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Mitteilungsblatt Gemeinde Wallerfangen
Ausgabe 48/2024
Mitteilungen der Verwaltung
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Amtsblatt der Gemeinde Wallerfangen, Historische Seite für 48. KW 2024



Festgesetzt und vier Tage gefangen gehalten - der Hauptmann von Köpenick an der Saar

In Völklingen erinnert man sich gerne an ihn: ein Mann namens Wilhelm Voigt (1849-1922), der Welt besser bekannt als der „Hauptmann von Köpenick“. Er war Volksheld und erster Megastar der Weltpresse seiner Zeit. Rund um den Globus amüsierte man sich über seinen Gaunerstreich im Rathaus von Köpenick (1906), mit dem er unabsichtlich das wilhelminische Reich mit ihrem preußischen Gehorsam und Untertanengeist bloßlegte. Wegen weltweiter Proteste und dem öffentlichen Druck im eigenen Land kam Kaiser Wilhelm II. nicht umhin, Voigt 1908 zu begnadigen. Voigt vermarktete seine Lebensbeschreibungen und trat mit großem Erfolg öffentlich auf. In unsere Gegend verschlug es den berühmten „Hauptmann“ im Jahre 1909, und damit rückt eine bemerkenswerte Geschichte in unseren Blick.

Der noch immer unter Polizeiaufsicht Stehende machte am 7. Juni in einem Völklinger Festsaal in der Bismarckstraße Nr. 110 Station. Aufgrund eines spätabendlichen "Umtrunks" mit seinen Unterstützern meldete sich Voigt nicht innerhalb von 24 Stunden bei der Polizeibehörde vor Ort, wie seine Entlassungsauflagen es vorschrieben. Am nächsten Morgen verhaftete der Völklinger Polizeichef Julius Hartmann den Verkaterten beim Frühstück und sperrte ihn für einige Tage ins Stadtgefängnis. Hartmann war sich nicht darüber im Klaren, dass durch seine wichtigtuerische Tat ein erneuter Presserummel in Gang kam. Der verbreitete sich binnen zwei Tagen übers ganze Reich. Erst vier Tage später bat der entnervte Völklinger Bürgermeister Friedrich Sohn den Saarbrücker Landrat um Anweisung, was mit Voigt zu geschehen sei. Walter von Miguel korrespondierte daraufhin mit Berlin und erhielt postwendend eine geharnischte Rückdepesche. Darin verfügte der aufs höchste ungehaltene preußische Innenminister Friedrich Ludwig von Moltke, Voigt sei sofort freizulassen. Bei der Pressekonferenz am 14. Juni in Saarbrücken war allerdings ein moderaterer Ton zu vernehmen. Der Landrat erklärte, dass seine Gnaden der Minister die örtlichen Behörden darum gebeten habe, in diesem besonderen Fall Milde walten zu lassen. Denn Voigt sei immer noch bei den einfachen Volksschichten sehr beliebt und diese sollten durch eine erneute Inhaftierung ihres Helden nicht vor den Kopf gestoßen werden. So kam der „Hauptmann von Köpenick“ ein zweites Mal aufgrund seiner Popularität auf freien Fuß.

Wilhelm Voigt trat mit großem Erfolg in Kanada, den USA und England auf und setzte sich wohlhabend und zufrieden zur Ruhe. Er kaufte in der Stadt Luxemburg ein Haus und wurde im Großherzogtum eingebürgert. Über seinen Verbleib in der Neypergerstraße 5 gibt Voigt die wenig bescheidene Auskunft: "Ich bewohne eine eher kleine Stadt und verweile gern in ihr, damit sie nicht noch kleiner wird." Noch heute besuchen die Verehrer des verwegenen „Hauptmanns“ sein Grab auf dem zentralen Stadtfriedhof. Die Behörden haben ihm dort ewiges Liegerecht gewährt.

Text: Rainer Darimont T: 62843, Foto: Stadtarchiv Völklingen

Verein für Heimatforschung Wallerfangen