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Mitteilungsblatt Gemeinde Wallerfangen
Ausgabe 43/2022
Mitteilungen der Verwaltung
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Historische Seite

Das „Alte Schloss“ in Wallerfangen (2)

Nachdem der Landkreis Saarlouis das Alte Schloss 1936 von der Steingutfabrik gekauft hatte, vermietete er es an die NSDAP, Gau Saarpfalz. In der Zeit von 1936 bis 1937 baute der saarländische Architekt Rudolf Krüger das Gebäude zu einer BDM-Führerinnenschule um. Wie lange die Gauleitung Saarpfalz bzw. ab 1940 der Gau Westmark das umgebaute Schloss für die Führerinnenausbildung nutzte, ist nicht bekannt.

Der Bund Deutscher Mädel (BDM) diente in der Zeit des Nationalsozialismus als weiblicher Zweig der Hitlerjugend, einer pädagogischen Masseneinrichtung, um die totalitären Ziele des NS-Regimes umzusetzen. Die Jungen sollten zu politischen Soldaten und die Mädchen zu starken und tapferen Frauen erzogen werden. Die Frauen sollten den politisch indoktrinierten Soldaten ebenbürtige Kameraden sein. Oberstes Ziel war hierbei, dass sie die nationalsozialistische Weltanschauung später in ihren Familien als Frauen und Mütter lebten und ausgestalteten. Ein beliebtes Ausflugsziel der Wallerfanger BDM-Schülerinnen war der in Berus errichtete, martialisch über dem lothringischen Stufenland sich erhebende Hindenburgturm. Sein im Kreisarchiv erhaltenes Besucherbuch mit einem "krönenden" Eintrag von Adolf Hitler gibt darüber beredte Auskunft.

Nach dem Kriege bezogen obdachlos gewordene Familien das Alte Schloss. 1947 fand die Hauptgeschäftsstelle der Raiffeisenkassen hier vorübergehend Unterkunft, ebenso wie die Landwirtschaftliche Winterschule Saarlouis. Schließlich wurde das Gebäude 1963 von der Caritasträgergesellschaft Saarbrücken (CTS) gekauft. Danach unterhielt der Wohlfahrtsverband im Alten Schloss bis 2019 eine hochmoderne Einrichtung der Jugendhilfe mit zahlreichen Außenstellen, deren Grundlage die Schaffung von tragfähigen Beziehungen und Geborgenheit ist.

Das 1959 von Karl Hanus erbaute heutige Rathaus von Wallerfangen in der Tradition des weltberühmten Bauhaus-Stils ist in die Jahre gekommen. Ein langjähriger Renovierungsstau und die Investitionszurückhaltung bei dem unter Denkmalschutz stehenden Gebäude dürften zu dem geführt haben, was dieser Tage vor den Augen der erstaunten Bevölkerung stattfindet. Das Rathaus muss dringend instandgesetzt werden, und zeitgleich ist auch sein unbefriedigender energetischer Zustand dem neuen Zeitalter anzupassen. Die gesamte Gemeindeverwaltung zieht deswegen vorübergehend in das leerstehende Alte Schloss um. Und so erleben die Gemeindeverwalter für absehbare Zeit das Flair alter Architektur und das besondere Ambiente, das viele historische Gemäuer umgibt.

Text: Rainer Darimont, Bild: Sammlung Gernot Karge, Bildtechnik: Klaus Eisenbarth