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Amtsblatt Kreis Weimarer Land
Ausgabe 4/2024
Nichtamtlicher Teil
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Der Born an der Schenke

Ein Wahrzeichen Mellingens von Doris Erbse, Ortschronistin von Mellingen

Erreicht man Mellingen auf der B 87 und biegt an der Ampel auf die L 261 Richtung Ortsmitte ab, sieht man nach ca. 200 Metern ein markantes, graues Brunnenhäuschen am Fuße des Kirchberges. Dieses über 400 Jahre alte Kleindenkmal kann viel über die Geschichte des Ortes erzählen, denn an seiner Spitze glänzt die Jahreszahl 1607.

Neben dem Brunnen befand sich bis 1958 die Gemeindeschenke „Gasthof zur Linde“, die früher von den ortsansässigen Bewohnern besucht wurde, während ein gegenüberliegendes Gasthaus nur für den Fremden- und Durchgangsverkehr bestimmt war. Am Gebäude der Gemeindeschenke befindet sich noch heute ein eingemauerter Stein, der an die vernichtenden Brände von 1682 und 1748 erinnert. Der Brunnen an der Schenke, von den Mellingern liebevoll Schenkborn genannt, überstand die schweren Feuersbrünste, Kriege und die Thüringer Sintflut.

Der Ortspfarrer Dr. Otto Förtsch schrieb 1898 in der „Geschichte der Gemeinde Mellingen“ über die Zeit nach der Reformation: „Im Dorfe befanden sich drei öffentliche Brunnen, je einer auf jedem Anger und einer neben der Gemeindeschenke. Über dem letzteren erhob sich, wie noch jetzt, ein hölzernes, schiefergedecktes Brunnenhäuschen, auf der Dachspitze eine noch jetzt erhaltene Fahne mit dem sächsischen Wappen und der Jahreszahl 1607.

Der Brunnenschacht ist 9 m tief und mit Kalkbruchsteinen ausgemauert. Die Brunnenröhre hat einen Durchmesser von 1,50 m. Bei der Messung im Jahre 2010 betrug der Wasserstand 2,60 m. Ursprünglich wurde das Wasser mit einer Welle, an der ein Seil mit einem Eimer befestigt war, heraufgeholt. Später erhielt der Schenkborn eine Schwengelpumpe. Über dem Brunnen erhebt sich ein hölzernes, sechseckiges Brunnenhaus, dessen Dach mit Schiefer gedeckt ist. Auf der Spitze befindet sich eine Blechhaube mit Turmknopf und Wetterfahne. Früher war hier neben der Jahreszahl noch das schwarz-gelb-grün gestreifte sächsische Wappen zu sehen, als Sinnbild für das (Groß)Herzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach, wozu der Ort einst gehörte. Das Brunnenhaus, das auf einem Podest aus Stein steht, ist offen und im unteren Bereich von einer 0,6 m hohen geschlossenen Holzbrüstung umgeben. An der Konstruktion ist erkennbar, dass die sechs Seitenteile abnehmbar waren und somit der Brunnen im Winter verkleidet werden konnte.

In den 1970er Jahren erfolgte eine umfassende Rekonstruktion des Schenkborns. Das Häuschen erhielt eine neue Schieferbedachung und 1977 wurde die Blechhaube mit Kugel und Wetterfahne neu aufgesetzt. Damals erfolgte auch der Rückbau der Pumpe mit Auslauf, sodass oft nicht auf den ersten Blick zu erkennen ist, dass es sich um einen Brunnen handelt. Nur der Steintrog, der unter dem Auslauf der Pumpe stand, ist noch an seinem Platz. Die letzten umfassenden Sanierungsarbeiten am Brunnenhaus fanden 2010 mit Unterstützung von Mitteln aus dem ELER-Programm Thüringen statt. Bei der Demontage der Dachbekrönung wurde eine versiegelte Hülse mit Zeitdokumenten von 1909,1927, 1975 und 1977 sowie über den Schenkborn geöffnet. Heute enthält der Turmknopf Dokumente aus dem Wendejahr 1989 und einen USB Stick mit mehreren hundert Bilddateien zu „Mellingen heute“. Die entnommenen älteren Dokumente werden im Archiv der Gemeinde aufbewahrt.

Der Brunnen wurde von den Anwohnern bis in die 1950er Jahre genutzt. Dann begann 1955 der Wasserleitungsbau und das Dorf erhielt einen Anschluss an die Pumpstation in der Aue. Aber der Schenkborn ist für Mellingen ein wichtiges kulturhistorisches Denkmal geblieben. Er ist ein bekannter Treff- und Orientierungsplatz. Deshalb haben wir Mellinger ihn zu einem unserer Wahrzeichen gemacht.