Im Jahr 1798 ereignete sich in Lindenau-Friedrichshall ein schreckliches Unglück. Die Landjugend hatte ein Fest aus Anlass der neuerbauten Chaussee, die von Lindenau zur Saline führte, veranstaltet. Doch das Fest sollte tragisch enden.
Die dortigen Salzquellen wurden bereits im Jahr 1150 erwähnt, sind aber später wieder außer Acht geraten. Das regierende Fürstenhaus Sachsen-Hildburghausen ließ ab 1704 bis 1714 eine neue Saline errichten, wozu ein Gradierhaus und ein Wohnhaus für den Salinenaufseher und die Arbeiter sowie das Brunnenhäuschen gehörten. 1752 wurde das Salzwerk durch das Eindringen wilder Wässer zerstört. 1763 bekamen die Lindenauer Bitterwasserquellen aufgrund der Geburt des Hildburghäuser Erbprinzen dessen Namen „Friedrichshall“. 1765 ließ Herzog Ernst Friedrich Carl von Sachsen Hildburghausen (Vater des späteren Herzogs Friedrich) die Saline bei Lindenau neu errichten. Die Anlage war in den folgenden Jahren ein Hoffnungsträger auf Einnahmen für das tief verschuldete Herzogtum.
Der Höhepunkt des Festes am 11. Oktober 1798 war der Besuch aus dem herzoglichen Hause. Die hohen Herrschaften präsentierten sich gerne und ließen sich huldigen, was für die Anwohner als große Ehre betrachtet wurde. In diesem Falle sollte das Fürstenhaus von dem neunjährigen Erbprinzen Joseph und seiner elfjährigen Schwester Charlotte vertreten werden. Sie befanden sich dabei in der Obhut der Hofdame der Herzogin Charlotte und weiterer Persönlichkeiten des herzoglichen Hofes.
Der Pfarrer notierte das Unglück im Kirchenbuch wie folgt:[1]
„Durchlauchtigste Frauen Herzogin Hofdame Berleburg in der Wetterau aus einem altedlen Geschlechte herstammend, vollendete ihre ruhmvolle Laufbahn auf eine zwar unglückliche aber sehr ehrbare Weise am 11ten Oktober, nachmittags um 3 Uhr im allhiesigen Gasthofe. Von Herrn Rat und Amtmann nunmehrigen Regierungsrat Wagner zu Ehren und Belustigung der Durchlauchtigsten Herrschaft auf der neuerbauten Chaussee bei der herzoglichen Saline Friedrichshall. Durch die jungen Landleute angestellte Fete führte sie in Begleitung der Durchlauchtigsten Herrschaft am 10. Oktober hierher und bei der Zurückfahrt wurde oben am Canal bei dem zum Pfarrgut zugehörigen Oberdorfs-Acker, nach dem vorn an der Brücke durch einen vorbeisprengenden Gothaischen Dragoner Wachtmeister, der querfeldein reitend seinen Hut schwingend der Gaul scheu gemacht wurde, so dass der Kutscher bei der äußersten Anstrengung, wobei das Leit zerriss und die Hand des Kutschers durch das straffe Halten sehr verwundet wurde, die Chaise, worinnen gedachte Hofdame mit des Herrn Erbprinzens Joseph und Prinzessin Charlotte Durchl. Durchl. dem Herrn Regierungsrat und dem Herrn Hofrat und Leibmedicus in den Canal gestürzt, beide Fürstenkinder und die übrigen Herren wurden zuvor, ohne Schaden zu nehmen gerettet, aber benahmte Hofdame, welche in das Bette des Canals fiele, kam unter die Chaise zu liegen, wodurch sie einen heftigen Druck auf der Brust erlitten, der für sie tödlich wurde. Sie wurde zwar, nachdem sie einige Minuten im Wasser gelegen hatte, wieder zum Leben gebracht, auf Befehl ihres Herrn Bruders, des Herrn Kammerjunkers und Major von Waldschmidt hierher in das Wirtshaus zurückgefahren, allda auf das Beste von deren Hochfürstl. Medicus und Frauenzimmern bedient, aller Pflege und angewendeten Mittel ohngeachtet hauchte sie ihre schöne Seele tags drauf, eben zu der Zeit aus, da der Frau Herzogin Durchlaucht, um sie zu besuchen, vor dem Hause angefahren waren. Höchstdieselben befahlen den Leichnam in das Pfarrhaus, wo sie schon im Leben um mehrerer Bequemlichkeit willen, hingebracht werden sollte, wenn, es ohne ihre Umstände gefährlicher zu machen, hätte geschehen können, zu tragen, wo sie 2 Tage darauf seciert, ihre Lunge gequetscht und ihr Herz beinahe ohne Blut gefunden wurde.“
Am 15.10. wurde sie unter Begleitung des Herzogs und der Herzogin, der Oberhofmeisterin von Wollzogen, Geheimrat Sorhardt, Oberstallmeister von Beust, Hauptmann Schulers, Kammerjunker von Seebach, Kammerjunker von Feuchtersleben, Regierungsrat Wagner, des Heldburger Amtmanns Bartenstein und weitere Honoratioren vom Hofe und der Stadt Heldburg im Gottesacker von Lindenau beerdigt. Regierungsrat Wagner hatte extra ein Gesangstück verfertigt, das von den Hildburghäuser Seminaristen vorgetragen wurde. Sie war nur 34 Jahre alt geworden.
Es ist nichts darüber zu erfahren, ob die Herrschaften zu dieser Zeit in Seidingstadt weilten und von da aus die Reise nach Lindenau-Friedrichshall antraten, oder ob sie aus der Residenzstadt Hildburghausen gekommen waren. Prinzessin Therese war seinerzeit erst sechs Jahre alt und möglicherweise für diesen Ausflug noch zu jung betrachtet worden. Bei allem Unglück war es ein Glücksfall, dass dem Erbprinzen Joseph und seiner Schwester Charlotte nichts weiter passiert war.
Inge Grohmann
Kirchenbuch Lindenau, Sign. K3/7-1 |