Eigentlich ist es kein Grund zum Feiern. Dennoch hatte Lydia Müller am Dienstagabend in das Gasthaus Possecker eingeladen. Am Abend des 21.3.2022 sind acht Frauen und neun Kinder in Tettau angekommen, die vor dem Krieg in ihrer Heimat flüchten mussten.
Neben den Frauen, die nunmehr genau ein Jahr in Tettau leben, wurden auch alle diejenigen eingeladen, die sich in den vergangenen 365 Tagen gekümmert und mit eingebracht haben. Harald Müller eröffnete den „offiziellen Teil“ mit einer kurzen Begrüßung und einem kleinen Gebet für den Frieden. Die Frauen zauberten ein großes Buffet aus ukrainischen Spezialitäten, welches mit heimischen Schmankerln erweitert wurde.
In einer Art Jahresbericht lies Lydia Müller das ereignisreiche Jahr Revue passieren. Zunächst erinnerte man an die emotionale Ankommenszene, als Kinder und Frauen aus dem Bus ausstiegen und sehr verunsichert auf das Gasthaus zuliefen. Nachdem unzählige helfende Hände zur Verfügung standen - ermöglichte dies einen soweit es eben ging - herzlichen Start in der neuen Heimat. Sofort standen auch zwei „Übersetzerinnen“ zur Stelle - die seit Jahrzehnten in Tettau leben. Anna Efimov und Regina Schmittheißler sind bis heute nahezu Tag u. Nacht zur Stelle, wenn Übersetzer Apps an ihre Grenzen kommen, oder wichtige Dokumente und Anträge ausgefüllt werden müssen.
Eine der ersten Fragen der Damen war: „Wo ist der Flughafen?“. Obwohl die Frauen zwar froh über den herzlichen Empfang in Tettau waren, plante man schon die bevorstehende Rückkehr in die Heimat. Allerdings wussten sie offenbar nicht, dass Tettau keine direkte Anbindung an einen Flughafen hat. Auch nicht an einen Bahnhof oder eine Autobahn. Wie man jetzt schmerzlich feststellen musste funktioniert noch nicht einmal die Busverbindung nach Ludwigsstadt, welche in keiner Weise als „komfortabel“ eingeordnet werden kann. Marietta Rösler setzt sich mit Herzblut für die Integration der Familien und Kinder ein und auch Herbert Vetter konnte für einen Deutschkurs gewonnen werden, welcher im Gasthaus organisiert wurde und stattgefunden hat. Der Aufbaukurs startete kürzlich in Ludwigsstadt. Auch zum Jahresende 2022 stellte sich eine erneute Veränderung für die Bewohner ein, denn, das Gasthaus bekam einen neuen Besitzer. „Es war von Anfang an klar, dass die Frauen hier wohnen bleiben können“ erklärte Nancy Baier, die gemeinsam mit ihrem Mann das Traditionsgasthaus übernommen hatte.
Niemand dachte, dass die gemeinsame Zeit - mittlerweile über ein Jahr und vermutlich auch noch eine gewisse Zeit - dauern werde. Allerdings haben alle Seiten sich in vorbildlicher Weise zusammengefunden, sodass auch Freundschaften entstanden sind die sicherlich über das Kriegsgeschehen hinaus andauern werden.
Das Bild zeigt die ukrainischen Frauen, teils mit Kindern sowie einigen Tettauerinnen und Tettauern die mit Rat und Tat zur Stelle waren und sind.