Mein Heimatdorf ist nicht nur ein Ort, sondern vielmehr ein lebenslanges Gefühl. Wenn man es in jungen Jahren mit Leidenschaft erlebt, sich wohlfühlt, die Menschen mit ihren Besonderheiten bewusst bemerkt und die Energie durch Traditionen, Handwerk und Feste spürt, dann verbindet einen das sein Leben lang und man kehrt gerne zurück.
Das eigene Heimatdorf, kennen viele der Kinder bereits und voller Stolz reden sie über Ereignisse und Feste an den Wochenenden. Es ist Teil ihres Lebens. Die Menschen und die einzelnen Begebenheiten und Sichtweisen der Dörfer prägen sie von klein auf. Jedes Dorf in der Gemeinde Uhlstädt- Kirchhasel ist anders und jedes wird als das schönste verteidigt. Um die Schönheit jedes einzelnen Dorfes zu beschreiben und erlebbar zu machen, hat die Klasse 3b in den letzten beiden Jahren jedes Heimatdorf der Kinder besucht. Dorfbegehungen in neun Dörfern. Oft wurden zwei Nachbardörfer an einem Tag vorgestellt, was bedeutete, dass viele Kilometer gelaufen werden mussten und viele Informationen flossen. Jedes Kind war aufgeregt, wenn es darum ging, den Kindern der eigenen Klasse seine Lieblingsorte des Dorfes vorzustellen aber auch die wichtigsten Ereignisse und Traditionen vor Ort zu erklären. Die Angst vorm Präsentieren wich meist schnell und an Stelle dessen kam die Leidenschaft und Liebe zum Ort hervor, sodass jedes Heimatdorf ein einmaliges und spannendes Erlebnis wurde.
Ich als Lehrerin der 3b habe in den beiden Jahren der Dorfbegehungen selbst so viel hinzugelernt und noch mehr gespürt, dass unsere Gemeinde nicht nur besonders schön ist, sondern vielseitig durch die Menschen und außergewöhnlich historisch. Die Umsetzung der Dorfbegehungen war mir persönlich eine Herzensangelegenheit. Mit den anfänglichen Gedanken, wie aufwendig diese Tage sind, war ich zunächst nicht sicher, ob sie sich umsetzen lassen und ob ich den dadurch ausfallenden Unterricht in der Schule aufholen kann. Nach nun zwei Jahren mit 26 Kindern in den Dörfern der Gemeinde muss ich sagen, dass es sich mehr als gelohnt hat. Denn aufholen müssen wir nichts. Die Dorfbegehungen haben Dank der starken Unterstützung der Eltern und Experten, den Kindern so viel zusätzliches, nützliches und nachhaltiges Wissen mit auf den Weg gegeben, dass sie davon lange profitieren können. Das praktische Erleben und Erfahren war viel eindringlicher und wird den Kindern lange in Erinnerung bleiben.
In Engerda verdeutlichte Familie Siegert das alte Handwerk des Schusters und Großmutter Hauspurg spielte Kinderlieder auf der Orgel. In Schmieden erlebten die Kinder nicht nur die Tradition des Bergauf- Straßenkegelns, sondern hatten einen fabelhaften Projekttag rund um die Bienen und die Imkerei. Mit Matthias Kellner durften die Kinder Honig schleudern und abfüllen, Frau Eberhardt stellte Kerzen aus Wachs mit den Kindern her und Peggy Kellner erklärte hinreißend alles rund um die Bienenwelt.
In Großkochberg bewegte uns die Leidenschaft der Dorfgemeinschaft zu ihrem Freibad. Der Zusammenhalt und die Pflicht eines jeden zum Erhalt solcher Orte wurde durch Günther Hercher vermittelt. Dass der Luisenturm, das Kochberger Schloss und der Park nicht nur ein Lieblingsplatz vieler ist, sondern auch Orte, die für die Liebe stehen, erfuhren die Kinder im Schloss, dass von innen bisher keiner kannte. Von der Liebe ging es in den Hühnerstall nach Teichweiden, was für viele Kinder zu einem eher ernüchternden Blick auf die Liebe zum Huhn führte. Dennoch sind wir dankbar für die Führung und die freundlichen Mitarbeiter, die uns vieles rund ums Ei erklärten.
Die Kirchhaseler Kinder hatten die schwere Aufgabe in der großen Sommerhitze eines der größten Orte zu präsentieren. Vom versunkenen Bierkeller unterm Dorfgemeinschaftsplatz ging es zum sagenbehafteten Steinkreuz, was die Achtsamkeit der Kinder auf solche Kreuze und das Herausfinden der Bedeutungen anspornte. Herr Dudda erzählte uns im Anschluss über die Geschichte der Landwirtschaft, führte alte Maschinen vor und betonte die Bedeutsamkeit der Landwirtschaft für alle in der Gemeinde. Danach wanderten wir alle über die Plüsch nach Oberhasel wo Theo den für ihn größten Ort hochleben ließ. Egal ob die besonderen Orgelpfeifen der Kirche, das Hochwasser, Opas Bruder oder das Geisterhaus am Brunnen- alles hatte eine Geschichte. Theos Kür – ein musikalisches Stück auf seinem Schlagzeug läutete das letzte Highlight des Tages ein. In der Backscheune durften alle Kinder mit Herrn und Frau Hercher selbst Pizza belegen und im alten Backofen backen. Unvergesslich! So ging die Liebe zum Dorf mit allen Sinnen durch den Magen ins Herz.
