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Mitteilungsblatt Gemeinde Wallerfangen
Ausgabe 5/2023
Mitteilungen der Verwaltung
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„Libertas Prussia“ - eine archäologische Neuentdeckung. Ist die bislang unbekannte Keramik aus Wallerfangen? (1)

„Libertas Prussia“ - eine archäologische Neuentdeckung. Ist die bislang unbekannte Keramik aus Wallerfangen? (1)

Dieser Report beginnt mit einem Scherbenhaufen. Bei der Herstellung von Steingutkeramik entstehen an jedem Standort Fehlbrände und Produktionsabfälle. Diese Herstellungsreste werden auf einer Scherbenhalde entsorgt. Sie bestehen aus Brennstützen, Halbprodukten, Fehlbränden und den Ergebnissen von Brandunfälle. Sie alle zeigen, welche Keramik in den Öfen des jeweiligen Steingutherstellers hergestellt worden war.

Wir blicken nun auf das Terrain des alten Wasserwerkes in Wallerfangen. Hier entdeckte das saarländische Landesdenkmalamt 2020 bei einer Ausgrabung eine große Menge von Keramikbruch der ehemaligen Wallerfanger Steingutfabrik Villeroy&Boch. Die Ausgräber nahmen an, dass die zerscherbten Reste anstelle von Schotter zur Anpassung von Höhenunterschieden im Gelände aufgeschüttet worden waren. Auf geborgenen Scherben stießen die Archäologen auf Bodenmarken einer Produktserie namens „Libertas Prussia“, die bislang unbekannt war. Nach Annahme der Ausgräberin Constanze Höpken und des Direktors Thomas Martin vom Museum für Vor- und Frühgeschichte, Saarbrücken, wurden mit der Marke „Libertas Prussia“ in der Zeit, in der das Saargebiet dem Mandat des Völkerbundes unterstellt war (1920-35), Gefäße in Wallerfangen hergestellt. Diese seien ausschließlich für den Export in die USA bestimmt gewesen. In Deutschland, befanden die Vorgenannten, wurde die mit dem ungewöhnlichen Namenszug gestempelte Produktserie kaum bis gar nicht verkauft. Darauf deutet das extreme Ungleichgewicht auf dem aktuellen Kunst- und Sammlermarkt: Der Großteil der Keramikangebote stammt aus der USA. Im Saarland sind nur zwei Keramikteile mit der Bodenmarke „Libertas Prussia“ (Bild) bekannt. Ein Teller befindet sich im Besitz der Stiftung saarländischer Kulturbesitz. Einen weiteren Teller erwarb Stefan Michelbacher vom Verein für Heimatforschung Wallerfangen im Lahn-Dill-Kreis.

Da bisher die Verbindung von Libertas Prussia und Villeroy&Boch in Wallerfangen nicht bekannt ist, entbrannte darüber ein Expertenstreit. Die Keramiker des Vereins für Heimatforschung Wallerfangen stellten eine gegengerichtete Hypothese auf. Sind die MitarbeiterInnen um Constanze Höpken vielleicht einem Zufallsfund aufgesessen? Warum haben Theodor Liebertz und Beatrix Adler, die literarischen Großgenies der Industriegeschichte Wallerfangens, nie ein Sterbenswörtchen von der unbekannten, unter fremdem Namen laufenden Exportkeramik aus Wallerfangen in ihren Schriften erwähnt? (Weiter geht es nächste Woche.)

Text: Rainer Darimont, T: 62843, Bild/Technik Stefan Michelbacher, Klaus Eisenbarth

Verein für Heimatforschung Wallerfangen