abschluss unserer Reihe zum Volksaufstand jenseits der Städte in Thüringen.

Obwohl es auch im ehemaligen Bezirk Suhl in den Städten und Gemeinden zu Kundgebungen, Streiks, Austritten aus den LPGs und anderen Unmutsbezeugungen gegen die Politik der SED-Regierung kam, wurde der Ausnahmezustand nicht verhängt. Insgesamt schien die Lage im Bezirk Suhl und seinen Kreisen ruhiger als in den Bezirken Gera oder Erfurt. Dr. Jens Schöne ging in seinem Impulsvortrag auch auf den Fall der vier Hellinger Bauern ein, die am 17. Juni 1953 in einer Einwohnerversammlung die Politik der Regierung unter großem Beifall kritisierten. Vor allem das massive Vorgehen gegen die Bauern im Zusammenhang mit der Kollektivierung der Landwirtschaft mit Preisfestsetzungen, Sollabgaben und Haftstrafen wurde kritisiert. Weiterhin forderten die Hellinger Bauern die Rückkehr der ein Jahr zuvor Zwangsausgesiedelten.

Am 5. Juni 1952 wurden im Landkreis Hildburghausen über 280 Menschen in der „Aktion Ungeziefer“ aus dem Grenzsperrgebiet zwangsausgesiedelt. Auch viele Bauern standen auf den Aussiedlungslisten, da sie sich gegen die Kollektivierung ihrer Landwirtschaft gewehrt hatten. In Streufdorf lief die Zwangsaussiedlung am 5. Juni 1952 aber nicht wie geplant ab, es kam zu massivem Widerstand gegen den Abtransport der Nachbarn. Letztlich lösten Schnellkommandos der Volkspolizei und weitere Polizeieinheiten den Widerstand brutal auf. Unmittelbar danach wurden zwölf vermeintliche „Rädelsführer“ verhaftet und zu langen Zuchthausstrafen (bis zu acht Jahren) verurteilt. Durch die Zwangsaussiedlungen und Fluchten nach der Auflösung des Widerstands waren von damals 1.200 Einwohner in Streufdorf knapp 150 Menschen von heute auf morgen aus dem Dorf verschwunden. Nach und nach kamen neue Bewohner, die dann in den Folgejahren in den sich formierenden LPG arbeiteten. Im Zweiländermuseum Rodachtal in Streufdorf können diese Ereignisse von damals sowie die Geschichte der Region anschaulich nachvollzogen werden: https://www.zweilaendermuseum.de https://www.zweilaendermuseum.de>

Das harte Vorgehen bei den Zwangsaussiedlungen 1952 ist auch ein Grund, warum es in den Grenzkreisen des Bezirkes Suhl am 17. Juni 1953 bis auf Ausnahmen ruhig blieb. Die Bewohner der Orte hatten bereits ein Jahr zuvor mit der Zwangsaussiedlung ihrer Nachbarn Traumatisches erlebt und befürchteten bei Aufbegehren wiederum neuerliche Aussiedlungen aus der Heimat. Die vier Hellinger Bauern aus dem Eingangsbeispiel wurden am 19. Juni 1953 verhaftet. Bereits am 22. Juni 1953 wurden sie zu Gefängnisstrafen wegen Staatsverleumdung und Störung einer Versammlung und zu Zuchthausstrafen wegen „Boykotthetze“ verurteilt. Das Urteil und weitere Dokumente finden sich in der Stasi-Mediathek: https://www.stasi-mediathek.de/.../urteil-des.../blatt/172/ https://www.stasi-mediathek.de/.../urteil-des.../blatt/172/>

Im Rahmen der Veranstaltung in Streufdorf wurde auch die neue Ausstellung der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur „17. Juni kompakt“ gezeigt.

Diese wird ab 8. Juni auch im Zweiländermuseum Rodachtal zu sehen sein.