Faszinierend und legendär waren ebenfalls die Dorfbegehung Beutelsdorf und Zeutsch. Unsere Maja präsentierte stolz ihre Sammlung an kleinen Porzellanpuppenköpfchen, die alle Beutelsdorfer Kinder seit Generationen sammeln, denn vor 100 Jahren gab es dort eine Porzellanfabrik. Nach der Auflösung der Fabrik verstreute man diese auf den Feldern und die Kinder gehen regelmäßig auf Schatzsuche. Um das weiße Gold in Erinnerung zu behalten, durften die Kinder der 3b Dank Familie Wöllner eigene Tassen bemalen. Nach dem Brückendorf Beutelsdorf gingen wir über die sagenreiche Mörderlinde zum Schafstall und wurden dort herzlich von Frau Rosoli empfangen. Rund um die Schafzucht und den Beruf der Schäferin durften die Kinder alles fragen und sie bekamen einen profunden Einblick in diesen herrlichen Ort. In Zeutsch wartete nicht nur der damalige Bürgermeister Knauer, den wir bereits vorher schon im Bürgermeisterbüro in Uhlstädt besuchen durften, sondern auch Eleonore von Zeutsch.
Ein einmaliger und einprägender Moment mit Wow- und „Echt krass“- Effekt. Die Oma der russischen Zarin Katharina die Große, wohnte in Zeutsch und alle Zeutscher Kinder präsentierten ihr Dorf mit adelsgleicher Eleganz und sangen im alten Saal der Familie Jentsch gleich nochmal das Zeutscher Lied begleitet von Lauras Mama auf der Gitarre, womit sie deutlich machten, wie verbunden sie sich fühlten.
Unsere Mia- als einziges Kind unserer Klasse jenseits der Saale, ließ sich nicht beirren. Nie hatte sie das Gefühl, dass Naundorf nicht mithalten kann. Mit Enthusiasmus und frenetischer Energie überlegte sie sich einen Erlebnisparcour durch den Ort und stellte ihre Lieblingsplätze so gekonnt vor, dass selbst Naundorf für alle zum Sehnsuchtsort wurde. Abgeschlossen wurde der Tag im Kuhstall Catharinau. Zum Thema Nutztiere führte uns Antons Papa durch die Agrargenossenschaft und erklärte ganz viel zur Rinderzucht.
Mitte Juni schlossen wir die Dorfbegehungen mit Neusitz ab. Samira präsentierte uns ihr Dorf und lud dazu Herrn Tschesch ein, der uns ganz viel zur Kirche und zum Christentum erklärte und der alle Kinder mal die Glocken läuten ließ. In den Muschelkalkbergen suchten die Kinder nach den Resten fossiler Tiere und genossen den tollen Blick über den Hexengrund. Emilias Mama stellte uns zum krönenden Schluss die Regelschule Neusitz vor und gab vielen unser Drittklässler einen freudigen Ausblick auf das, was sie im nächsten Jahr erwarten könnte.
Jede einzelne Dorfbegehung war einzigartig. Sei es durch die aufregenden Geschichten und Erlebnisse, die neugierigen Begegnungen mit den Einwohnern, die Geschichten der Experten oder das starke Gefühl der Heimat. Stets wurden wir begleitet von Sonnenschein und Herzlichkeit. Die Eltern der Klasse haben sich in jedem Dorf etwas fürs leibliche Wohl einfallen lassen und dafür gesorgt, dass alle Kinder gut gestärkt weiterlaufen können. Gleichzeitig haben alle Eltern am gleichen Strang gezogen und dafür gesorgt, dass ihr Kind morgens rechtzeitig, selbst im abgelegensten Ort ankommt und abgeholt wird. Nur durch diese Unterstützung ist diese ganzheitliche Form des Lernens und Erlebens möglich. Ich weiß, dass viele Eltern sich extra Urlaub genommen haben, um ihre Kinder an diesen Präsentationstagen zu unterstützen und die Klasse kulinarisch zu versorgen. Für dieses Engagement bin ich zu tiefst dankbar, denn nur so kann Gemeinschaft gelebt werden, Werte vermittelt und ein Miteinander vorgelebt werden. Wir alle gemeinsam -Eltern und Kinder- haben Erinnerungen geschaffen und die Liebe zur Heimatgemeinde Uhlstädt-Kirchhasel verstärkt. Dieses Erleben ist so essentiell, denn nur wer weiß, wo seine Wurzeln sind, bleibt verwurzelt und hat für sein Leben ausreichend Halt. Vielen Dank ihr tollen Eltern, Großeltern und Begleiter.