Liebe Leserinnen und Leser!
Eine wissenschaftliche Untersuchung hat Menschen in Zügen und Bars belauscht und festgestellt, dass wir in Gesprächen im Schnitt ein Drittel unserer Zeit über abwesende Menschen sprechen. Da nimmt der berühmte Klatsch und Tratsch ganz schön viel Raum in unseren Alltagsunterhaltungen ein. Scheinbar hat dieses "Übereinander-Reden" eine wichtige Funktion für unser Zusammenleben. Denn so tauschen wir uns auf ganz einfache Weise, beinahe nebenbei, über
Normen und Werte aus, die eine Gesellschaft zusammenhalten. Was zieht man halt so an? Wann benimmt man sich daneben? Problematisch wird es dann, wenn ich beim Klatschen und Tratschen auf die Schwächen des Anderen schaue, um selber besser dazustehen.
Der belgische Ordenspriester Phil Bosmans, der von 1922 bis 2012 lebte, bringt es auf den Punkt: "Du wirst nicht größer, wenn du andere klein machst. Nur ein kümmerlicher Gernegroß macht andere klein."
Die Alternative ist also einfach: Ich muss nur auf die Größen und Stärken des Anderen schauen. Man kann das ja mal ausprobieren: In der nächsten Tratschrunde, wenn über den Kollegen hergezogen wird, der immer alles so genau nimmt, einmal einzuwerfen: "Ich finde es toll, wie er immer alles im Blick hat."
Ich bin mir sicher, wir haben viele Gelegenheiten, dies auszuprobieren. Es ist vielleicht eine Kleinigkeit, aber dadurch werden in meinen Augen Menschen größer. So haben wir jederzeit die Möglichkeiten, unserem Mitmenschen eine neue Chance zu geben.
Bischof Joachim Wanke formulierte im Elisabethjahr 2007 die "Sieben Werke der Barmherzigkeit für Thüringen heute". Ein Werk davon lautet: "Ich rede gut über dich!"
Es tut gut, wenn man Gutes über sich hört, wenn man anerkannt wird. Wer redet gut über mich? Wer redet gut mit mir? Wann habe ich zuletzt einem Mitmenschen etwas Gutes gesagt, ihn gelobt, ihm meine Wertschätzung ausgedrückt?
Reden wir weniger übereinander, sondern mehr miteinander!
Einen gesegneten Sommer und Urlaub.
Ihr Pfarrer Tobias Reinhold