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Mitteilungsblatt Gemeinde Wallerfangen
Ausgabe 19/2025
Mitteilungen der Verwaltung
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HIstorische Seite

Am 08.05.2025 feiert ganz Europa den Tag der Befreiung – an diesem Tag vor 80 Jahren hatte die Deutsche Wehrmacht bedingungslos kapituliert, der Krieg in Europa war zu Ende. Suchte man heute nach einer Krankheit, um den Seelenzustand der Deutschen vor 80 Jahren zu beschreiben, dann käme man unweigerlich auf die Depression. Unser Land war düster gestimmt, ohne Hoffnung auf eine vielversprechende Zukunft.

Seit Jahren hören wir viel über die Aufarbeitung der Lasten dieser Tage. Sicherlich, im Hinblick auf historische Schuld sind Entschuldigungsgesten richtig und wichtig. Ohne eine solche Anerkennung gibt es keine Chance auf Versöhnung. Schon dieser erste Schritt jedoch ist keine Selbstverständlichkeit. Wir alle kennen das Syndrom. Wie schwer etwa tut sich Belgien, den Genozid und die Ausbeutung von Bodenschätzen im Kongo anzuerkennen, der es König Leopold II. ermöglicht hat, Brüssel zu einer glanzvollen Metropole werden zu lassen. Wie schwer fällt es der Türkei, den Ausrottungskrieg gegen die Armenier anzuerkennen. Wie hartnäckig zeigt sich Tschechien bei der Verharmlosung der Vertreibung der deutschstämmigen Bevölkerung und wie schwer tun sich die Alliierten bei der Eingestehung von Schuld, dass beim Bombardement von Dresden 1945 das Töten von 25.000 Zivilisten ein unmittelbares Ziel und kein unbeabsichtigter Nebeneffekt gewesen sei.

In internationaler Sicht wird man Deutschland im Hinblick auf die Anerkennung historischer Schuld geradezu als leuchtendes Vorbild bezeichnen müssen – als „Sondermusterschüler“, wie einmal die „Neue Züricher Zeitung“ zum 60. Jahrestag der Beendigung des Zweiten Weltkriegs titelte. Schuld also muss vorbehaltlos anerkannt werden. Und von der Anerkennung von Schuld zur Bitte um Entschuldigung ist nur noch ein kleiner, aber entscheidender Schritt. Wir alle kennen die berühmten Bilder: Willy Brandts Kniefall in Warschau oder die von Adenauer und De Gaulle gemeinsam gefeierte Versöhnungsmesse sind unvergessen. Zahlreiche Gesten ähnlicher Art schlossen sich an.

Vor Gottes Thron mag Zeit keine Rolle spielen, im menschlichen Bewusstsein aber sehr wohl. Viele aus meiner Generation, die sich unschuldig oder gar im Sinne der westlichen Werte vorbildlich fühlen, wollen nicht länger für die Sünden vergangener Generationen büßen. Und schon gar nicht wollen sie dies mit der Aussicht auf Unverjährbarkeit tun. Doch von Edmund Burke stammt die kluge Definition der Nation als einer Gemeinschaft der Lebenden mit den Toten und den noch nicht Geborenen. In unserer politischen Sprache übersetzt heißt das: Ehemalige Unterdrückungsregimes haben gegenüber früheren Unterdrückten eine besondere Verantwortung, die sie übernehmen sollten. Und deswegen sind Entschuldigungs– und Versöhnungsgesten auch noch in unseren Tagen unverzichtbar.

Text: Rainer Darimont, Tel: 62843, Bild: Wikipedia

Verein für Heimatforschung Wallerfangen