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Höhberg Echo
Ausgabe 8/2023
Aus der Geschichte
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Vor 125 Jahren: „Klostergründung“ in Uder

Das Schwesternhaus „St. Katharinenstift“ auf einer Postkarte von 1917.

Schwesternhaus (links) mit dem 1970 abgerissenen, kleinen Nebenhaus für die Herren-Altenpflege (rechts).

Verwundete Soldaten mit Oberin M. Liberia im Weltkriegsjahr 1915. Zu ihrer Linken: Ortschronist Bernhard Siebert.

Heutzutage ist das ehemalige Schwesternhaus im Ortsbild von Uder unscheinbar. Lediglich der Straßenname Klosterstraße erinnert an die wirkungsreiche Zeit der Ordensgemeinschaft, sodass ich als direkter Anwohner schon mehrfach gefragt worden bin, wo denn in Uder einmal ein „Kloster“ gestanden habe. Da zum diesjährigen Patronatsfest eine Gedenktafel für Sr. M. Philomena eingeweiht wurde, soll dieser Beitrag nun der gesamten Uderaner Niederlassung der Grauen Schwestern von der hl. Elisabeth gewidmet sein.

Dabei ist das Jahr 2023 in vielerlei Hinsicht bedeutsam: Denn vor genau 125 Jahren wurde das St. Katharinenstift am 12. Juni 1898 zur „großen Freude der gesamten Gemeinde“1 eröffnet. Die feierliche Einweihung übernahm Pfarrer Phillip Kirchberg noch bevor eine königliche Genehmigung in Uder eintraf. Zunächst wohnten die ersten beiden Ordensschwestern gemeinsam mit den Stifterinnen Katharina und Elisabeth Hottenrott in einem kleinen Wohnhaus der heutigen Klosterstraße 8. Dazu hatten die beiden Hottenrott-Geschwister, welche in der Dorfgemeinschaft auch als „Rosenkranzmädchen“1 bekannt waren, ihren gesamten Besitz an die Genossenschaft der Grauen Schwestern von der heiligen Elisabeth in Breslau geschenkt. Einzige Bedingung: dass auf ihrem Grundstück eine Kongregationsniederlassung zur Ausübung der Krankenpflege und weiterer karitativer Tätigkeiten errichtet werde.

Nach umfassenden Baumaßnahmen am Schwesternhaus wurde 1907 neben einer „Kinderbewahrungsanstalt“2 auch eine Haushaltsschule zur Ausbildung junger Mädchen eingerichtet. Wie sich der Verfasser der ersten Uderaner Ortschronik Bernhard Siebert erinnert, war dies eine „dringende Notwendigkeit“1 in Uder. Dadurch entwickelte sich der Orden binnen wenigen Jahren zu einer festen Konstante, die einen Mehrwert für die gesamte Gemeinde schuf. So stifteten die Ordensschwestern beispielsweise die 14. Station „Der heilige Leichnam Jesu wird ins Grab gelegt“ des Uderaner Kreuzwegs, welcher am diesjährigen Rosenkranzfest (7. Oktober) 115 Jahre alt wird. Da sich nach dem Eintreffen einer vierten Ordensschwester fortan zwei Schwestern um die ambulante Krankenpflege kümmern konnten, wurde dem Stift in den ersten drei Kriegsjahren eine besondere Aufgabe zu teil. Denn bereits drei Monate nach Beginn des Ersten Weltkriegs nahmen die Schwestern die ersten verwundeten Soldaten auf. Auf dem Höhepunkt ihrer Schaffenskraft versorgte die Ordensgemeinschaft im Oktober 1915 sogar bis zu 62 Soldaten gleichzeitig, wozu die hiesige Dorfgemeinschaft Betten und weiteres Zubehör unentgeltlich zur Verfügung stellte. Letztlich wurde das Vereinslazarett, welches direkt dem Göttinger Reservelazarett unterstand, im Februar 1916 nach 16 Monaten und 102 versorgten Verwundeten aufgelöst. Wie der Ortschronist Siebert konstatiert, stellt diese Zeit ein „Ruhmesblatt in der Geschichte des Klosters“1 dar, sodass Soldaten aus allen Landesteilen noch Jahre später in Briefen ihre Dankbarkeit den Schwestern bekundeten.

Im Jahr 1928 wurde eine Liegehalle gebaut, in der schwächliche Kinder unter der Aufsicht des Kreisarztes für mehrere Wochen eine „Liegekur“2 durchführen konnten. Durch den Kauf des kleinen, einstöckigen Nachbarhauses sind ab 1935 nicht mehr nur Frauen, sondern auch Männer in einem kleinen Altersheim gepflegt worden. Derweil erfreuten sich die seit 1921 angebotenen Nähkurse einer großen Beliebtheit, bis der NSDAP-Ortsgruppenleiter Heinrich Hochhaus 1940 eine Schließung der Nähschule anordnete. Scheinbar tat dies der Stimmung aber keinen Abbruch, da im ersten Lehrgang nach Kriegsende 48 Schülerinnen am Kurs der Damenschneidermeisterin Sr. M. Berta teilnahmen.

Bis zur Wiedervereinigung wurden weitere Renovierungen sowie Um- und Neubauten vorgenommen, welche die Kapazitäten des Stiftes in allen Bereichen steigerten. Dadurch war das Schwesternhaus in beinahe 95 Jahren der Niederlassung nicht mehr aus dem Gemeindeleben in Uder wegzudenken. Die außergewöhnlichen Dienste in der Seelsorge, in der Kinderbetreuung und Jugendausbildung, der Kranken- und Altenpflege sowie eine Notfallbereitschaft bei Tag und Nacht würden sicherlich auch heute noch unserer Gemeinde gut zu Gesichte stehen.

Leider musste das St. Katharinenstift jedoch aufgrund von Nachwuchsmangel am 09. Mai 1993 geschlossen werden, sodass die Gemeinde Uder nun schon seit 30 Jahren keinen gesellschaftlichen Beitrag mehr durch die Schwestern erfährt. Heutzutage gibt es auf dem Eichsfeld keine Niederlassungen der Grauen Schwestern mehr, da zwischenzeitlich auch die letzten Schwesternhäuser in Beberstedt (1994), Burgwalde (2003) und Leinefelde (2012) geschlossen wurden.

Was in Uder aber bleibt, sind die Zeichen der Geschichte; das zum Wohnhaus umgebaute Schwesternhaus, die Klosterstraße sowie die Erinnerungstafeln an die Schwestern auf dem Friedhof. Mögen diese Symbole auch weiterhin fortbestehen und als Denkmal an die segensreiche Zeit der Schwestern von der hl. Elisabeth erinnern.

Daniel Köhler