Wir blicken auf den Anfang des 19. Jahrhunderts. In unserer Heimat herrschten katastrophale Zustände als Folge eines Ereignisses, das zuvor auf der anderen Seite der Erde stattgefunden hatte: Als im April 1815 der Vulkan Tambora ausbricht, glauben viele Menschen, das Ende der Welt sei nahe. Riesige Mengen von Asche und Gestein werden 12 Tage lang kilometerweit in die Atmosphäre geschleudert. Sie verdunkeln auf Tausenden von Kilometern monatelang den Himmel, zuerst in Asien, später in Nordamerika und Europa. 1816 wird weltweit als das Jahr ohne Sommer in die Geschichte eingehen. Weil Sonnenstrahlen kaum noch durchdringen, ändert sich das Klima umgehend. Von heftigen Unwettern, Kälte und Überschwemmungen werden Landwirtschaft und geordnete Gemeinwesen bis über die Grenzen ihrer Belastbarkeit heimgesucht. Auch in unseren Landen kommt es zu Missernten großen Stils, das Nutzvieh verendet, eine Hungersnot ohnegleichen bricht aus. Chronisten berichten von Menschen, die sich auf Gras, Wurzeln und Schnecken stürzen. Allein in Europa sterben Zehntausende von Menschen an den Folgen dieses Vulkanausbruchs.
Doch wie erlebten die Menschen aus Wallerfangen und Umgebung die Situation in jenen Tagen? So, als ob durch trübe Schatten nur noch wenig Licht schimmerte. Unter preußischer Herrschaft wurde Wallerfangen im Katastrophenjahr 1816 unter Einschließung der Orte Beaumarais, Felsberg, Picard, Niederlimberg und St. Barbara zur Bürgermeisterei erhoben. Doch im gesamten Landkreis schwächte die Hungerkrise die Ordnungsstrukturen. Weil dies zu einer erheblichen Zunahme von Bettelei und Diebstahl führte, ließ der Bürgermeister und Gutsbesitzer Francois-Albert de Lasalle (1770-1858) in Wallerfangen zahlreiche Bürgerwehren zusammenstellen. Unter Leitung von geeigneten Honoratioren gebot man so ortsfremden Herumtreibern Einhalt; diese wurden entweder ausgewiesen oder verhaftet. Während der Notjahre 1816/17 ordnete Landrat Jakob Schmeltzer (1770-1864) an, in Saarlouis Brot backen zu lassen und auf die umliegenden Gemeinden nach ihrer Steuerlast zu verteilen. Problematisch war dies vor allem wegen der vielen Arbeitslosen. Die wurden in der wenig klugen Verteilungsberechnung nicht berücksichtigt. Die Bürgermeister und Pfarrer sorgten dann dafür, dass alle Arbeitslosen im Landkreis gegen Lohn und Versorgung mit Brot an den Saarlouiser Festungswerken arbeiten durften. Theodor Liebertz (1869-1959) veranschaulichte in seinem Geschichtsbuch (S. 227/228) ein treffendes Bild der Not, die unsere Heimat „mit äußerster Armut und bitterstem Hunger“ zu tragen hatte. Den Zeitgenossen und später Liebertz war der Zusammenhang zwischen dem Vulkanausbruch in Indonesien und der Kälte, den Unwettern und Regenfällen nicht bekannt. Auch der berühmte englische Maler William Turner ahnte nicht, dass die Schwefelgase des Vulkans ihn bei der Darstellung von Sonnenuntergängen und Wolkenlandschaften inspirierten (Foto). Turner sog die nie dagewesene Pracht der von allen Schattierungen von Rot, Orange und Violett durchfluteten Schönheit des Himmels auf und verlieh ihr für alle Zeiten einen beispielhaften Realismus.
Text: Rainer Darimont, T: 62843, Bild: Wikipedia, Bildtechnik: Klaus Eisenbarth
Verein für Heimatforschung Wallerfangen